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# taz.de -- Gender und deutsche Sprache: Was für echte Fans
> Unsere Autorin hat Spaß am Gendern. Es ermöglicht ihr, andere Menschen
> mitzudenken. Und die Schönheit der deutschen Sprache zu gestalten.
Bild: Auch nicht genderneutral: Fußgängerin mit Kind
Irgendwann fing ich aus politischen Gründen an zu [1][gendern]. Inzwischen
tue ich es hauptsächlich, weil es mir Spaß macht. Ich habe ein peinliches
Hobby, eine spießige Leidenschaft: Es ist die deutsche Sprache. Lasst mich
einfach hier liegen. Ich starre in den Himmel und setze Substantive
zusammen. Die schönsten Kompositionen widme ich euch. Versprochen.
Sprache inklusiv zu gestalten und alle Geschlechter miteinzubeziehen bietet
mir viele Möglichkeiten. Manchmal vereinfacht es Wörter. „Bürgersteig“ z…
Beispiel ist kein genderneutraler Begriff, und es ist fast schon erregend,
über Alternativen nachzudenken. „Gehweg“ klingt wesentlich schlanker,
„Trottoir“ eleganter. Doch die beste Alternative für meinen Text war
tatsächlich das Wort Bürger*innensteig. So kompliziert, so bürokratisch, so
deutsch. Ich könnte mich ewig in diesem Wort verlieren. Es wirft so viele
spannende Fragen auf: Wenn das Wort „Bürgersteig“ Bürgerinnen vom Steig
ausschließt, wer darf dann darauf gehen? Welcher Bürger-Begriff liegt dem
zugrunde? Ich will dich kennenlernen, wenn du beim ersten Date mit mir über
diese Gehweg-Fragen 'ne Flasche Wein leerst.
[2][Es gibt das Narrativ, andere Menschen mitzudenken,] sei in erster Linie
anstrengend. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, sehen wir mehr Spaß als
Mühe. Was stimmt, ist, dass es erst einmal mehr Zeit kostet, um die Ecke zu
denken und etwas Neues auszuprobieren, als im Alten zu verharren. Im Großen
und Ganzen überwiegt aber die Neugierde, das Lernerlebnis und die
freigesetzte Kreativität. Was wir brauchen, ist Interesse und ein Ohr für
das, was uns Marginalisierte erzählen. Was wir verlieren, ist nur etwas
Staub, der von alten Vorstellungen abfällt.
Was es hier alles zu gewinnen gibt, das braucht also endlich mehr Raum im
Diskurs. Das gilt nicht nur für die Sprache: Die Aufforderung, Bildern im
Netz eine Bildbeschreibung hinzuzufügen, hat dazu geführt, dass ich gelernt
habe, mich selbst genauer anzusehen und zu beschreiben. In
All-Gender-Toiletten werden eintönige, stinkige Pissoirs zu bunt
bepflanzten Blumenkübeln.
Bisher hat [3][keine Antidiskriminierungsidee mein Leben verschlechtert]
oder auch nur ernsthaft komplizierter gemacht. Ich habe von vielem
profitiert, auch wenn ich nicht selbst von dieser Form der Diskriminierung
betroffen war. Die Diskussion darüber, wie hart es ist, sich ein
Neopronomen zu merken oder [4][für den Schulunterricht ein Buch zu finden,
das ohne das N-Wort auskommt], kostet Energie und Aufmerksamkeit, die wir
für wirklich komplizierte Themen aufsparen sollten. Denn die meisten
Probleme erfordern mehr als einen sensiblen Sprachgebrauch.
Wenn ich inklusiv gendere und nicht im generischen Maskulinum verharre,
dann fühlen sich mehr Leser*innen meiner Texte angesprochen und
eingeschlossen. Das ist mir nach wie vor wichtig. Es ist aber schon lange
nicht mehr der einzige Grund, warum ich das mache: Echte Fans der deutschen
Sprache gendern.
11 Apr 2023
## LINKS
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[4] /Debatte-ueber-Koeppen-Lektuere/!5921999
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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