# taz.de -- Flucht und Migration nach Europa: Griechenland baut Grenzzaun aus | |
> Der griechische Premier hat einen Vertrag unterzeichnet, der eine | |
> Verlängerung des Zauns zur Türkei vorsieht. Die Grenze solle so | |
> „versiegelt“ werden. | |
Bild: Geflüchtete unerwünscht: Der Grenzzaun zwischen Hellas und der Türkei … | |
ATHEN taz | Griechenlands konservativer Premierminister Kyriakos Mitsotakis | |
hat am Freitag die Festlandsgrenze zwischen Griechenland und der Türkei in | |
der Region Evros besucht. Dabei wurde ein Vertrag über den Ausbau und die | |
Erweiterung des Grenzzauns auf einer Gesamtlänge von 140 Kilometern | |
unterzeichnet. Damit soll die Festlandsgrenze zur Türkei für Migranten und | |
Flüchtlinge, die in die EU kommen wollen, „versiegelt“ werden. | |
Wie der dafür zuständige Athener Minister für Bürgerschutz, Takis | |
Theodorikakos von der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND), | |
dazu erklärte, wolle die Regierung den Ausbau des Grenzzauns „so schnell | |
wie möglich“ fertigstellen. Bereits am Donnerstag hatte Premier Mitsotakis | |
in einer Rede bekräftigt: „Ob mit oder ohne europäisches Geld, der | |
Evros-Zaun wird fertiggestellt werden“. | |
Hintergrund für Mitsotakis' Klarstellung ist, dass sich die EU erst | |
kürzlich gegen eine Finanzierung von Grenzzäunen an den EU-Außengrenzen | |
ausgesprochen hat. Dafür waren unter anderem Griechenland sowie Österreich | |
eingetreten. Trotz der Absage aus Brüssel hält die Regierung Mitsotakis an | |
ihren Ausbauplänen für den Grenzzaun in Griechenland fest. Der Ausbau soll | |
nun mit nationalen Geldern finanziert werden. | |
Die führende Athener Oppositionspartei Syriza unter Ex-Premier Alexis | |
Tsipras hob hervor, „nicht gegen den Evros-Zaun zu sein“. Syriza sei jedoch | |
der Ansicht, dass der Grenzzaun in Evros „nicht wesentlich zur Lösung des | |
Flüchtlings- und Einwanderungsproblems beitrage“. Vielmehr seien „andere | |
Maßnahmen notwendig“. Als Beispiel nannte Syriza „die Einrichtung einer | |
legalen und sicheren Umsiedlungs- und Migrationsroute für Flüchtlinge und | |
Migranten in der Türkei, die auf faire Weise auf die EU-Länder zu verteilen | |
sind, oder die Umsetzung des Rückführungsmechanismus in die Türkei für | |
diejenigen, die keinen [1][Anspruch auf Asyl] haben.“ | |
## Grenzübertritte werden gewaltsam verhindert | |
Die Festlandsgrenze zwischen dem EU-Land Griechenland und der Türkei ist | |
insgesamt 200 Kilometer lang. Gebildet wird sie fast vollständig durch den | |
in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Grenzfluss Evros, türkisch Meric genannt. | |
Im August 2012 wurden auf griechischem Territorium im Norden des Evros | |
zwischen den Orten Kastanies und Nea Vyssa von der damaligen Regierung | |
unter dem konservativen Premier Antonis Samaras die ersten 12,5 Kilometer | |
des Grenzzauns fertiggestellt. | |
Im März 2020 versuchten Tausende Migranten und Geflüchtete tagelang, die | |
Grenze nahe der Ortschaft Kastanies zu übertreten. Spezialeinheiten der | |
griechischen Polizei – aber auch Einsatzkräfte aus anderen EU-Ländern, wie | |
die österreichische Eliteeinheit Cobra – verhinderten ihren Grenzübertritt | |
gewaltsam, dabei wurde unter anderem exzessiv Tränengas eingesetzt. Die | |
Bilder der Zusammenstöße zwischen der Polizei sowie Migranten und | |
Geflüchteten gingen um die Welt. | |
Die seit dem 8. Juli 2019 amtierende Regierung Mitsotakis feierte im Rahmen | |
der von ihr eingeleiteten restriktiven Flüchtlingspolitik die | |
Zurückdrängung der Migranten und Flüchtlinge als das „Epos von Evros“. Im | |
Frühjahr 2021 baute die Regierung Mitsotakis den Grenzzaun um weitere 27 | |
Kilometer aus. Obendrein wurde der bereits bestehende Grenzzaun zwischen | |
Kastanies und Nea Vyssa von 3,5 auf fünf Meter erhöht. | |
Das trug Früchte. Tatsächlich hat sich die Zahl der Neuankömmlinge in | |
Griechenland seit 2019 massiv verringert. Registrierte das Athener | |
Migrationsministerium im Jahr 2019 offiziell noch fast 72.500 über die | |
Festlands- und Seegrenze neu in Griechenland ankommende Schutzsuchende, | |
sank ihre Zahl im Jahr 2020 auf knapp 15.000 und im Jahr 2021 auf etwa | |
8.700, während sie im Jahr 2022 wieder auf über 17.000 stieg. | |
## In Griechenland beginnt der Wahlkampf | |
Laut der [2][Europäischen Grenzschutzagentur Frontex] setzt sich dieser | |
Aufwärtstrend fort. In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres seien | |
Frontex zufolge fast 4.000 Neuankömmlinge in Griechenland registriert | |
worden. Das bedeutet einen Anstieg um sechs Prozent im Vergleich zum | |
entsprechenden Vorjahreszeitraum. | |
Zum Vergleich: Über die [3][Route im zentralen Mittelmeer] – vor allem von | |
[4][Libyen nach Italien] – kamen im Januar und Februar dieses Jahres knapp | |
12.000 Geflüchtete und Migranten an, fast 1.100 weitere Neuankömmlinge | |
schafften es auf westlichen Mittelmeer-Route von Marokko nach Spanien und | |
Portugal. | |
Die Vertragsunterzeichnung zum Ausbau des Grenzzauns in der Region Evros | |
fällt in Griechenland in die Zeit des Wahlkampfes. Premier Mitsotakis rief | |
am Dienstag [5][vorgezogene Neuwahlen in Athen] aus, nachdem ein | |
[6][verheerendes Zugunglück] im Tempi-Tal für Massenproteste sorgte. Sie | |
sollen am 21. Mai stattfinden. Die Regierungspartei ND läuft dabei Gefahr, | |
ihre absolute Mehrheit im Athener Parlament zu verlieren. Mithilfe ihrer | |
restriktiven Flüchtlingspolitik wähnt sie die Mehrheit der griechischen | |
Wählerinnen und Wähler an ihrer Seite. | |
31 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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