# taz.de -- Bildungspolitikerin über Ernst-Rücktritt: „Erhoffe mir eine Kur… | |
> Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst ist zurückgetreten. Die | |
> grüne Bildungspolitikerin Petra Budke über Rezepte gegen den | |
> Lehrkräftemangel. | |
Bild: Volles Lehrerzimmer? Auch im kommenden Schuljahr fehlen in Brandenburg wi… | |
taz: Frau Budke, am Montag hat Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst | |
(SPD) [1][ihr Amt niedergelegt.] Hat Sie der Rücktritt überrascht? | |
Petra Budke: Tatsächlich habe ich damit nicht gerechnet. Aus Sicht der | |
Ministerin ist es aber ein konsequenter Schritt – und er verdient Respekt. | |
Als Rücktrittsgrund nannte Ernst fehlende Geschlossenheit im Kampf | |
[2][gegen den Lehrkräftemangel] – also zu wenig Rückhalt bei den | |
Regierungsfraktionen. Fühlen Sie sich angesprochen? | |
Ich denke, da bezieht sich Frau Ernst vor allem auf ihre eigene Fraktion. | |
Deshalb möchte ich die Beweggründe für den Rücktritt nicht kommentieren. | |
Zuletzt haben aber – neben der SPD – auch Sie die Bildungsministerin scharf | |
kritisiert, weil sie unbesetzte Lehrerstellen für | |
Schulsozialarbeiter:innen und Verwaltungskräfte freigeben wollte. | |
Damit wollte Ernst die Schulen entlasten. Warum ist das problematisch? | |
Gegen mehr Verwaltungskräfte oder Schulsozialarbeit habe ich überhaupt | |
nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Ich glaube, wir müssen Pädagoginnen und | |
Pädagogen viel stärker entlasten, damit sie wieder das machen können, wozu | |
sie ausgebildet sind und wofür wir sie so dringend brauchen: nämlich die | |
pädagogische Arbeit. Das Problem ist aber, dass die 200 Stellen, die Sie | |
ansprechen, nicht zusätzlich gedacht waren, sondern dass entsprechend 200 | |
Stellen an anderer Stelle gestrichen werden sollten. Und das würde vor | |
allem Schulen für gemeinsames Lernen, Förderschulen und Schulzentren | |
treffen. Also auch die Schulen, die sich auf dem Weg gemacht haben, | |
Unterricht mal neu zu denken. | |
Wie wäre es besser? | |
Die 200 Stellen müssen zusätzlich kommen. Eigentlich hatten wir uns im | |
Koalitionsvertrag 400 Stellen für multiprofessionelle Teams vorgenommen. Es | |
wäre schön, wenn wir die jetzt auch bekämen, ohne andere Stellen zu | |
streichen. Und dann müssen wir alles daransetzen, die Lehrkräftestellen | |
trotzdem sämtlich zu besetzen. | |
Aber wie? Die Möglichkeit auf Teilzeitarbeit einschränken wie in Sachsen? | |
Eine Stunde Mehrarbeit wie in Sachsen-Anhalt? So weit wollte Ministerin | |
Ernst ja aus gutem Grund nicht gehen. | |
Das stimmt. Das muss man Britta Ernst zugutehalten. Sowohl die Beschränkung | |
der Teilzeitregeln als auch Mehrarbeit für Lehrkräfte waren mit ihr so | |
nicht zu machen. Sie wollte auch nicht die Klassen größer machen, das hätte | |
sie auch tun können. Ich glaube, wir müssen jetzt noch stärker das | |
Engagement der Schulen honorieren, die die Qualität ihres Unterrichts | |
verbessern möchten. | |
Was heißt das konkret? | |
Zum einen, dass wir die Schulen mit mehr multiprofessionellen Teams | |
ausstatten müssen. Das fängt bei Assistenzkräften und Personal für die | |
Digitalisierung an und endet bei Schulbegleiter:innen und | |
Schulgesundheitsfachkräften. Und wir müssen es Lehrkräften auch leichter | |
machen, Stellen auf dem Land anzunehmen, wo der Personalmangel besonders | |
gravierend ist. Das Landlehrkräftestipendium ist da ein Baustein, aber auch | |
die Kommunen müssen mehr anbieten. Sie könnten beispielsweise Wohnungen | |
stellen oder bei der Jobvermittlung von Partner:innen helfen. Die | |
Schulen auf dem Land müssen zu Orten werden, wo Lehrkräfte gerne arbeiten. | |
Im Februar hat das Bildungsministerium eine Liste mit 12 Maßnahmen gegen | |
den Lehrkräftemangel vorgestellt. Darunter die Ausweitung der | |
