| # taz.de -- Nicht kompatible Lebenswelten: Gendern op Platt? | |
| > Unser Autor gendert inzwischen nicht nur unter Genoss:innen, sondern | |
| > sogar unbewusst im Traum. In realen Kleinstädten ist es hingegen ziemlich | |
| > mühsam. | |
| Bild: Keine Ahnung, wonach die suchen. Aber Gendersternchen werden sie hier jed… | |
| Es gibt zwei handschriftliche Zettel mit wichtigen Notizen für diese | |
| Kolumne. Beide habe ich letzte Woche verloren. Sie steckten gefaltet in | |
| einem Block, der mir wohl in der U-Bahn aus der Tasche gerutscht sein muss. | |
| Darauf stehen zwei Listen: eine mit Themenideen für schlechte Zeiten und | |
| eine mit Sachen, über die ich nach längerem Hin und Her dann doch nicht | |
| geschrieben habe, weil sie im Nachhinein wenig bis gar nichts [1][mit dem | |
| Landleben] zu tun hatten. | |
| Warum man sich sowas überhaupt aufschreiben sollte, weiß ich auch nicht. | |
| Ich könnte mich auch gar nicht erinnern, in den mittlerweile eineinhalb | |
| Jahren „Speckgürtelpunks“ mal in der Liste gelesen zu haben. Länger wurde | |
| sie trotzdem. (Vergeblich) gesucht hatte ich die Zettel allerdings, weil | |
| ich diesmal was streichen wollte: das Gendern nämlich von der | |
| Kein-Thema-Liste. | |
| Nun zählt die Debatte zwar schon eine ganze Weile nicht mehr zu den | |
| aufregenderen, aber mit Stadt und Land hat sie dann doch mehr zu tun, als | |
| ich dachte. | |
| Was den Glottisschlag – [2][oder: die Gender-Pause] – angeht, stehe ich | |
| irgendwo kurz vor Level 2. Das heißt: Ich gendere nicht mehr nur dann, wenn | |
| ich gerade mal dran denke, sondern manchmal auch automatisch. In der Stadt | |
| jedenfalls. | |
| ## Auf dem Land geht's gar nicht | |
| Und das ist der Punkt. Ich kann mich zwar sogar an vereinzelte Träume | |
| erinnern, in denen jemand gegendert hat, aber an der kleinstädtischen | |
| Käsetheke oder [3][beim Abholen vom Kindergarten] ist die Pause ein echter | |
| Kraftakt. | |
| Umgekehrt habe ich mich in Berlin neulich fast ein bisschen geschämt, als | |
| mir im Gespräch über Theater ein „Männerkörper“ rausgerutscht ist, | |
| woraufhin mich mein feministisches Gegenüber (seelenruhig und | |
| superfreundlich) korrigierte: „Ich fand’ ja ganz interessant, was du da | |
| gerade über den MÄNNLICH GELESENEN Körper gesagt hast!“ | |
| Es geht gar nicht um richtig oder falsch. Mir ist wirklich komplett egal, | |
| wie Sie das machen. Spannend finde ich aber, wie selbstverständlich sich | |
| auch der unbewusste Teil der Veranstaltung den Gegebenheiten anpasst. Und | |
| was das mit Denkräumen macht! Es ist nämlich nicht so, dass ich außerhalb | |
| der Stadt plötzlich wie so’n Werwolf im Mondlicht zu einer Art [4][Mario | |
| Barth] würde und lauter hirnloses „Frauen-dies, Männer-das“ in meine | |
| Gespräche kübeln würde. Ich rede hier draußen einfach insgesamt nicht so | |
| viel über Genderfragen. | |
| So paradox das klingen mag: Die komplizierte Sprache macht es einfacher und | |
| intuitiver, komplizierte Sachverhalte zu verhandeln. Noch mal: Ich glaube | |
| nicht, dass ein schlechter Mensch ist, wer nicht gendert, oder dumm, oder | |
| ignorant. Ich bin nur verblüfft, wie hartnäckig sich der Irrglaube hält, | |
| das eine käme authentisch aus dem Bauch, während das andere schlimm | |
| verkrampfter Cancel-Horror wäre. Es geht nur um Gewöhnung und Sicherheit – | |
| und die Frage, wo man unter Freund:innen ist. | |
| 13 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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