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# taz.de -- Buchhandlung Kisch & Co.: Lesen Sie weiter
> Kurz vor der Zwangsräumung findet der Buchladen Kisch & Co. neue Räume in
> der Oranienstraße. Vermieter ist ausgerechnet die Deutsche Wohnen.
Bild: Protest für die Buchhandlung Kisch & Co
Berlin taz | Am Sonntagabend ist die Oranienstraße vor dem Laden an der
Nummer 25 in eine Staubwolke gehüllt. Mitarbeiter*innen und
Helfer*innen des Buchladens Kisch & Co. nehmen das Mobiliar auseinander.
Regale aus Pressspan werden mit bloßen Händen auseinandergebrochen; alle
Bücher sind schon ausgeräumt. Dienstagfrüh um 8.15 Uhr hat sich der
Gerichtsvollzieher angekündigt und will das Geschäft und die Schlüssel
übernehmen.
Die Dramatik dieser Zwangsräumung, gegen die sich [1][Buchhändler Thorsten
Willenbrock] so lange gestemmt hat, ist sei dem Wochenende aber einer
großen Erleichterung gewichen. Kisch & Co. hat ein neues Ladengeschäft
gefunden. Nur 150 Meter und sieben Hausnummern weiter, in der Oranienstraße
32, kann der Bücherverkauf ab dem 1. September weitergehen. Der Laden ist
zwar nur halb so groß, biete aber erträgliche Konditionen. Der Mietvertrag
soll über elf Jahre laufen, die jährliche Mietsteigerung zwei Prozent
betragen.
Vermieter ist mit der GSW ausgerechnet ein Tochterunternehmen der Deutsche
Wohnen. Das Kisch & Co.-Unterstützerbündnis Volle Breitseite spricht dann
auch von einem „großen Haken“. Es sei höchstwahrscheinlich, dass der
Konzern die Vermietung „kurz vor dem anstehenden Enteignungs-Volksentscheid
zur Image-Optimierung ausnutzen wird“, heißt es von den Kiezinitiativen.
Und auch Willenbrock ist sich, so sagte er es dem Tagesspiegel, bewusst,
dass das Unternehmen damit „Imagepflege“ betreiben will. Anderseits gehört
das Vermieten freier Ladengeschäfte durchaus zum Kerngeschäft einer
Immobilienfirma.
Die Vertragsverhandlungen mit der Deutsche Wohnen führte die Kige
Kiezgewerbe, eine vom Bezirk geförderte Anlaufstelle für von Verdrängung
bedrohte Einzelhändler. „Wir freuen uns, dass Kisch & Co. in der
Oranienstraße bleiben kann“, sagte Kige-Geschäftsführer Stefan Klein. In
einer Mitteilung heißt es weiter: „Es kann auch aus der Niederlage ein
neuer Anfang entstehen.“
## Fonds lesen nicht
Die finale Niederlage erlitt Kisch & Co. im April vor dem Landgericht bei
der [2][Räumungsklage ihres bisherigen Vermieters, dem Luxemburger
Immobilienfonds Victoria Immo Properties]. Die anonyme Gesellschaft hatte
das Haus 2019 für 35,5 Millionen Euro von einem Unternehmen von Nicolas
Berggruen gekauft. Nach Auslaufen des Vertrages im Mai 2020 zeigte der
Eigentümer kein Interesse daran, das Traditionsgeschäft zu halten. Als
schlechter Scherz blieb lediglich das „Angebot“, ein paar Monate länger
bleiben zu können, wenn der Buchladen dafür „positive“ Botschaften über …
Eigentümer verbreite.
Willenbrock lehnte dankend ab und organisierte [3][mit viel Unterstützung
aus dem Kiez] den Widerstand. Der Rechtlosigkeit von Gewerbetreibenden
gegen ihre Vermieter konnten die Proteste nichts anhaben, aber das Gefühl
der Nachbarschaft in der Straße haben sie gestärkt. An der für Dienstagfrüh
ab 7 Uhr geplanten Kundgebung gegen die Zwangsräumung wird dann auch
festgehalten. „Mit der Kundgebung wollen wir noch einmal ein Zeichen
setzen. Für Kisch & Co., gegen Zwangsräumungen und vor allem für alle
verbliebenen Mieter:innen in der Oranienstraße 25. Denn für sie geht der
Kampf jetzt noch weiter“, hieß es vom Bündnis Volle Breitseite.
Ein Architekturbüro allerdings muss ebenfalls ausziehen angesichts einer
Mieterhöhungsforderung von 13 auf 38 Euro. Mitte nächsten Jahres läuft der
Vertrag für die Neue Gesellschaft für bildende Kunst, Ende 2023 jener für
das Museum der Dinge aus. Sie alle haben keinen Schutz, wenn sich nicht auf
Bundesebene etwas ändert. Durch fehlendes Gewerbemietrecht – es gibt weder
Mietspiegel noch Mindestvertragslaufzeit – gibt es keinen Bestandsschutz.
Eine Bundesratsinitiative Berlins von 2019 scheiterte ebenso wie ein
jüngster Vorstoß der Kreuzberger Bundestagsabgeordneten Canan Bayram an der
CDU.
23 Aug 2021
## LINKS
[1] /Buchhandlung-Kisch--Co-vor-der-Raeumung/!5791746
[2] /Raeumungsprozess-gegen-Kisch-und-Co/!5768302
[3] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5691217
## AUTOREN
Erik Peter
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Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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