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# taz.de -- Nach dem Derby Hertha vs. Union: Drama, Komödie? Berlin kann alles
> Nach der 0:2-Niederlage feuert Hertha Sportdirektor Fredi Bobic. Ihm
> folgt der Nachwuchsexperte Benjamin Weber. Trainer Sandro Schwarz soll
> bleiben.
Bild: Fredi Bobic (l.) an seinem letzten Arbeitstag
Berlin taz | Es gäbe allen Grund nach diesem Derby, sich zumindest ein
wenig mit dem Sieger Union Berlin zu befassen. Warum kann dieser
Emporkömmling aus Köpenick selbst mit mäßiger Vorstellung nicht nur Hertha
zum fünften Mal in Serie bezwingen, sondern auch noch dem FC Bayern bis auf
einen Punkt auf den Pelz zu rücken. Verrückt, Union, dem eigenen
Verständnis nach heißer Abstiegskandidat, ist Anwärter auf die Champions
League.
All das zählt jedoch nichts, wenn der Stadtrivale seine Qualitäten
ausspielt. Mit Fußball haben diese beim Tabellenvorletzten eher weniger zu
tun, aber [1][Hertha] konnte immer schon Drama. Knapp drei Stunden nach der
0:2-Niederlage gegen Union versendete der Verein zur allgemeinen
Überraschung eine Pressemitteilung. „Fredi Bobic ist ab sofort nicht mehr
Geschäftsführer Sport bei Hertha BSC“, lautete der erste Satz. Der Vorstand
und der Aufsichtsrat hätten das einstimmig beschlossen. Von da an drehte
sich der Diskurs nach dem Derby nur um die alte Dame. Hertha ist und bleibt
die große [2][Unterhaltungsmaschine] der Liga. Klinsmann-Tagebücher,
Magath-Gastspiel, Investor Windhorst, die Spionageaffäre, etliches mehr –
und nun der Bobic-Rauswurf.
Am Sonntagmittag lieferte der ehemalige Ultra und amtierende
Vereinspräsident Kay Bernstein – auch das eine tolle Geschichte – die
Erklärung nach. Schon nach der Niederlage gegen Wolfsburg habe man sich im
Präsidium für einen strategischen Kurswechsel entschieden. Bernstein sagte:
„Wir brauchen mehr Hertha-DNA.“ Das müsse im Brennen für den Verein spür…
sein. Das wäre ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen. Dass Bobic,
wie berichtet wurde, seinen Vertrag im Februar von sich aus um zwei weitere
Jahre hätte verlängern können, sei nur ein Faktor von mehreren gewesen.
Mitgespielt hätte bei den Überlegungen die sportliche und wirtschaftliche
Lage. Bobic zählt zu den bestbezahlten Managern der Bundesliga. Sowohl
Bobic als auch Trainer Sandro Schwarz, die bis zuletzt eng
zusammenarbeiteten, waren überrascht von dem Entschluss, wie Bernstein auf
Nachfrage berichtete. Er versicherte aber dem Trainer hundertprozentige
Rückendeckung des Vereins.
Von nun an soll Benjamin Weber, der acht Jahre lang bis 2022 die
Nachwuchsakademie von Hertha geleitet hat, den Job von Bobic übernehmen.
Der ehemalige Hertha-Profi Andreas Neuendorf soll ihn als Bindeglied zum
Profiteam unterstützen. Bernstein erklärte, dass die Sport-Investmentgruppe
„777 Partners“, welche die Anteile des Investors Lars Windhorst übernehmen
soll, den Kurswechsel unterstütze und vorab über die anstehende
Entscheidung informiert worden sei.
Es war ein Vorgang, der humoristische Elemente aufweist. Neben Drama kann
Hertha nämlich auch Komödie. Nach Abpfiff noch hatte Bobic am Samstag zum
wiederholten Male Trainer Schwarz eine Jobgarantie ausgesprochen, ehe er
dann selbst seinen Job verlor. Den deutschen Fußball sollte Fredi Bobic
nach der verpatzten WM in Katar eigentlich retten, was gerüchtehalber an
den Ablöseforderungen von Hertha BSC scheiterte. Nun muss der Verein eine
Abfindung bezahlen. Und der DFB hat mittlerweile Rentner Rudi Völler
aktiviert, derweil Bobic nicht einmal zugetraut wird, den Absturz eines
Erstligisten in die Zweitklassigkeit zu verhindern.
Was sich grotesk anhört, mag der Verzweiflung geschuldet sein, die den DFB
und die Hertha verbindet. Die anderthalbjährige Schaffenszeit des
51-Jährigen ist von großer Unruhe geprägt. Vor Saisonbeginn hat Bobic mit
Sandro Schwarz bereits seinen vierten Hertha-Trainer eingestellt. Mit dem
Abstieg wolle man nichts mehr zu tun haben, verkündete Bobic beim
Amtsantritt im Sommer 2021 und hatte dann ausschließlich damit zu tun. Die
von Hertha bereits in den Sand gesetzten 375 Millionen Euro von Investor
Lars Windhorst und die Pandemiefolgen engten den Spielraum des
Geschäftsführers zwar ein, aber die Hoffnung, er könne mit geschickter
Transferpolitik wie bei Eintracht Frankfurt neue Werte schaffen, erfüllte
sich nicht. Zwar erzielte er durch zahlreiche Verkäufe im Sommer zuletzt
einen Transfererlös von knapp 25 Millionen Euro. Die Ausgaben für die
Neuzugänge, wie etwa die 4 Millionen Euro für Stürmer Wilfried Kanga
machten sich aber nicht bezahlt.
Wie groß der sportliche Substanzverlust ist, den Hertha in den letzten
Jahren erlitten hat, konnte man am Samstag gut beobachten. Die
Durchschlagskraft in den offensiven Reihen reichte lediglich dafür aus,
Union-Torhüter Frederik Rönnow ein wenig in Bewegung zu halten. Sein
Gegenüber Oliver Christensen stand zwar nicht öfter im Blickpunkt, musste
aber zweimal hinter sich greifen. „Das ist der Grund, warum Union Zweiter
ist und wir Vorletzter“, analysierte Christensen. Nach den zuletzt
desolaten Auftritten gegen Bochum (1:3) und Wolfsburg (0:5) stimmte
zumindest die defensive Organisation und die Intensität der
Zweikampfführung. Doch damit schleicht sich wieder das trügerische
Hertha-Gefühl der Vorrunde ein, dass eigentlich nur die Tore fehlten, um
erfolgreicher zu sein. Ja, wenn es weiter nichts ist. Vielleicht klappt es
ja mit mehr Hertha-DNA.
29 Jan 2023
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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