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# taz.de -- Hype um Dokuserien: Sex und Krokodile, die Gnus reißen
> Dokuserien werden für Streaminganbieter immer beliebter, weil ihre
> Produktion weniger Geld kostet. Vor allem reißerische Themen setzen sich
> durch.
Bild: Schauspielerin Cara Delevingne erkundet in der Dokuserie „Planet Sex“…
Auf dem Canneseries Festival, das gerade parallel zur internationalen
TV-Messe MIPTV in Südfrankreich stattfindet, gab es zum ersten Mal eine
eigene Sektion für [1][Dokumentarfilme]. In die Endauswahl für eine
Auszeichnung kam auch der Vierteiler der Gebrüder Beetz, „Juan Carlos –
Liebe, Geld, Verrat“, der Ende Mai bei Sky zu sehen sein wird. Die Macher
sprechen dabei von einem „Doku-Thriller“ in [2][„House of Cards-Manier“…
Es geht um den spanischen König, der alle Zutaten eines spannenden Dramas
bietet: geheime Liebesbeziehungen, [3][Korruption], vielfältige Skandale.
Mit diesem Rezept für Dokuserien möchten vor allem die Streamingdienste ihr
Angebot bereichern. Das hat auch einen wirtschaftlichen Hintergrund.
Hochwertigste Filme oder Serien auf Abruf zu sehen, ist zur
Selbstverständlichkeit geworden, aber noch kein Videoportal schreibt damit
schwarze Zahlen. Denn fiktionale Inhalte sind teuer. 200 Millionen Dollar
hat zum Beispiel „The Gray Man“ gekostet. Das können sich Netflix und Co
immer weniger leisten. Die Lösung: gut gemachte serielle Dokumentationen.
Die Produktion kann zwar immer noch bis zu 2 Millionen Euro pro Stunde
kosten, oft aber auch weniger. Damit ist sie immer noch um einiges
preisgünstiger im Vergleich zu Fiction und trotzdem ähnlich erfolgreich.
„MH370: Das verschwundene Flugzeug“ war im März etwa auf Netflix in den
deutschen Serien-Top-Ten vertreten.
## Die Erzählstrukturen sind verwandt
Der englische Produktionsgigant Fremantle konzentriert sich deswegen immer
mehr auf das Genre. Dort entstand beispielsweise die vierteilige Modeserie
„Kingdoms of Dreams“, die inzwischen in über 100 Ländern gestreamt
beziehungsweise ausgestrahlt wird. Genauso erfolgreich war auch die Reihe
„Planet Sex“ mit Schauspielerin und Top Model Cara Delavigne, die in sechs
Episoden dabei begleitet wird, wie sie die Welt bereist und den Umgang von
Sexualität in verschiedensten Kulturen erkundet.
„Wenn man solche Geschichten erzählt, überlegt man vorher, mit wem man
Interviews führt, welches Archivmaterial eingesetzt werden kann“, sagt Jens
Richter, Geschäftsführer International bei Fremantle. „Dann wird ein
Drehbuch für die Episoden entwickelt, danach geht es in die Produktion und
schließlich in den Schnitt. Solche Dokumentationen sind ähnlich aufgebaut
wie fiktionale Serien und können auf ähnlichen Sendeplätzen laufen, da sie
hochwertig produziert wurden. Die Erzählstrukturen sind verwandt.“
Auch Marcus Uhl von Bilderfest, der gerade für Sky Studios „1972 – Münche…
schwarzer September“ realisiert hat, schätzt den neuen erzählerischen Stil:
„Hier wird vor allem mit O-Tönen beziehungsweise Interviews,
dokumentarischem Originalmaterial sowie Reenactments gearbeitet.“ Der
berühmte „erhobene Zeigefinger“ indessen, etwa durch Kommentare, kommt gar
nicht mehr zum Einsatz.
## Wenig Raum für subtilere Themen
Den aktuellen Trend sieht der Naturfilmer Jan Haft von Nautilusfilm für
seinen Bereich mit einem „weinenden und einem lachenden Auge“: „Die groß…
Streamingdienste gehen zwar auch in das Genre Tierfilm rein, aber die
Produktionen müssen hier viel spektakulärer sein, damit sie den Massenmarkt
erreichen beziehungsweise die Refinanzierung gesichert werden kann. Das
Geschäft steht da absolut im Vordergrund.“
Dokus über nicht so populäre Tierarten, Lebensräume oder Landschaften
würden dann wegfallen: „Nichts gegen atemberaubendes Tierverhalten, das bei
uns auch immer wieder Thema ist, aber wenn der alleinige Fokus ist, dass
man beispielsweise immer nur Filme zeigt, in denen Krokodile Gnus reißen,
dann fallen subtilere, intellektuellere Themen weg. Aber die haben ja auch
ihre Zuschauerschaft.“ Die Filme des Produzenten sind vielfach
preisgekrönt. Seine Dokumentationen „Magisches Island“ und „Wilde
Tierkinder“ haben sich in 40 Ländern verkauft.
Auf der MIPTV wurde klar, wie sehr reißerische Themen im Dokugenre gefragt
sind. Aktuell sind deswegen zahlreiche Projekte in Arbeit, die sich mit
Verschwörungstheorien befassen.
21 Apr 2023
## LINKS
[1] /Bushidos-neue-Doku-Serie/!5907467
[2] /Abkehr-vom-Binge-Watching-bei-Serien/!5847186
[3] /Recherche-hinterfragt-Strafprozess/!5926013
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Dokumentation
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