# taz.de -- Debatte über Koeppen-Lektüre: Roman mit N-Wort | |
> Über Rassismus muss in der Schule geredet werden, ohne ihn dabei zu | |
> erleben. Der Roman „Tauben im Gras“ hat im Pflichtlektürekanon nichts zu | |
> suchen. | |
Bild: Deutscher Kolonialismus in Togo um 1900 | |
Als sich Abiturient*innen aus NRW bei mir melden, weil ein Interview | |
mit mir zu kolonial-rassistischen Straßennamen Teil ihres Englisch-Abis | |
gewesen ist, bin ich ein bisschen stolz. Nicht weil irgendwer meine Worte | |
als abiturtauglich eingestuft hat, sondern weil da junge Schwarze Leute | |
sind, die mir davon erzählen und mich als Verbündete wahrnahmen. Ich meine, | |
wer wollte denn noch nie beim Abijahrgang gut ankommen? | |
In mir entsteht dieses Bild von aufgeregten Schüler*innen, die eine Aufgabe | |
lesen und sich weniger allein fühlen, weil Simone von der Initiative | |
Schwarze Menschen in Deutschland mit am Start ist und der Stoff etwas mit | |
ihrer Realität zu tun hat. Bis mir eine der Abiturient*innen schreibt, | |
es sei zwar witzig gewesen, in der Prüfung einen Text von jemandem zu | |
bekommen, den sie aus der Community kannte, aber sich in dieser Situation | |
auch noch mit Rassismus beschäftigen zu müssen, war belastend. | |
Die Forderung, dass in der Schule mehr über Rassismus gesprochen wird, | |
unterstütze ich. Dass wir von der Schule gehen, [1][ohne über den deutschen | |
Kolonialismus und die begangenen Verbrechen Bescheid zu wissen], ist | |
erschreckend und Teil des Problems. Wir sollten in der Schule [2][lernen, | |
was Rassismus ist] und wie er in unsere Gesellschaft hineinwirkt. Doch wie | |
thematisieren wir Rassismus in Lehrinhalten? | |
Wie es nicht geht, zeigt die Aufnahme des Wolfgang-Koeppen-Romans „Tauben | |
im Gras“ in den Pflichtlektürekanon von Baden-Württemberg. Der Roman | |
reproduziert rassistische Sprache. Es soll also im Unterricht ein Text | |
gelesen werden, in dem immer wieder das N-Wort vorkommt. | |
## Wie viele Schwarze Autor*innen sind Teil der Pflichtlektüre? | |
Kein Wunder, dass die Lehrerin Jasmin Blunt nicht nur eine Petition gegen | |
den Roman im Unterricht gestartet hat, sondern sich außerdem für das | |
kommende Schuljahr beurlauben lässt. Ihre Kritik wird damit abgetan, dass | |
es ja darum ginge, sich mit Rassismus zu beschäftigen. Um über Rassismus zu | |
sprechen oder rassistische Sprache zu thematisieren, muss man Rassismen | |
jedoch nicht reproduzieren. Es braucht auch die Literatur weißer Männer | |
nicht, die an zukünftige Leser*innen of Color wohl keinen Gedanken | |
verschwendet haben. Man kann über Rassismus reden, ohne ihn dabei zu | |
erleben. Wie viele Schwarze Autor*innen sind wohl Teil der | |
Pflichtlektüre? | |
Beim Thema Rassismus gibt es wohl keine Qualitätskontrolle. Alles taugt als | |
Lehrstoff. Koeppen sollte als Nachkriegsliteratur gelesen werden, in der | |
auch Rassismus thematisiert wird. Geprüft, wie gut „Tauben im Gras“ dafür | |
geeignet ist, wird nicht. Wenn eine Lehrerin sich an der rassistischen | |
Sprache stößt, dann soll sie das einfach gleich mitbehandeln. Das ist kein | |
Lehrplan. Das ist Lehrzufall und kontraproduktiv. Das N-Wort hat in der | |
Schule nichts verloren. Im Unterricht oder gar bei einer Prüfung hilft | |
keine Triggerwarnung oder Content Note. Schüler*innen und | |
Lehrer*innen haben das Recht zu lernen und zu unterrichten, ohne dabei | |
Rassismus zu erfahren. | |
28 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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