| # taz.de -- Investor bei Hertha BSC: Der Fluch des schnellen Geldes | |
| > Hertha BSC hat einen neuen Investor. Damit kann der sportlich | |
| > angeschlagene Bundesligist sogar wieder mal an der Spitze stehen: im | |
| > Trend des Ausverkaufs. | |
| Bild: Besiegelter Pakt: Hertha-Chef Kay Bernstein (links) und Josh Wander von 7… | |
| Es ist eine Eigenheit des Fußballs, dass er Erzählungen rascher ungültig | |
| macht als das gewöhnliche Leben. Für den Weg [1][vom Demokratiesymbol zum | |
| Demokratieverkäufer] hat Ex-Ultra und Hertha-Präsident Kay Bernstein | |
| bemerkenswert kurz gebraucht. Gerade noch für den Aufbruch durch Volkes | |
| Stimme im Klub gefeiert, hat Hertha nun unter seiner Führung noch mehr | |
| Anteile und Gestaltungsmacht an den mittlerweile schon dritten Investor | |
| verkauft, [2][die US-Private-Equity-Firma] 777 Partners. | |
| „Man muss die Leute mitnehmen“, reagierte Bernstein im paternalistischen | |
| Duktus auf die Fan-Proteste. Und alle werde man eben nicht mitnehmen | |
| können. 777 hält nun 78,8 Prozent der Kapitalanteile an der Hertha BSC GmbH | |
| & Co KGaA und sichert sich damit noch beträchtlich mehr Macht als der sich | |
| trumpesk gebarende Skandal-Vorgänger Lars Windhorst. | |
| Unter anderem platziert 777 zwei Vertreter im jetzt nur noch fünf Personen | |
| umfassenden Aufsichtsrat und sitzt mit zwei Vertretern im Beirat. Hertha | |
| behält nur 25,1 Prozent der stimmberechtigten Aktien; außerdem bleibt gemäß | |
| der 50+1-Regel die Geschäftsführung beim Club. Mögliche zukünftige Gewinne | |
| soll zu einem Großteil „Triple Seven“ einstreichen, damit ist auch die | |
| Zukunft verpfändet. Es ist eine dramatische Abgabe von Spielraum, ein Weg | |
| zurück unrealistisch. | |
| ## Protest der Ostkurve | |
| „Kontrollverlust fürs schnelle Geld – 50+1 nur noch auf dem Papier?!“, so | |
| protestierte jüngst die Ostkurve auf einem Banner. Bernstein muss man | |
| diesen Ausverkauf am wenigsten anlasten, er erbte den finanziellen und | |
| sportlichen Scherbenhaufen seiner Vorgänger. Zugleich illustriert gerade | |
| dieser Druck der Verhältnisse, dass die vorgebliche Demokratie des | |
| deutschen Spitzenfußballs kaum mehr als eine folkloristische Tisch-Deko | |
| ist. | |
| Ob ein Kay Bernstein an der Spitze steht oder wie davor Werner Gegenbauer, | |
| beide sind dem sportlichen Erfolg der Ersten Herren verpflichtet und | |
| verkaufen dafür jederzeit das Tafelsilber. Die Mitglieder haben keinerlei | |
| Einfluss auf die grundlegende Ausrichtung ihres Klubs. Allzu lange werden | |
| die Unzufriedenen ohnehin nicht böse sein, denn nach den irren | |
| Windhorst-Jahren sehnen sich viele geradezu nach einem seriösen Retter. | |
| „Die Entscheidung war alternativlos“, so lautet das Mantra der Klubführung; | |
| „die Entscheidung war alternativlos“, so lautet unisono das Urteil von | |
| Medien und Experten. | |
| Nach jahrelanger Misswirtschaft, die ihresgleichen sucht, stehen im | |
| laufenden Geschäftsjahr wohl wieder 64 Millionen Euro Verlust für Hertha zu | |
| Buche, sind Hunderte Millionen Euro verbrannt und Verbindlichkeiten von 90 | |
| Millionen Euro bis Jahresende zu bedienen. Die 100 Millionen, die „Triple | |
| Seven“ nun zuschießt, sind also nur eine Art Lebenserhaltungsmaßnahme im | |
| langsamen Niedergang des abstiegsbedrohten Klubs. | |
| Ein endgültiger Absturz bleibt weiter realistisch. Mantras von | |
| Alternativlosigkeit jedoch stimmen nicht erst seit Angela Merkel skeptisch. | |
| Denn Alternativen gibt es, nur sind sie dem aktuellen Fußball | |
| unvorstellbar. Laut DFL-Wirtschaftsbericht 2022 stehen in der | |
| Männer-Bundesliga den Einnahmen der Klubs von 3,47 Milliarden Euro | |
| atemberaubende Ausgaben von 3,7 Milliarden Euro gegenüber, der Löwenanteil | |
| davon für das sogenannte „Personal Spielbetrieb“ (1,5 Milliarden) und | |
| Transfers (gut 800 Millionen). | |
| Männerfußball an der Spitze ist ein Verlustgeschäft. Vor der Pandemie | |
| erwirtschafteten die Klubs zwar mehrheitlich ein Plus, aber auch da | |
| verschlingen die horrenden Personalkosten, die auch Hertha plagen, fast | |
| alle Einnahmen. Es braucht endlich eine Deckelung der Gelder, statt das | |
| eigentlich unrentable System durch Private-Equity-Konzerne am Laufen zu | |
| halten. Das will nur niemand. Und schließlich demonstriert Stadtrivale | |
| Union, dass es sich entgegen Herthas altem Spruch – Investoren seien | |
| alternativlos, weil es in Berlin zu wenig starke Unternehmen gebe – mit | |
| halbwegs seriösem Wirtschaften doch recht viel machen lässt. | |
| Diesen selbstbestimmten Weg allerdings hat sich Hertha verbaut, denn wer | |
| einmal so enorme Anteile verkauft hat, muss, sofern er sie nicht | |
| zurückkaufen kann, eben immer an den nächsten verscherbeln. | |
| ## Ausverkauf im Trend | |
| In einer Ironie des Schicksals wird die gestürzte Hertha vielleicht doch | |
| noch Vorreiterin, zumindest im Trend des Ausverkaufs. 777-Vorstandschef | |
| Josh Wander hat bei der Präsentation gesagt, 2023 habe man in Europa | |
| verstanden, dass Fußballklubs „nicht wie Vereine, sondern wie ein Business | |
| geführt“ werden müssten. Übersetzt: Rendite für Private Equity statt | |
| Sehnsucht nach Pokalen. Mehr Geld für Investoren, weniger für Spieler und | |
| Berater. Und im Zweifel sind Bilanzen wichtiger als Platzierungen. Das | |
| Vorbild US-Franchise. | |
| Für die Ethik dieses Business bedeutet das freilich bloß: Es profitieren | |
| noch reichere Reiche statt der bisherigen Reichen. Solange Fans sich am | |
| Ende vorwiegend dafür interessieren, ob ihr Klub absteigt oder nicht, wird | |
| sich an dieser Dynamik nichts ändern. Die wirkliche Tragödie am Sturz von | |
| Hertha BSC ist nicht ein möglicher Abstieg. Der wäre nach der drastischen | |
| Inkompetenz der Vergangenheit längst überfällig. Sondern die Tatsache, dass | |
| Fans und Beobachter:innen so bereitwillig an Alternativlosigkeit | |
| glauben. | |
| 18 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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