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# taz.de -- Bedrohte Buchhandlung Kisch & Co.: Fechten für das Gute und Schöne
> Die Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstraße sieht ihrem
> Räumungsprozess entgegen. Eine Petition für ihren Erhalt hat prominente
> Unterstützer.
Bild: Protest vor der Buchhandlung Kisch & Co. in der Oranienstraße
Berlin taz | Der Schriftsteller und Reporter Egon Erwin Kisch formulierte
einst, „daß nicht die bessere Sache den irdischen Sieg erficht, sondern die
besser verfochtene Sache“. Die akut in ihrer Existenz bedrohte
[1][Kreuzberger Buchhandlung Kisch & Co.] und ihre Unterstützer*innen sind
also ganz bei ihrem Namensgeber, wenn sie zumindest versuchen, alles in die
Waagschale zu werfen, um das Geschäft zu retten, das sich derzeit einer
Räumungsklage erwehren muss.
Würde automatisch die bessere Sache gewinnen, hätte der 1997 eröffnete
Buchladen leichtes Spiel: Das von Inhaber Thorsten Willenbrock geführte
Geschäft mit drei Mitarbeiter*innen ist eine Institution, eine – wie
Kultursenator [2][Klaus Lederer (Linke) Buchhandlungen zuletzt nannte –
„geistige Tankstelle“], gut sortiert und von Kund*innen hoch geschätzt. Ihm
gegenüber steht ein scheinbar anonymer Luxemburger Fonds, der das
Gewerbehaus in der Oranienstraße 25 vergangenes Jahr zu einem irrwitzigen
Preis kaufte und ohne jede Hemmung oder Sinn für Kultur und Nachbarschaft
die Ladenfläche für das Dreifache vermieten möchte.
Bereits seit Juni hat Kisch & Co. daher keinen Mietvertrag mehr – dafür
aber umso mehr Freund*innen. Ein Bündnis um Nachbarschaftsinitiativen wie
Bizim Kiez und GloReiche kämpft mit der Kampagne „Volle Breitseite“ an der
Seite des Ladens und für das Gute. Den ganzen Sommer lang wurden
Kundgebungen und Kulturveranstaltungen organisiert, Videos mit
Unterstützer*innen gedreht und ein Solidaritätskalender gestaltet. Nicht
zuletzt wurden auch die Käufer*innen enttarnt: die schwerreichen Erbinnen
des schwedischen Tetra-Pak-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid.
## Druck aufbauen mit einer Petition
Aktuell versucht man den Druck mit einer [3][Petition] hochzuhalten.
Gefordert wird die „sofortige Rücknahme der Räumungsklage, die Verlängerung
des Mietvertrags bzw. Neuausgestaltung zu annehmbaren Bedingungen und eine
Standortgarantie für alle anderen kulturellen Einrichtungen und Gewerbe im
Haus“ – also etwa für die Neue Gesellschaft für bildende Kunst und das
Museum der Dinge.
Allein die Liste der 150 Erstunterzeichner*innen zeigt, dass man keine
Milliardenvermögen für einen illustren Freundeskreis braucht.
Unterschrieben haben etwa die Schriftsteller*innen Elfriede Jelinek, Ulrich
Peltzer, Manja Präkels, Leander Sukov, die Schauspielerin Meret Becker,
Politiker*innen wie Gregor Gysi und Canan Bayram. Mehr als 1.500
Mitunterzeichnende sind seit dem Start am 21. Dezember dazugekommen.
Die Petition richtet sich zugleich an die Politik, von der ein „Schutz für
Kleingewerbetreibende sowie soziale und kulturelle Einrichtungen durch die
Einführung eines Gewerbemietrechts“ gefordert wird. Die Grüne Bayram hat
einen entsprechenden Gesetzentwurf im Oktober in den Bundestag eingebracht:
Danach sollen Kündigungsschutz und Mietpreisbremse auch für
Gewerbetreibende gelten. Im Frühjahr folgt eine öffentliche Anhörung im
Rechtsausschuss, ehe der Entwurf in die zweite und dritte Lesung geht.
Bis dahin allerdings ist es für Kisch & Co. aller Voraussicht nach zu spät.
Sollten die in London ansässigen Rausing-Erbinnen – eine schmückt sich
sogar mit einem Verlag und einer Stiftung für Menschenrechte – nicht doch
ihr Gewissen entdecken und in die Geschäftspraktiken der Victoria Immo
Properties V S.a.r.l. intervenieren, kommt es am 5. Februar vor dem
Landgericht zur Verhandlung über die Räumung. Die gute Sache wird dabei
dann keine Rolle mehr spielen.
29 Dec 2020
## LINKS
[1] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5691217
[2] /Tag-1-der-verschaeften-Corona-Regeln/!5734009
[3] https://www.change.org/p/bundesregierung-und-berliner-senat-die-kiezbuchhan…
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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Entmietung
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