# taz.de -- Sportverbot mit russischen Athleten: Schmerzhafte Entscheidung | |
> Kyjiw verbietet seinen Athleten die Teilnahme an Wettbewerben mit Russen | |
> oder Belarussen. Einige der Betroffenen kritisieren das Verbot. | |
Bild: Zeigt Flagge: Andrei Protsenko nach Gewinn der Bronzemedaille bei der WM … | |
Dieser Tage ist in der ostukrainischen Stadt Bachmut der ukrainische | |
Radprofi Konstantin Deneko zu Tode gekommen. Der 40-jährige Sportler diente | |
in einer Spezialeinheit des Nachrichtendienst. [1][In seinem Urlaub nahm | |
Deneko an Wettkämpfen teil.] Im September 2022 fuhr er nach Butscha, um die | |
Teilnehmer eines Radrennens zu unterstützen. Deneko starb am 31. März. Er | |
ist der 200. ukrainische Athlet, der seit Beginn der russischen Invasion | |
dem Krieg zum Opfer fiel. | |
Zum Zeitpunkt seines Todes beschäftigten sich die Verantwortlichen des | |
ukrainischen Sports [2][mit der Empfehlung des Internationalen Olympischen | |
Komitees (IOC)], Athlet*innen aus Russland und Belarus bei Wettkämpfen | |
begrenzt zuzulassen. Sie sollen als neutrale Sportler*innen antreten | |
können, sofern sie nicht mit dem Militär oder Sicherheitsbehörden in | |
Verbindung stehen. Unmittelbar nach der IOC-Empfehlung verbot das | |
Ministerium für Jugend und Sport der Ukraine mit dem Nationalen Olympischen | |
Komitee (NOK) ukrainischen Athlet*innen die Teilnahme an Wettkämpfen mit | |
Russ*innen und Belaruss*innen. | |
Der Sportminister der Ukraine und Leiter des NOK, Wadim Gutzeit, zeigte | |
sich zufrieden, dass das IOC die Frage einer Teilnahme von Russ*innen und | |
Belaruss*innen an den Olympischen Spielen 2024 erst einmal aufgeschoben | |
hatte. Und er erklärte, dass von einem Boykott der Ukraine der Olympischen | |
Spielen 2024 noch keine Rede sein könne. Die Hauptsache sei, dass | |
Russ*innen und Belaruss*innen nicht in die internationalen | |
Verbände zurückkehrten. | |
Die Erwähnung eines möglichen Boykotts der Olympischen Spiele schockierte | |
ukrainische Athlet*innen. Sie kritisierten, die Sportbehörden hätten | |
statt dem Verbot für die eigenen Athlet*innen [3][Druck auf das IOC] | |
ausüben und mit den Verbänden zusammenarbeiten sollen. Besonders empört | |
waren Tennisspieler*innen, Ringer*innen und Schwimmer*innen, von | |
denen viele Chancen auf eine Medaille in Paris haben. | |
## „Zerstörung“ des ukrainischen Sports | |
„Dieses Verbot für ukrainische Athlet*innen ist genauso wie das Verbot | |
für unser Militär auf der Krim, zu den Waffen zu greifen, als Russland die | |
Halbinsel 2014 eroberte“, sagt der Sportmanager Juri Schapowalow. Der | |
ukrainische Skeletonist Wladislaw Geraskewitsch spricht von einer | |
„Zerstörung“ des ukrainischen Sports. Russ*innen und Belaruss*innen | |
wären in Abwesenheit von Vertreter*innen der Ukraine in der Lage, | |
„ihre Narrative und Propaganda zu verbreiten“. Geraskewitsch setzt sich | |
aktiv gegen den Krieg ein – auch bei Wettbewerben. | |
Das IOC reagierte umgehend auf die Entscheidung Kyjiws. Der Boykott nütze | |
dem ukrainischen Sport nichts und schade den Athlet*innen, hieß es. Zudem | |
kündigte das Büro von Thomas Bach an, vom Boykott betroffene ukrainische | |
Athlet*innen zu „schützen“. „Diejenigen, die gegen den Boykott sind, | |
können sich auf eine direkte Unterstützung durch den Solidaritätsfonds der | |
Olympischen Bewegung und das Athleten-Unterstützungsprogramm verlassen.“ In | |
diesem Fall gerate die Ukraine in eine schmerzhafte Zerreißprobe, glaubt | |
Schapowalow. Das IOC erkaufe sich die Loyalität jener Ukrainer*innen, | |
die die Boykottentscheidung nicht mittragen wollen. | |
Der Hochspringer Andrei Protsenko lebte vor einem Jahr 40 Tage in der Nähe | |
von Cherson unter russischer Besatzung und trainierte im Garten. Die | |
Entscheidung, Russ*innen mit Einschränkungen zu internationalen | |
Wettkämpfen zuzulassen, empört Protsenko, weil er weiß, dass russische | |
Athlet*innen Wladimir Putin und den Krieg unterstützen. „Ukrainische | |
Athlet*innen haben von den Russen keinerlei Unterstützung bekommen. | |
Vielen von uns haben sie Nachrichten mit Todeswünschen geschickt. | |
Athlet*innen aus Russland und Belarus können nur unter den Bedingungen | |
an Wettbewerben teilnehmen: dem Ende des Kriegs in der Ukraine und unseren | |
Sieg.“ | |
## Mehrheit für Boykott | |
Protsenko, der während des Kriegs drei Medaillen bei Welt- und | |
Europameisterschaften gewonnen hat, findet, die Ukraine solle Wettkämpfe | |
mit Russ*innen und Belaruss*innen boykottieren: „Meine Kollegin, die | |
Hochspringerin Katerina Tabaschnik, hat ihre Mutter verloren. Sie wurde bei | |
einem russischen Bombenangriff auf Charkiw getötet. Ich kann mir nicht | |
einmal vorstellen, mit ihnen bei einem Wettbewerb anzutreten.“ Bei einer | |
Abstimmung im Leichtathletikverband der Ukraine unterstützte die Mehrheit | |
den Boykott. Die kompromisslose Position des Weltverbands, der ein | |
vollständiges Verbot der Teilnahme von Russ*innen und Belaruss*innen | |
befürwortet, wirkte gewiss bestärkend. | |
Der Olympiasieger im Ringen, Schan Belenjuk, arbeitet als Abgeordneter für | |
die Partei „Diener des Volks“ von Präsident Wolodimir Selenski im | |
Parlament. Er hat angeregt, vom IOC eine Überarbeitung der | |
Zulassungskriterien für russische und belarussische Athlet*innen zu | |
fordern, weil das Wichtigste – die Verurteilung des Kriegs gegen die | |
Ukraine – nicht darunter fällt. | |
Er will eine staatliche Datenbank von Athlet*innen und Trainer*innen | |
aufbauen, die auch nach den IOC-Kriterien nicht antreten dürfen. Eine | |
andere Möglichkeit besteht darin, Druck auf die Organisatoren der | |
Olympischen Spiele und ihre Sponsoren auszuüben. Der einzige Weg, das IOC | |
dazu zu bringen, die Teilnahme von Russ*innen und Belaruss*innen | |
abzulehnen, besteht darin, solche Entscheidungen wirtschaftlich so | |
unrentabel wie möglich zu machen. | |
Übersetzung: Barbara Oertel | |
28 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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