# taz.de -- Massive Geldnot nach Sanktionen: Russland verkauft seine Botschaft | |
> Eine Huawei-Tochter möchte die Berliner Immobilie Unter den Linden | |
> übernehmen. Neue Räume stehen im Russischen Haus in der Friedrichstraße | |
> zur Verfügung. | |
Bild: Könnte bald ein Showroom für Handys werden: Russlands stalinistisches B… | |
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien am 1. April. Entsprechend | |
sensibel sollte mit den Inhalten umgegangen werden. | |
Berlin taz | In 14 Jahren hätte sie ihren 200-jährigen Geburtstag gefeiert. | |
Doch dazu wird es wohl nicht kommen: Nach Informationen der taz soll die | |
[1][Russische Botschaft Unter den Linden] verkauft werden. Ein chinesisches | |
Konsortium sei bereit, das Hauptgebäude Unter den Linden 63–65 sowie die | |
Verwaltungs- und Wohngebäude an der Behren- und Glinkastraße zu übernehmen, | |
heißt es in einem Schreiben, das der taz vorliegt. | |
Sollte es tatsächlich dazu kommen, wäre ein Stück russischer Geschichte auf | |
[2][Berlins Prachtboulevard] verloren. 1837 war der erste Gesandte des | |
Zarenreichs in das zweistöckige Rokoko-Palais Kurland gezogen. Nach dem | |
Ende des Ersten Weltkriegs wurden die Linden sowjetisch, bevor das Palais | |
schließlich ab 1942 das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete | |
beherbergte. | |
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Botschaft nach den | |
Plänen eines Architektenkollektivs neu aufgebaut. Zuletzt machte die | |
Vertretung von sich reden, weil zum Jahrestag des russischen Überfalls auf | |
die Ukraine ein [3][ausgebrannter russischer Panzer] Unter den Linden | |
aufgestellt worden war. Sein Geschütz richtete er auf die 185 Meter lange | |
Fassade des Gebäudes. | |
Aber auch schon zuvor war die Botschaft immer wieder Schauplatz | |
außergewöhnlicher Ereignisse. 2021 war der Zweite Sekretär der Botschaft | |
tot auf dem Gehweg Unter den Linden gefunden worden. Weil der Tote | |
Diplomatenstatus hatte, durfte die Berliner Staatsanwaltschaft nicht | |
ermitteln. Sie übergab die Leiche an die Russen, die von einem Unfall | |
sprachen. | |
[4][Botschafter Sergej Netschajew] wollte sich zu den Verkaufsplänen auf | |
taz-Anfrage nicht äußern. Allerdings liegt der Botschaft offenbar ein | |
Angebot des [5][Russischen Hauses in der Friedrichstraße] vor. Das | |
ehemalige „Russische Haus der Wissenschaft und Kultur“ wird von der im | |
russischen Außenministerium angesiedelten Regierungsagentur | |
Rossotrudnitschestwo betrieben. Zahlreiche Räume stehen dort inzwischen | |
leer. Die Miete soll die symbolische Summe von einem Rubel betragen, heißt | |
es aus Botschaftskreisen. Das könne man sich noch leisten, heißt es weiter. | |
## Teil einer umfassenden Streichliste | |
Denn mit dem Umzug könnte die Russische Förderation ihre Staatskasse wieder | |
ein wenig auffüllen. Offiziell behauptet Moskau zwar, die Sanktionen, die | |
der Westen nach dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verhängt | |
hatte, würden der Wirtschaft des Landes kaum schaden. Tatsächlich aber | |
haben sie offenbar ein erhebliches Loch in den Staatshaushalt gerissen. | |
Das zeigt auch eine interne „Streichliste“, die dem Recherchekollektiv | |
Bellingcat vorliegt. Demnach steht nicht nur die Botschaft in Berlin zum | |
Verkauf, sondern auch ein Aktienpaket von Rosneft. Offenbar will Moskau | |
damit Verstaatlichungen wie bei der Raffinerie in Schwedt zuvorkommen. | |
In Peking wird man Nachrichten wie diese gerne hören. Unter den Linden | |
steht der chinesische Investor, eine Tochterfirma von Huawei, bereits in | |
den Startlöchern. Nach Informationen der taz soll vom weitläufigen | |
Botschaftskomplex nur das neostalinistische Gebäude Unter den Linden | |
erhalten werden. Die Gebäude an der Behrenstraße und Glinkastraße sollen | |
Neubauten weichen. Einen entsprechenden Letter of Intent (LOI) hat das | |
Unternehmen bereits mit dem noch amtierenden Bausenator Andreas Geisel | |
(SPD) unterzeichnet. Auch Geisel wollte sich gegenüber der taz nicht | |
äußern. | |
Ausgerechnet für die zuletzt viel diskutierte [6][Friedrichstraße] hätte | |
der neue Botschaftsstandort weitreichende Auswirkungen. Wie aus dem | |
Landeskriminalamt zu hören ist, müsste ein Teil der Einkaufsstraße gesperrt | |
werden – aus Sicherheitsgründen. Erst im Januar wurde die Friedrichstraße | |
wieder für den Autoverkehr gesperrt, nachdem zuvor das Verwaltungsgericht | |
einen Verkehrsversuch gestoppt hatte. Von der Sperrung wäre aber nur die | |
westliche Fahrbahn betroffen, heißt es aus dem Hause von Verkehrssenatorin | |
Bettina Jarasch (Grüne). | |
## Unten Showroom, oben Abhörstation? | |
Was aus dem Gebäude Unter den Linden werden soll, steht noch nicht fest. | |
Gerüchten zufolge soll aber der [7][Huawei-Konzern] überlegen, seine | |
Europa-Zentrale nach Berlin zu verlegen. Auch vom bisher größten Showroom | |
für die Produkte des Konzerns – insbesondere Handys – ist die Rede. Sobald | |
der Verkauf über die Bühne sei, werde die Huawei-Tochter rechtzeitig zu | |
einer Standortkonferenz einladen, versichterte Geisels Sprecher Michael | |
Pallgen. Pläne der [8][Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt], an der Stelle | |
des Stalinbaus das Rokoko-Palais wieder errichten zu lassen, wollte Pallgen | |
nicht kommentieren. | |
Ein Umzug der Huawei-Tochter in die dann ehemalige Russische Botschaft | |
dürfte auch das Bundeskriminalamt auf den Plan rufen. Nach dem Skandal um | |
die Überwachung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch die | |
US-amerikanische Botschaft, heißt es, bestünde nun die Gefahr, dass Peking | |
eine Abhörstation Unter den Linden errichten könnte. | |
1 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Botschaft_in_Berlin | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Unter_den_Linden | |
[3] /Panzer-vor-der-russischen-Botschaft/!5919672 | |
[4] https://germany.mid.ru/de/ | |
[5] https://www.russisches-haus.de/?lang=de | |
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichstra%C3%9Fe | |
[7] https://www.huawei.com/de/ | |
[8] /Stadtumbau-in-Berlin/!5907755 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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