Selbstlernzeiten oder Verbeamtung auch bei Bachelorabschluss. Welche | |
Rezepte halten Sie für sinnvoll? | |
Tatsächlich sehe ich die Verbeamtung der Bachelor-Lehrkräfte sehr kritisch. | |
Umfragen an Unis haben bereits ergeben, dass Studierende dadurch | |
möglicherweise ihr Studium abbrechen, um schneller an die Schulen zu kommen | |
und trotzdem verbeamtet werden können. Das kann nicht die Lösung sein. Es | |
ist in meinen Augen sehr wichtig, dass wir jetzt schnell die | |
Lehramtsausbildung inklusiver und praxisnäher gestalten. Sie also in ein | |
duales Studium umwandeln, wie es an der BTU Cottbus-Senftenberg bereits | |
angelaufen ist. Bei dem 12-Punkte-Plan aus dem Ministerium gibt es aber | |
auch gute Ideen. Hybridunterricht halte ich an Oberstufenzentren in dünn | |
besiedelten Regionen für eine gute Ergänzung. Zum Teil sind einfach die | |
Wege zu weit. | |
Manche Verbesserungen fordern Gewerkschaften schon lange: Etwa dass künftig | |
auch Grund- oder Förderschullehrer:innen eine Laufbahn im höheren | |
Dienst offensteht. Die Grünen regieren bereits seit 2019 in Brandenburg | |
mit. Warum kommt diese Anpassung erst jetzt? | |
Wir Bündnisgrüne waren in Brandenburg zehn Jahre in der Opposition. Alles | |
kann man nicht sofort umsetzen. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass bald | |
nach unserer Regierungsbeteiligung die Pandemie kam. So sind manche | |
Programme wie der Ausbau des „Gemeinsamen Lernens“, die das individuelle | |
Lernen unterstützen, seit dem Lockdown ausgesetzt. Es gibt also viel zu | |
tun. Die Öffnung für den höheren Dienst ist nach der Anpassung der | |
Besoldungsstufe aller Lehrkräfte auf A 13 ein konsequenter Schritt, den ich | |
sehr begrüße. | |
Trotzdem: Im neuen Schuljahr fehlen voraussichtlich wieder Hunderte | |
Lehrkräfte. Wie soll denn der Unterricht abgedeckt werden? | |
Ich glaube, ohne bundesweit einheitliche Standards wird es nicht gehen. | |
Seit Jahren liefern sich die Bundesländer einen ruinösen Wettbewerb um die | |
Lehrkräfte. Wir in Brandenburg haben lange davon profitiert, dass Berlin | |
seine Lehrkräfte nicht verbeamtet hat. Das ist jetzt seit Kurzem vorbei. | |
Und ja: Die Entwicklung auf dem Land konnte man voraussehen. Die frühere | |
rot-rote Landesregierung hat das aber viele Jahre nicht angepackt. Wie | |
gesagt, ich glaube, dass die Kommunen viel mehr anbieten müssen. | |
In Brandenburg ist heute bereits jede sechste Lehrkraft | |
Seiteneinsteiger:in. Sehen Sie darin ein Problem für die Qualität des | |
Unterrichts? Oder sind Sie dankbar, dass überhaupt noch jemand den Job | |
machen möchte? | |
Ich bin in erster Linie dankbar. Ohne die Seiteneinsteiger:innen | |
könnten wir den Unterricht ja gar nicht mehr in dem Maße aufrechterhalten, | |
wie es aktuell der Fall ist. Allerdings sehen wir auch die Notwendigkeit, | |
die Seiteneinsteiger:innen weiter zu qualifizieren. Sonst verlieren | |
wir sie schnell wieder. Idealerweise findet die Qualifizierung schon vorher | |
statt. | |
Das Bildungsministerium bleibt auch nach dem Rücktritt von Britta Ernst in | |
der Hand der SPD. Was erwarten Sie sich jetzt für die restliche Legislatur? | |
In dieser Legislatur sollte es eigentlich eine große Kita-Rechtsreform | |
geben, die die zum Teil sehr unterschiedlichen Kitabeiträge landesweit | |
einheitlich gestaltet. Die muss unbedingt noch kommen. Und natürlich hoffe | |
ich auf eine Kurskorrektur bei den 200 Schulassistenzstellen. Ansonsten | |
wünsche ich mir jetzt einen Motivationsschub an den Schulen. Wenn wir zu | |
tragfähigen Lösungen kommen wollen, müssen wir alle an Schule Beteiligte | |
mitnehmen. Es geht schließlich um die Zukunft unserer Kinder. | |
19 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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