Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Untergehende Welt der alten Bücher: „Zornig bin ich eigentlich n…
> Nach 30 Jahren musste Detlef Stechern sein Antiquariat in Hamburg-Altona
> schließen. Dabei ist Aufgeben nicht unbedingt sein Ding.
Bild: Beim Schachspielen rät Detlef Stechern seinen Schülern vom Aufgeben ab
wochentaz: Detlef Stechern, wie ist Ihr Gefühlszustand angesichts der
Schließung Ihres Antiquariats? Sind Sie zornig auf die Vermieter, die nun
viel mehr Geld fordern?
Detlef Stechern: Zornig bin ich eigentlich gar nicht, komisch. Ich bin
enttäuscht. Enttäuscht von der mangelnden Unterstützung öffentlicher
Institutionen, sprich von der Stadt Altona. Ich habe einen Freund
kennengelernt durch dieses Aufgeben.
Wie das?
Es war jemand hier im Laden, der seine Kunst im Schaufenster ausstellen
wollte, und da sage ich ihm: „Wir müssen schließen. Am liebsten würde ich
ins Rathaus gehen und dort auf die Frau Stefanie von Berg …
… das ist die Bezirksbürgermeisterin.
… warten. Da gibt es so einen schönen Alkoven, da setze ich mich hin, lese
ein Buch, und wenn sie kommt, spreche ich sie direkt an. Aber ich traue
mich nicht“, sagte ich dem mir völlig unbekannten Menschen, und dann guckte
der so nach oben und sagte: „Wissen Sie was, dann komme ich mit“.
Nein.
Doch.
Und dann?
Da konnte ich ja nicht mehr zurück. Dann haben wir das gemacht, saßen da
zwei Stunden lang rum, haben uns über Literatur – er liest gerne Jean Paul
–, über dies und das unterhalten, auch über Politik. Die Frau von Berg kam
nicht. Dann habe wir im Vorzimmer geklopft, dann haben wir an ihrem Büro
angeklopft, da huschten Menschen herum, die haben wir gefragt: „Wann kommt
denn die Bürgermeisterin?“ – „Das wissen wir nicht“ – und irgendwann…
wir abgezogen.
War es also ein Fehlschlag?
Dieser Mann hat sich dann entwickelt, nicht nur zum Begleiter zum Rathaus,
sondern er hat die Demonstration gegen die Schließung organisiert. Er steht
immer bereit, mir zu helfen, es ist wie ein kleines Märchen. Es gab sogar
zwei weitere Initiativen. Ein Kollege, der sagte: „Mensch, ich schaue mich
nach Sponsoren um. Wir müssten doch ein paar hundert Euro zusammenbekommen,
damit du hier die Differenz überbrücken kannst.“ Da habe ich abgewunken und
gesagt: „Ganz ehrlich, ich würde kein Geld für so etwas geben können, und
wenn jemand 5, 10 Euro gibt, wie viele Leute musst du da zusammenkriegen?“
„Du könntest es vielleicht nicht“, erwiderte er nur, „aber ich kenne eben
finanziell potentere Menschen. Ich höre mich mal um.“ Und der hat drei
Leute, die jeweils 100 Euro pro Monat auf zwei, drei Jahre dazugeben
wollten, organisiert. Dann schrieb er eben dem Vermieter hier, der hat das
schlichtweg abgelehnt.
Und damit war es vorbei mit dem Widerstand?
Dann kam völlig überraschend ein Mensch hierher, der sagte, er wäre vor
einiger Zeit mal bei mir gewesen und wir hätten uns zusammen eine
Nachlassbibliothek angeschaut. Er fand es angenehm, wie ich ihn da beraten
habe, und er würde mich gern unterstützen. Er hat das so ausgerechnet, mir
monatlich 500 Euro Mietzuschuss zu gewähren auf zwei, drei Jahre. Eine
Bedingung gab es: Er möchte jeden Monat drei Bücher haben, und dann schloss
er an, das könnten auch 10-Euro Bücher sein. Er schlug vor, er würde auch
mit dem Vermieter sprechen. Er könne sich vorstellen, dass er da auch die
Wogen glätten könne, was leider nicht passiert ist.
Das klingt sehr großzügig.
