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# taz.de -- Satirische Demo am 1. Mai in Berlin: „Die Kapital-Flöze abbagger…
> Die Klimakrise bekämpfen heißt Reichtum umverteilen, sagen die
> Aktivist:innen von MyGruni. Anfangen wollen sie im Grunewald.
Bild: Im letzten Jahr zog das Quartiersmanagement Grunewald tausende Aktivist:i…
taz: Frau Geldher, als „Quartiersmanagement Grunewald“ war Ihre Gruppe
dafür bekannt, mit [1][Massendemonstrationen am 1. Mai] Leben in das sozial
abgehängte Villenviertel zu bringen. Jetzt haben Sie sich in „RWE“ – kurz
für „Reichtum wird enteignet“ – umbenannt und fordern, den Ortsteil
„abzubaggern“. Wie kam es zu dieser Neuausrichtung?
Frauke Geldher: Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens ist absehbar,
dass mit einem schwarz-roten Senat die Gelder im Bereich sozialer Arbeit
kahlschlagartig gekürzt werden. Wir sind dafür bekannt, in die Zukunft zu
schauen, und greifen dem voraus. Zweitens haben wir erkannt: Wer
gesellschaftlichen Wandel befördern will, muss unternehmerisch denken. Wir
müssen Kapital bewegen und brauchen ökonomische Disruption für soziale
Veränderung.
In den letzten Jahren haben Sie vor allem auf Fahrraddemos gesetzt. Bleibt
es bei dieser Aktionsform?
Am bevorstehenden Tag der autonomen Bergarbeit werden wir den Tagebau im
Luxusrevier Grunewald eröffnen, um die Kohle unter dem Villenviertel zu
fördern. Umverteilung ist Handarbeit, wir brauchen dafür also freie Hände.
Deshalb gibt’s diesmal keine Fahrradtour, sondern den Spatenstich an der
Abrisskante sozialer und ökologischer Ungerechtigkeit. Mit einem
gigantischen Schaufelradbagger werden wir die sedimentierten Kapital-Flöze
aufbrechen und in den finanzextremistischen Untergrund vordringen.
Sie sprechen davon, dass wir jahrelang „die falsche Kohle abgebaggert“
hätten. Damit beziehen Sie sich gleichzeitig auf die Umverteilung von
Eigentum und auf die Klimakrise. Wie hängen Klimaschutz und Umverteilung
für Sie zusammen?
Es gibt eine kleine „Polluter-Elite“, die weltweit den allergrößten Teil
des CO2 ausstößt. Das passiert einerseits durch klimaschädliches
Investitionsverhalten, andererseits durch einen absolut zerstörerischen
Lebensstil in Form von Superyachten, Privatjets und riesigen Villen wie im
Grunewald. Das luxusverlotterte Leben einiger weniger zerstört die
Lebensgrundlagen der Gesamtheit. Gerade regen sich alle über ein paar Leute
auf, [2][die sich an der Straße festkleben], aber dass Reiche ohne
Konsequenzen das Klima zerstören, ist der viel größere Skandal. Deswegen
gehen wir in das Villenviertel, machen diese Verhältnisse sichtbar, fördern
sie zutage. Ein Tagebau eben.
Mit Ihrer satirischen Rahmung nehmen Sie direkten Bezug auf aktuelle Kämpfe
in der Klimabewegung, zum Beispiel [3][die Räumung Lützeraths] im Januar
oder die Blockade-Aktionen der Letzten Generation. Andere Akteure wie das
revolutionäre 1.-Mai-Bündnis oder die DGB-Demo nehmen hingegen kaum Bezug
darauf. Sollten sich linke Gruppen stärker mit der Klimabewegung
solidarisieren?
Ich würde sagen, dass da schon eine sehr große Einheit ist. Am Montag
werden sehr viele Gruppen sowohl aus der Klimabewegung als auch aus
vollkommen anderen Bereichen dabei sein. Gleichzeitig stehen wir auch Seite
an Seite mit der gewerkschaftlichen Demo und der revolutionären
1.-Mai-Demo, zu der es vielleicht auch einen Zubringer geben wird. Wir
werden das Problem nicht lösen, indem wir uns nur aufs Klima stürzen oder
nur auf die soziale Frage. Wir müssen verstehen, dass die Themen und Kämpfe
zusammenhängen. Die Repressionswelle, die jetzt gerade auch die Letzte
Generation trifft, gilt letztlich uns allen.
Haben Sie mal darüber nachgedacht, angesichts der sich verschärfenden
Krisen etwas dynamischere Protestformen zu wählen, als einmal im Jahr eine
Großdemo zu machen? Also sich etwa festzukleben an den Garagentoren und
Pools der Reichen?
Gute Idee. Das ist natürlich auch unser Appell an alle autonomen
Bergarbeiter, die dabei sein werden, den Spaten nicht wieder in die Ecke zu
werfen, wenn der 1. Mai vorbei ist. Es gibt sehr viele Formen, im Alltag
aktiv zu sein, und mit einer schwarz-roten Koalition erwarten uns wilde
Zeiten in Berlin. Das sollte gleichzeitig auch eine große Motivation sein,
dagegenzuhalten.
Seid ihr sicher, dass ihr nicht einfach nur neidisch seid, weil ihr nicht
so viel leistet wie die Reichen?
Allein schon die Annahme, Reiche würden viel für die Gesellschaft leisten,
ist falsch. Als ob es eine Leistung wäre zu erben oder zu besitzen. Im
Übrigen empfindet man Neid gegenüber dem, der ein bisschen mehr hat. Aber
es geht ja nicht um jemanden, der irgendein großes Haus hat, sondern um
Menschen, die ganze Straßenzüge besitzen, und auf die kann man nicht
neidisch sein. Es geht hier nicht um Neid, sondern um Gerechtigkeit.
27 Apr 2023
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## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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