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# taz.de -- Rückkehr in den Weltsport: Streit über Turnen mit Russland
> Bei der Turn-EM in der Türkei gehen die Debatten über die Zulassung
> russischer Athleten für Olympia von vorne los. Der Weltverband
> befürwortet das.
Bild: Der ukrainischen Turner Illia Kovtun bei einem Wettbewerb im November 2022
Antalya taz | Ilia Kovtun hat am Donnerstag gute Chancen,
Turn-Europameister im Mehrkampf zu werden. Das wäre in vielerlei Hinsicht
bemerkenswert, denn die Trainingsbedingungen des 19-Jährigen aus dem
ukrainischen Tscherkassy sind seit dem 24. Februar 2022, nun ja, prekär. Im
Qualifikationsdurchgang der EM in Antalya hat er fast zwei Punkte mehr
erturnt als der Zweite Adem Asil aus der Türkei und war der Konkurrenz aus
Italien oder Großbritannien weit überlegen.
Die [1][Konkurrenz aus Russland und Belarus] ist in Antalya nicht am Start,
da sich die Europäische Turnunion (UEG) an der Vorgabe des Weltverbandes
(FIG) vom 3. März orientierte, die da lautete, der Ausschluss behalte bis
auf Weiteres seine Gültigkeit. Wichtiger noch als Kovtuns Einzelleistung
ist der neunte Rang in der Teamwertung, denn damit hat sich das ukrainische
Männerteam für die WM im Herbst in Antwerpen qualifiziert, die wiederum der
einzige Qualifikationswettkampf für die begehrten Mannschaftsstartplätze
bei den Olympischen Spielen 2024 ist. Aufgrund dieses Reglements – der
kontinentalen Quotierung für den WM-Start 2023 – schien vor der EM klar: Es
wird keine russischen oder belarussischen Teams in Paris geben.
## Sport sei „unabhängig von Politik“
Daran sind wieder Zweifel angebracht. Nachdem IOC-Präsident Thomas Bach die
[2][Wiederzulassung russischer und belarussischer] Sportler bei
internationalen Wettbewerben empfohlen hat, zog FIG-Präsident Morinari
Watanabe nach. Offiziell reiste er laut Pressemitteilung nach Kyjiw, um an
der Trauerfeier für eine ukrainische Trainerlegende der Sportgymnastik
teilzunehmen, und – wie es sich so ergibt – er traf auch den Leiter des
Präsidialamts Andrij Jermak und den ukrainischen Sportminister.
Sport sei „unabhängig von Politik“, sagte das IOC-Mitglied Watanabe und
dann bemühte der japanische Geschäftsmann die liebste unter all seinen
Floskeln: die Familie. Nach eigener Darstellung sagte er den
Gesprächspartnern in Kyjiw: „Präsident Selenski schützt das ukrainische
Volk wie seine Familie. Ich schütze alle Turner der Welt wie meine Familie.
Deshalb unterstütze ich die ukrainischen Turner und deshalb verteidige ich
das Recht der russischen und belarussischen Turner, die nicht in den Krieg
involviert sind, bei Wettbewerben teilzunehmen.“ Wie er dieses Recht
umzusetzen gedenkt, werde auf der Exekutivkomitee-Sitzung Mitte Mai
entschieden.
Im Hintergrund gehen nun in Antalya die Debatten darüber, was mit Blick auf
die Spiele in Paris denkbar ist, von vorne los. Der Fantasie sind kaum
Grenzen gesetzt: Russland wird einlenken und sich lediglich im Frühjahr
über die Weltcupserie für Einzelstartplätze bewerben. Das wäre – mal
angenommen das Reglement für die Turn-Olympiaqualifikation spielt überhaupt
noch eine Rolle – der einzige regelkonforme Weg. Aktuell, dies hat die
russische Teamchefin Valentina Rodionenko erklärt, bemühe man sich um eine
Teilnahme an den Asiatischen Meisterschaften Anfang Juni. Dort
qualifizieren sich fünf Teams für die WM in Antwerpen, doch bislang ist
nicht entschieden, ob der Kontinentalverband Russland zulässt.
Die FIG-Exekutive entscheidet, dass russische und belarussische Aktive bei
der WM in Antwerpen starten sollen. Doch wie soll das umgesetzt werden?
Punktzahlen bei verschiedenen Turnwettbewerben sind nicht vergleichbar wie
Ergebnisse eines 1.500-Meter-Laufes. Um wie viele Turner soll es gehen?
Einer, zwei, drei oder gar vier – das wäre dann schon die
Mannschaftsstärke. Oder: Thomas Bach wird die Russen einfach in Paris als
13. Team setzen. Immerhin ist Russland in Tokio 2021
Mannschaftsolympiasieger bei den Männern und den Frauen geworden. Alles
scheint möglich.
Am Wochenende hat Ilia Kovtun in Antalya noch vier Medaillenchancen an
einzelnen Geräten, Teamkollege Igor Radivilov steht im Finale an seinem
Spezialgerät Sprung. Falls FIG-Präsident Watanabe russische und
belarussische Turner zugelassen werden, könnte diese EM für die Ukrainer
der vorerst letzte internationale Auftritt sein. Die Sportler der Ukraine
sind von der Regierung angewiesen worden, Wettbewerbe zu boykottieren, an
denen Athleten aus Russland oder Belarus teilnehmen.
12 Apr 2023
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## AUTOREN
Sandra Schmidt
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Kolumne Press-Schlag
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