Ich sagte: „Sie müssen aber sehr reich sein, um das zu ermöglichen, was
steht dahinter?“ Dann gab er als Begründung an, dass er diese kulturelle
Insel, diesen Farbtupfer sehr schön findet, und er würde gerne, dass das
dem Stadtteil so erhalten bleibt. „Ich habe so viel Geld, das kann ich im
Leben gar nicht ausgeben.“ Er sieht das als Sponsorentum für einen kleinen
Rahmen. Und das ist genau das, was ich der Politik vorwerfe: Für die großen
Dinge haben Politik und Mäzenatentum Zeit und Geld übrig, aber für diese
kleinen Dinge nicht.
Unter welchen Vorzeichen haben Sie sich gewehrt – weil Sie glaubten, dass
es hilft? Oder weil Sie jemand sein wollen, der es nicht einfach hinnimmt?
Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass es etwas bewirkt, dass sich eben ein
Immobilienbesitzer meldet und sagt: „Mensch, ich habe hier noch eine kleine
Kaschemme, da kannst du unterkommen zu einem annehmbaren Preis. Aber für
mich war auch eine wichtige Motivation: Das ist hier mein Lebenswerk, und
das verschwindet nicht einfach so sang- und klanglos. Was ich gar nicht
bedacht habe, ist, dass jetzt ordentlich was los ist im Laden.
Und das empfinden Sie nicht als bitter, im Sinne von: Jetzt ist alles um 50
Prozent reduziert, jetzt kommen die Geier?
Es gibt Leute, die haben sich entschuldigt dafür, dass sie jetzt kaufen und
früher nicht. Ich sage dann: „Wissen Sie, jedes Buch, das hier rausgeht,
freut mich erst mal, weil es eine neue Heimat gefunden hat.“ Ich freue mich
darüber, dass diese Bücher zum Leben erweckt werden.
War es Ihnen wichtig, dass die Preisspanne hier so groß war, damit
unterschiedliche Kunden kommen – oder ist es verkaufsförderlich?
Aus verkaufstechnischer Sicht ist es, glaube ich, ungünstig, sowohl teure
als auch billige Bücher anzubieten. Denn derjenige, der bibliophile Schätze
sucht und hier 1-Euro- oder 10-Euro-Bücher findet, sagt: Ach, das ist ja
alles Dutzendware, interessiert mich ja gar nicht. Und derjenige, der eben
Literatur zu günstigen Preisen sucht – so bin ich zum Antiquariat gekommen
–, der sagt: „Um Gottes willen, hier kosten die Bücher 100 Euro, hier habe
ich nichts zu suchen. Und so stoßen die beiden Pole sich ab. Mir persönlich
gefällt das sehr, dass man hier ein 1-Euro-Buch kaufen kann und eben auch
ein 10.000-Euro-Buch.
Sie sind übers eigene Sammeln zum Antiquariat gekommen?
Mein ganzes Leben ist eigentlich voll mit Widersprüchen. Ein Beruf als
Antiquar ist wahrscheinlich keine Karriere. Ich hab zweimal den Wehrdienst
verweigert, bin nicht anerkannt worden und dann nach West-Berlin
geflüchtet. Mein Notendurchschnitt war 4,0, da konnte ich mich gerade mal
für Theaterwissenschaft einschreiben und als Nebenfach Germanistik. Dann
waren aber die ganzen Germanistikstudenten um mich herum ganz anders
gepolt. Wenn ich dann „Die Reise nach Braunschweig“ aus dem Jahr 1839 stolz
präsentiert habe, dann sagten die: „Das ist ja dreckig.“ Aber viele
Freunde, die ich noch aus meiner Studentenzeit kenne, die wundern sich:
„Mensch, du hast es weit gebracht, hätten wir nie gedacht.“ Ich war schon
in übler Gesellschaft und auf üblen Fährten unterwegs.
In welcher Richtung führten die?
Die führten zu Selbstaufgabe. Das war eine Zeit von Alkohol und Drogen und
Selbstvergessenheit. Viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis sind schon
tot. Ich bin mit vielen seitlich Abgeknickten und Verrückten groß geworden,
und was mich gerettet hat, das war das erste Kind und meine Frau, mit der
ich jetzt seit 40 Jahren plus 9 Monaten und ein paar zerquetschten
zusammenlebe.
Muss man als wirtschaftlich erfolgreicher Antiquar Kontaktpflege betreiben?
Es ist schwierig, Sie sich Visitenkarten verteilend vorzustellen.
