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# taz.de -- Buchhandlung Kisch & Co vor der Räumung: „Sie müssen schon komm…
> Die Buchhandlung von Thorsten Willenbrock an der Kreuzberger
> Oranienstraße soll am 24. August geräumt werden. Freiwillig gehen will er
> aber nicht.
Bild: Thorsten Willenbrock vor seinem Laden
taz: Herr Willenbrock, für Ihre Buchhandlung [1][Kisch & Co.] gibt es nun
einen Räumungstermin: Am 24. August kommt der Gerichtsvollzieher. Werden
Sie freiwillig gehen?
Thorsten Willenbrock: Nein. Sie müssen schon kommen und uns den Schlüssel
abnehmen. Wir werden deutlich machen, dass wir nicht freiwillig aus unserem
Laden gehen.
Kann man also Blockaden erwarten, mit Zwangsräumungen verhindern und allem
Pipapo?
Wir haben bereits eine Kundgebung vor dem Laden angemeldet und wollen
nochmal protestieren. Was darüber hinaus passiert, weiß ich noch nicht, das
wird sich entwickeln. Auf jeden Fall haben wir weiterhin die Unterstützung
des Bündnisses Volle Breitseite, das von vielen Kiez- und Mieterinitiativen
getragen wird. Und viele unserer Kunden, mit denen wir seit Samstag über
den Termin sprechen, haben uns auch versprochen, vorbei zu kommen.
Allerdings werden wir die Buchhandlung vorher ausräumen müssen. Eine vom
Gerichtsvollzieher veranlasste Räumung können wir uns nicht leisen.
Mehr als ein Jahr lang haben Sie nach der Kündigung durch Ihren Eigentümer,
einem luxemburgischen Investmentfonds, [2][protestiert]. War das nun
umsonst?
Auf keinen Fall. Wir hatten drei Ziele: Erstens, dass wir hier bleiben
können, zweitens, dass wir um das Haus kämpfen und drittens, dass wir auf
die Situation von Gewerbetreibenden, die keinerlei Mietrechtsschutz haben,
aufmerksam machen. Das zumindest ist uns gelungen. Jetzt wird mehr über die
Verdrängung von Gewerbe gesprochen, darüber, dass an unzähligen Orten, oft
versteckt in Hinterhöfen, Handwerksbetriebe, Künstler, Druckereien ihre
Räume verlieren.
Wie ist die Situation im Haus in der Oranienstraße 25?
Mit uns geht auch das Architekturbüro, das sich keine Mieterhöhung von 13
auf 38 Euro pro Quadratmeter leisten konnte. Die Neue Gesellschaft für
bildende Kunst hat noch einen Vertrag bis Mitte nächsten Jahres, das Museum
der Dinge bis Ende 2023. Das Yogastudio hat nochmal einen Einjahresvertrag
bekommen.
Für Sie gab es viel Zuspruch aus Berlins Landespolitik, inklusive [3][eines
Briefes von Senatoren an den Eigentümer]. Die Räumung konnte das nicht
verhindern. Ist die Politik handlungsunfähig?
Mit den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag ist leider nichts
zu machen. Der mangelnde Schutz für Gewerbemieter*innen ist nur auf
Bundesebene zu regeln. Doch CDU und SPD stehen nicht auf der Seite der
Gewerbetreibenden, sondern auf der der Immobilienbesitzer. Sie haben es
verbockt und sind verantwortlich. Ein Antrag der Grünen Canan Bayram für
einen verbesserten Schutz von Gewerbemietern vor Kündigungen hat Ende
vergangenen Jahres im Bundestag die Fronten nochmal klar aufgezeigt.
Wieso sind Sie gegen das [4][Räumungsurteil] des Verwaltungsgerichts im
April nicht in Revision gegangen?
Erstens hätte das keine aufschiebende Wirkung gehabt, die Räumung hätte
trotzdem stattfinden können. Außerdem hat uns schon der erste Prozess etwa
7.500 Euro gekostet, die wir zum Glück über Spenden und den Verkauf eines
Soli-Kalenders finanzieren konnten. Ein Prozess vor dem
Oberverwaltungsgericht hätte noch einmal das Doppelte gekostet und keine
Aussicht auf Erfolg gehabt.
Was machen Sie, wenn die Räumung vorbei ist?
Erstmal zwei Tage nichts. Danach werde ich in unserem zweiten Laden, dem
Antiquariat in der Wiener Straße, weitermachen. Und natürlich versuchen wir
weiter, in der Oranienstraße oder der näheren Umgebung Ersatzräume zu
finden.
Haben Sie da noch Hoffnung?
Ja, wir sind in Gesprächen und hoffen, dass wir die zu einem guten
Abschluss bringen können. Mehr gibt es dazu aber noch nicht zu sagen.
Wissen Sie, was aus Ihrem bisherigen Laden werden soll?
Nein, absolut überhaupt nicht. Es gab ja niemals Kontakt, außer mit den
Anwälten, die nur darauf gedrängt haben, dass wir rausgehen. Vermutlich
wird die Miete für unsere Nachfolger 45 bis 50 Euro pro Quadratmeter
kosten. Das können sich höchstens Start-ups, Restaurants oder ein
BMW-Showroom leisten.
4 Aug 2021
## LINKS
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[2] /Bedrohte-Buchhandlung-Kisch--Co/!5734923
[3] /Kreuzberger-Buchhandlung-Kisch--Co/!5743234
[4] /Raeumungsprozess-gegen-Kisch-und-Co/!5768302
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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Literatur
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Lesestück Recherche und Reportage
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