Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue TV- und Streaming-Trends: „Jetzt ist Eskapismus pur gefragt�…
> Am Montag eröffnet die Mipcom in Cannes, die größte Messe für
> TV-Produktionen. In schwierigen Zeiten braucht es leichte Themen, sagt
> Jens Richter.
Bild: Militär-Comedy-Serie „C*A*U*G*H*T“ mit Sean Penn und Matthew Fox
taz: Herr Richter, sinkende Werbeeinnahmen, Inflation, der Krieg in Europa
– geht die Zeit der Hochglanz-Serien zuende?
Jens Richter: Wir produzieren überall auf der Welt und in allen Genres.
Denn der Bedarf nach hochwertigen Inhalten ist bei Sendern und Streamern
immer noch hoch. [1][In Cannes bieten wir wieder ein großes Angebot,]
darunter zahlreiche neue hochwertige Serien: Etwa die Militär-Comedy-Serie
„C*A*U*G*H*T“ mit Sean Penn und Matthew Fox, die wir zusammen mit der
australischen Plattform Stan und dem englischen Sender ITV produziert
haben.
Aber wie setzen Sie angesichts eines stagnierenden Marktes solche Projekte,
die pro Stunde zwischen 3 und 3,5 Millionen Euro kosten, um?
Wir müssen genau schauen, wie wir eine globale Resonanz erreichen. Durch
die Inflation sind auch TV-Produktionen deutlich teurer geworden, während
unsere Kundschaft wegen sinkender Werbeeinnahmen nicht mehr Geld ausgeben
kann, eher weniger. Sie hat aber auch die Herausforderung, dass es viel
mehr Plattformen als noch vor fünf Jahren gibt. Also kann nicht auf
hervorragende Produktionsqualität sowie internationale Stars verzichtet
werden, um sich im härteren Wettbewerb abzuheben. Für uns sind
Koproduktionen mit anderen, internationalen Partnern dabei wichtiger denn
je, um die Finanzierung solcher Premiuminhalte zu gewährleisten. Und die
Themen müssen natürlich stimmen.
Welche Themen sind denn zurzeit gefragt?
Im Unterschied zu vor fünf Jahren ist Unterhaltung wichtiger geworden. Wenn
die Zeiten schwierig sind, müssen die Themen leichter sein.
Wirtschaftskrise, Migration, die Veränderung der Arbeitswelt durch KI und
vor allem der Krieg auf unserem Kontinent haben die Menschen beunruhigt. In
Boomphasen funktionieren schon öfter mal Galgenhumor oder Inhalte, die auf
die Schadenfreude des Publikums abzielen. Jetzt ist Eskapismus pur gefragt,
Comedy etwa oder auch Crime, weil sich die Zuschauerschaft mit auf die
Rätseljagd begeben kann. Ebenso sind im Dokubereich aufwändige
Natur-Reihen, die fremde, exotische Welten vorstellen, und Biografhien
angesagt. Wir präsentieren auf der Mipcom etwa den Vierteiler „Whale with
Steve Backshall“ und „House of Kardashian“ über die Ursprünge der
Kardashian-Familie, die das im Unterhaltungssektor wahrscheinlich
erfolgreichste Familienbusiness aufgebaut hat, das es jemals gab. Auch sie
sind ein weltweites Medienphänomen.
Sie bieten aber auch den Vierteiler „Big Mood“ an, der sich mit psychischen
Krankheiten auseinandersetzt …
Ja, aber wir machen es als Comedy, und das bewusst. Der Bereich Mental
Health ist wichtiger geworden. [2][Covid und Lockdown waren dafür wichtige
Katalysatoren.] Es ist ein allgegenwärtiges Thema, das man ansprechen
muss. Und da ist Unterhaltung ein gutes Vehikel, um es zu transportieren,
zugänglich zu machen und zu signalisieren: Du bist damit nicht allein.
Was glauben Sie, wohin sich der TV- und Streamingmarkt bewegt?
Im Moment erleben wir eine ganz neue Entwicklung: Bis vor zwei Jahren gab
es eine klare Trennung von Free TV und Streaming-Abos. Diese beiden Märkte
kommen jetzt mehr zusammen. Seit Netflix eine günstigere Variante mit
Werbung angeboten hat, mit der sie mehr Gewinne erzielen als mit dem
bisherigen Modell, sind andere Plattformen wie Hulu oder HBO nachgezogen.
Auch die Programme für Plattformen sollten daher zukünftig werbefreundlich
sein.
Und werden die Plattformen endlich in die Gewinnzone kommen?
Die Plattformen mussten sich in den ersten Jahren auf Abo-Wachstum
konzentrieren, weniger auf das Geldverdienen, was vom Aktienmarkt belohnt
wurde. Als im März letzten Jahres die Netflix-Abonnements nicht gewachsen
sind, hat das zur großen Unruhe im Markt geführt und auch die anderen
Plattformbetreiber unter Druck gesetzt: Sie alle müssen in nächsten zwei
Jahren in die Gewinnzone kommen. Es wird wahrscheinlich zu Überahmen oder
Fusionen kommen.
Und wie sehen Sie den deutschen Markt?
In Westeuropa gibt es einen hohen Wettbewerb, da die USPlayer mit ihren
Plattformen hier nun komplett angekommen sind. Im Gegenzug sieht man bei
RTL und ProSiebenSat.1 starke Initiativen im Onlinebereich. Ebenso bei
Magenta und den öffentlich-rechtlichen Sendern. Der größte Fernsehmarkt
Europas funktioniert jedenfalls immer noch gut.
17 Oct 2023
## LINKS
[1] /Finanzstrategien-der-Streaminganbieter/!5889113
[2] /Europaeische-Unterhaltungsbranche/!5806002
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Streaming
TV-Serien
Netflix
Netflix
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Schwerpunkt Klimawandel
Dokumentation
Bushido
## ARTIKEL ZUM THEMA
Netflix ändert seine Strategie: Weniger Masse, dafür Klasse
Netflix bringt weniger Eigenformate heraus. Eine Tendenz, die auch bei
anderen Plattformen zu beobachten ist. Was passiert da in der Branche?
Aufbruch oder Untergang: Propaganda, Palästina, Parteien
In diesen hektischen Zeiten mag es fromm klingen, slow journalism zu
fordern. Doch was will man dem Hunderennen um Klicks sonst entgegensetzen?
Klimakrise in Serien und Games: Hurra, die Welt geht unter
Endzeitstimmung ist aus Serien und Spielen kaum wegzudenken. Aber die
Klimakrise wird bislang erstaunlich selten thematisiert.
Hype um Dokuserien: Sex und Krokodile, die Gnus reißen
Dokuserien werden für Streaminganbieter immer beliebter, weil ihre
Produktion weniger Geld kostet. Vor allem reißerische Themen setzen sich
durch.
Bushidos neue Doku-Serie: Wer will das sehen?
Bei der neuen Dokuserie von Rapper Bushido passiert einfach gar nichts: Er
gibt intimste, leider sehr öde Einblicke in sein Familienleben in Dubai.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.