Mein Handwerkszeug habe ich im Auktionshaus gelernt. Wenn Sie mit
Kunstkunden zusammen ihre Ochsenschwanzsuppe gelöffelt haben, dann haben
Sie über Geld und Firmenübernahmen geredet. Wenn Sie mit Bücherleuten
zusammensaßen, dann haben die über Wieland geredet, über wunderschöne
Gedichte und Aristide, da waren Inhalte, obwohl es Sammler waren. Warum
erzähle ich das? Zum einen liegt mir das Präsentieren nicht so gut. Aber
ich habe vom ersten Tag an einen Sammler kennengelernt. Das war ein großer
Kardiologe in Frankfurt, mit sehr, sehr viel Geld, der hat mir dann für
eine Celan-Erstausgabe ein Limit vorgegeben von 10.000 Euro, und ich hab
dann 15.000 ausgegeben und gedacht: Wenn er sie nicht nimmt, bist du
pleite.
Und hat er sie genommen?
Er hat gesagt: großartig gemacht, Herr Stechern, hervorragend. Ich dachte,
ich gieße ihn in Erz und stelle ihn mir vor die Tür. In den ersten Jahren
war er mein wirtschaftliches Rückgrat. Aber ich habe auch den Teilnachlass
von Günter Anders bekommen, die Korrespondenzen mit Brecht, Benjamin und
Hannah Arendt, eine ganz große Sache.
Wie sind Sie an so etwas gekommen?
Sein Privatsekretär war ein Kunde von mir. Anders hatte zu ihm gesagt: Ich
kann dich nicht bezahlen, aber du kriegst meinen Nachlass. „Wollen Sie
nicht diesen Teilnachlass übernehmen?“, fragte mich der Privatsekretär und
ich bin aus allen Wolken gefallen. „So viel Geld habe ich gar nicht“, sagte
ich. „Das macht nix“, sagte er, „Sie bezahlen das in Raten“. Ich bin da…
mal runtergeknattert und habe ihn in der Schickeria von München besucht.
Das war ein ganz mondäner Mensch, wir saßen in einem Lokal und man musste
Smalltalk machen. Ich war völlig verunsichert, er saß mir gegenüber mit
einer Sonnenbrille, und ich guckte genau in die Sonne. Ich konnte nicht
sehen, ich konnte nicht reden, und dann gab es aber auch so eine
Abhängigkeit: Du möchtest das ja gerne von ihm haben.
Auf mich wirkt eine bestimmte Art von Sammeln wie ein Sich-Vergewissern
eines intellektuellen Status und mäßig sympathisch. Aber der Sammler ist
für Sie wirtschaftlich wichtig, oder?
Aber sicher – wenn wir nur Leser hätten, würden alle Buchhandlungen, alle
Verlage pleitegehen. Bücherkäufer und Büchersammler sind nicht automatisch
Leser. Und mittelsympathisch … ich weiß es nicht. Es gibt ein berühmtes
Gedicht von Karl Wolfskehl, darin kommt der Satz vor: „Bücher sprechen
ungelesen“. Da ist eine Menge Weisheit drin. Ernst Jünger spricht von
seiner Geliebten, die er mit an den Schreibtisch oder ins Bett nimmt. Es
gibt diese erotische Komponente. Aber das Antiquariat und auch die
Buchhandlung stirbt mit dem Bildungsbürgertum aus. Die Buchtapete gilt
nicht mehr, die hat an Status eminent verloren. Das sehe ich an meinen
Kindern, mit denen ich immer viel gelesen habe, an meinen Enkelkindern,
denen ich jetzt vorlese. Sie erleben diese Faszination, die Bücher ausüben,
nicht.
Aber Sie kennen sie?
Meine Kindheit war keine schöne, sie war eine vernachlässigte und
bindungsarme, und ich habe Bücher kennengelernt als achtjähriger Junge. Da
war ich in einem Heim, es war damals in den 50er, 60er Jahren eine übliche
Art, Kinder dorthin zu schicken, um sie regelrecht zu mästen. Ich hatte
eine Taschenlampe und ein Buch von Gullivers Reisen und das habe ich unter
der Bettdecke gelesen. Das war mein Fluchtpunkt und meine Rettung. Daraus
habe ich eine Leidenschaft entwickelt, dass ich in Büchern Wahrheiten lesen
wollte, erfahren wollte: Warum lebe ich? Und ich habe schnell
Sammlereigenschaften an den Tag gelegt.
