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# taz.de -- Bahnstrecken-Reaktivierung im Norden: Zurück aufs Gleis
> Niedersachsen will stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren. Beim letzten
> Anlauf kam nicht viel heraus, doch jetzt schöpfen Bahnfans neue Hoffnung.
Bild: Über Jahrzehnte sind Teile des Streckennetzes stillgelegt worden, allmä…
Hannover taz | Niedersachsen unternimmt einen neuen Anlauf, alte
Bahnstrecken zu reaktivieren. Am Dienstag traf sich zum ersten Mal der
[1][Lenkungskreis unter der Leitung von Staatssekretär Frank Doods (SPD) im
Wirtschafts- und Verkehrsministerium].
Am Tisch sitzen dabei nicht nur die verkehrspolitischen Sprecher der
Landtagsfraktionen, sondern auch die niedersächsische
Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG), Vertreter der kommunalen
Spitzenverbände, der zuständigen Aufgabenträger, der Fahrgast- und
Umweltverbände.
Es ist allerdings nicht der erste Anlauf in dieser Sache. Schon 2013 hatte
Minister Olaf Lies (SPD) einen solchen Lenkungskreis einberufen. Das
Ergebnis war ernüchternd. Drei Bahnstrecken bestanden die umfängliche
Prüfung, nur zwei davon wurden tatsächlich reaktiviert: eine zwischen
Einbeck-Salzderhelden und Einbeck und eine zwischen Bad Bentheim und
Neuenhaus.
28 Strecken waren damals immerhin in die engere Auswahl gekommen. Mit
dieser Liste soll nun erst einmal weitergearbeitet werden. Gleichzeitig
rief Lies die Kommunen und Aufgabenträger dazu auf, weitere Strecken mit
Reaktivierungspotenzial bis Mitte Mai an die Landesnahverkehrsgesellschaft
zu melden.
## Bedingungen haben sich geändert
Immerhin haben sich in der Zwischenzeit aber ein paar Bedingungen geändert.
Das betrifft vor allem die politische Großwetterlage. In den Jahren der
rot-schwarzen Koalition lag das Thema praktisch brach. Verkehrsminister
Bernd Althusmann (CDU) verwies bevorzugt auf Berlin – schließlich trägt der
Bund bis zu 90 Prozent der Kosten für die Reaktivierung von Bahnstrecken –
sofern sie bestimmten Kriterien entsprechen.
An diesen Kriterien ist in der Zwischenzeit immer wieder geschraubt worden
– [2][Umweltverbände hatten lange kritisiert, dass hier „weiche“
ökologische und soziale Aspekte zu wenig Berücksichtigung fänden] und man
zu sehr auf Kosten-Nutzen-Rechnungen abhebe. Das hat sich in der
Zwischenzeit zumindest ein wenig geändert.
Gleichzeitig ist auch die Einsicht gewachsen, dass schon aus
Klimaschutz-Gründen mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene muss.
Im gesamten Land gibt es Dutzende regionaler Initiativen, die seit Jahren
für die Reaktivierung „ihrer“ Strecken trommeln – und sie zum Teil sogar
mit erheblichem Einsatz, Museumsbahnfahrten und Ähnlichem, in Schuss
halten. Das ist häufig als Partikular-Interesse belächelt worden –
Niedersachsen ist immerhin ein Autobauer- und Autofahrerland. Doch dieser
Wind scheint sich langsam zu drehen.
## Busse sind billiger, Bahnen bewirken mehr
Der Antrag der Grünen für dieses neue Reaktivierungsprogramm wurde im
Landtag im März immerhin einstimmig, quer durch alle Fraktionen,
angenommen. Und auf Bundesebene erhofft man sich mit dem gerade
eingeführten 49-Euro-Ticket eine gestiegene Nachfrage nach öffentlichem
Nahverkehr – nur muss man dann [3][gerade im ländlichen Raum auch ein
entsprechendes Angebot schaffen.]
In Niedersachsen scheiden sich jedoch traditionell die Geister, wenn es
darum geht, wie das am besten zu bewerkstelligen ist. Die Schiene ist
deutlich teurer als der Bus und deshalb nicht in jedem Fall das Mittel der
Wahl, argumentieren vor allem die kommunalen Spitzenverbände.
[4][Die Schiene zieht mehr Fahrgäste an und hat mehr positive Nebeneffekte,
argumentieren die Bahnfans.] Sie verweisen darauf, dass bei zahlreichen
reaktivierten Strecken die Fahrgastzahlen am Ende höher waren als
prognostiziert. Außerdem, darauf verweist etwa der Sozialverband (SoVD) in
Niedersachsen, seien Züge in der Regel barrierefreier als Busse. Und die
Strecken sind auch für den Güterverkehr nutzbar.
Man müsse überhaupt die Netzwerkeffekte viel stärker berücksichtigen, sagt
Hans-Christian Friedrichs vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Natürlich
brauchen wir für die Feinverteilung auf die Dörfer letztlich andere
Verkehrssysteme, dafür gibt es ja mittlerweile auch viel intelligentere
Lösungen.“
Aber die Anbindung der Mittel- und Unterzentren müsse doch eine viel
größere Rolle spielen. Der Nutzen für Pendler, die lokale Wirtschaft, den
Tourismus, aber auch die Weiterreise im überregionalen Bahnnetz werde
chronisch unterschätzt, glaubt Friedrichs.
## Wie viele Strecken es am Ende werden ist völlig offen
Wie viele Strecken am Ende reaktiviert werden, wagt er allerdings auch
nicht vorherzusagen. Möglicherweise sind jetzt die Landkreise im Vorteil,
die sich von der eher verhaltenen Förderung durch das Verkehrsministerium
nicht haben beirren lassen und schon eigene Gutachten in die Wege geleitet
haben – wie für die Strecke zwischen Lüneburg und Soltau. Auch die Strecke
zwischen Stade und Bremen wäre schnell reaktivierbar.
Der Fahrgastverband Pro Bahn nannte dem NDR noch andere Favoriten: die
Strecke Aurich–Abelitz, wo schon die Güterzüge des Windkraftanlagenbauers
Enercon unterwegs sind, oder die Strecken zwischen
Nordenham-Blexen–Nordenham oder Friesoythe–Cloppenburg.
Der Verband hatte schon im März gefordert, man müsse mindestens eine
Strecke pro Jahr reaktivieren. Auch Wolfgang Konukiewitz vom
Nahverkehrsbündnis Niedersachsen hofft, dass dieses Mal deutlich mehr
Strecken tatsächlich reaktiviert werden als beim letzten Mal.
Minister Lies lässt sich natürlich auf keinen Fall so frühzeitig auf
irgendeine Zielgröße festnageln. Es solle ein möglichst transparentes und
ergebnisoffenes Verfahren geben und er sei „äußerst zuversichtlich, dass
wir am Ende im Sinne der Mobilitätswende zusätzliche Bahnstrecken haben,
die wir wieder an den Start bringen werden können“.
14 Apr 2023
## LINKS
[1] https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/le…
[2] /Zugverbindungen-auf-dem-Land/!5791066
[3] /Zugverbindungen-auf-dem-Land/!5791067
[4] /Pro-Bahn-Sprecher-ueber-Niedersachsen/!5881507
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Niedersachsen
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Dietmar Woidke
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