Wenn Sie sagen, für Ihre Kinder, Enkel bedeutet das Buch nicht mehr so viel
– die Bedeutung von Geschichten bleibt doch?
Die Geschichten bleiben, die Kinder lauschen ihnen. Als Lesementor fange
ich gern mit Donald-Duck-Geschichten an, ich bin Donaldist, und die
Geschichten kommen an, gerade auch bei Kindern, die nicht so einen Zugang
zu Literatur haben. Meine Tochter liest auch, aber sie braucht auch kein
gebundenes Buch. Wenn ich ihr von der Schönheit eines Buches erzähle, dann
freut sie sich darüber, dass ich so empfinde. Aber ihr selbst reicht ein
Taschenbuch.
Sie nehmen das gelassen, hier geht kein Abendland unter.
Nein, die Zeiten ändern sich, das ist ja ganz klar, und meistens sind es ja
die alten, die sagen: Jetzt ist alles schlechter geworden. So bin ich
nicht. Wenn Sie das Kaleidoskop der Sammler und Sammlerinnen, die ich
abgelichtet habe, ansehen, dann sind da auch junge Menschen darunter. Das
freut mich besonders. Manchmal kommen hier Schüler rein, die entdecken
diesen Laden, die entdecken überhaupt alte Bücher, und ich freue mich, wenn
sie die Schwellenangst überwinden. Denen sage ich: Du kannst alles
anfassen, du kannst überall reinblättern, guck dir alles in Ruhe an. Und
das bereue ich: dass dieses Schaufenster jetzt verschwindet, weil die
Werbung für das Buch damit verschwindet. Wenn ich bei Kollegen die
Schaufensterfronten sehe, hat mich das immer gefreut und ich dachte mir:
Mensch, was für ein Blick auch in Geisteswelten und Möglichkeiten.
Empfinden Sie die Schließung des Ladens als ein Aufgeben gegenüber dem
Mietwucher der Erbengemeinschaft?
Die Leute sagen immer, Mietwucher – ich sehe das gar nicht so.
Bei 150 Prozent Mietaufschlag?
Ich habe 8 Euro hier bezahlt, das ist sehr wenig. Ich hatte 12 Euro
vorgeschlagen, und die wollten erst mal 16 Euro haben, also 100 Prozent
mehr, und ich glaube, dass das tatsächlich marktüblich ist. Das ist kein
Mietwucher. Es ist mir gegenüber eine Unbilligkeit, so von jetzt auf gleich
die Miete zu verdoppeln. Und es gab ja auch innerhalb dieser
Erbengemeinschaft zwei vernünftige Stimmen, die gesagt haben, so geht das
nicht, und die mir Vorschläge gemacht haben, mit denen ich einverstanden
war. Dummerweise ist diese Dame dann gestorben, eine resolute
achtzigjährige Dame, und deren Begleiterin hat leider nicht das Rückgrat
bewiesen, sich den Einlassungen der anderen Erben zu widersetzen.
Und wie empfinden Sie die Unbilligkeit?
Natürlich tut es weh und es tut mir sehr weh zu sehen, wie das jetzt hier
aufgelöst wird, und ich hoffe, dass ich den letzten Schritt nicht
miterlebe. Es gibt einen Entrümpelungsdienst, den ich heute noch anrufen
muss, das möchte ich mir nicht angucken. Ein Trost ist: Meine Kinder müssen
das nicht auflösen. Es war ein Treffpunkt hier. Leute kommen hierher. Ich
höre geduldig zu.
Was erzählen die Leute denn?
Meistens über das, was sie lesen, was sie daran begeistert. Es gibt bei mir
den Gedanken, der das Wir vor das Ich stellt, und auch wenn es hier sehr
individuelle Dinge sind, die gestillt werden, dieser Lesehunger oder die
Sammlerwut, die ja nicht zu bändigen ist, so freue ich mich doch, dass ich
als Vermittler wirken kann und etwas weitergebe in einer einzelnen
Persönlichkeit – die aber ja auch wiederum in größeren Kreisen wirkt mit
dieser Literatur. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen philosophisches
Geschwafel, sehen Sie mir das nach. Ich habe ja angefangen als Lesementor
an der Haubachschule, weil ich einem Kind individuell helfen wollte, aber
weil ich auch weiß, dass damit der Gesellschaft geholfen ist.
Sie unterrichten auch Schach an Schulen, und in der Zusammenschau mit der
Schließung des Ladens dachte ich: Beim Schach gibt es eine ganz geregelte
Form fürs Aufgeben. Was erzählen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern dazu?
Vorab muss ich sagen, dass es viele Rituale gibt, die ich den Kindern
versuche zu vermitteln, und zwar vor dem Spiel: sich erst mal die Hand zu
geben und dem Gegner Respekt zu zollen, und ganz, ganz wichtig, während des
Spiels keine Kommentare abzugeben. Wenn man dann verloren hat, dem Gegner
die Hand wieder zu reichen. Man muss nicht explizit sagen: „Glückwunsch“,
aber man sollte sagen, war ein schönes Spiel, wir treffen uns wieder,
irgendetwas. Wobei ich bei den Grundschülern und auch bei den Schülern in
der Unterstufe des Gymnasiums immer empfehle, nicht aufzugeben.
Warum nicht?
Weil sie immer eine Chance haben. Es gibt eine vertrackte Situation im
Schach, die nennt sich Patt, und wenn der Gegner glaubt, jetzt hat er mich
sicher, dann hat er mich manchmal so sicher, dass der König gar nicht mehr
ziehen kann, ohne sich selbst in Schach zu setzen. Das ist ein Patt, ein
Unentschieden, und das ist ein gewonnener halber Punkt. Ich sage den
Kindern also, die Aufgabe spielt in eurem Spiel überhaupt gar keine Rolle.
Anders ist es im Leistungsschach. Ich spiele auch im Verein Schach, beim FC
Pauli, und da gibt man vor dem Matt auf. Man möchte zeigen: So schlau bin
ich auch, dass ich sehe, dass du mich in zwei Zügen matt setzen wirst.
Weil das Matt eine Demütigung ist?
Na ja, das ist jetzt eine sehr männliche Sicht, muss ich sagen. Demütigung
ja, und Schach ist auch ein männliches Spiel. Meine Schachkurse sind ganz
klar jungslastig. Dieser Wettkampfcharakter ist bei Mädchen, viele mögen
mir da widersprechen, nicht so ausgeprägt. Es gibt auch Mädchen, die
kämpfen und boxen und laufen beim Marathon vorneweg, aber ich glaube, in
der Breite ist es einfach nicht so ausgeprägt. Aber zur Demütigung: Wenn
eines der Kinder diese Vokabel benutzen würde, dann würde ich scharf
einschreiten.
Warum?
Ich sage: „Ihr spielt miteinander“. Im besten Falle seht ihr auch eine
Komposition dieses Spiels, wie hier die Kräfte zusammenhängen, und das
fasziniert euch, wie man mit einem Zug alles verlieren kann oder alles
gewinnen kann. Es ist ein Spiel, das in seiner Balance, in seiner inneren
Dynamik auch Kunst darstellt.
15 Apr 2023
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Literatur
Buch
Gentrifizierung
Bücher
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Altona
Antiquariat
Sammler
wochentaz
Schwerpunkt Stadtland
Einzelhandel
Mietenpolitik
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antiquar über Kunsthandel: „Lesen und lernen und lieben“
Heribert Tenschert ist Antiquar und sammelt und verkauft kostbarste
Druckwerke. Gerade im Angebot: ein Messbuch für 680.000 Euro. Wie kam er
dazu?
Plastiktüten-Sammler über Vielfalt: „Das ist riesige Erinnerungsarbeit“
Jürgen Francke sammelt seit 1972 Plastiktüten. Er besitzt rund 60.000. Ein
Teil davon wird von dem Bremer Kneipenkollektiv „Horner Eck“ ausgestellt.
Ladensterben In Hamburg: Der schwindende Geruch von Papier
Schon wieder geht in Hamburg ein altes Fachgeschäft ein – weder Politik
noch Verbraucher:innen stören sich genug daran, um etwas dagegen zu
tun.
Explodierende Gewerbemieten in Hamburg: Mietwucher killt Kleingewerbe
150 Prozent mehr Miete: Schon wieder muss ein kleiner Laden in Hamburg
schließen. Die Politik nimmt es hin, denn Gewerbemieten scheinen
unantastbar.
Buchhandlung Kisch & Co vor der Räumung: „Sie müssen schon kommen“
Die Buchhandlung von Thorsten Willenbrock an der Kreuzberger Oranienstraße
soll am 24. August geräumt werden. Freiwillig gehen will er aber nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.