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# taz.de -- Hertha BSC und Union Berlin: Der Fluch der alten Dame
> Braucht Berlin die Hertha noch? Oder geht der vermeintliche Big-City-Club
> bald den Weg aller Faxgeräte?
Bild: Zusammenhalt ist auch nicht alles: Die Hertha auf dem Spielfeld
Hertha BSC muss an diesem Samstag zur Eintracht nach Frankfurt reisen,
während der 1. FC Union in Köpenick mitmachen darf, wenn die Profifußballer
des FSV Mainz sich um wenigstens einen Punkt bemühen. Schon seit einer
Weile kann sich der über Jahrzehnte wichtigste und größte Fußballklub
dieser Stadt, Hertha BSC, nur noch mit Hängen, Relegation und Würgen da
oben halten.
Was Erfolg und Bedeutung angeht – und bald wohl auch die Sympathien -,
steckt die, wie sie in der bekloppten Sprache des Fußballs genannt wird,
„alte Dame“ [1][in einem sehr langen Abstiegskampf]. Der Klub droht schon
jetzt das Faxgerät des deutschen Fußballs zu werden. Weitgehend
überflüssig, aber wenn man doch mal damit zu tun hat, macht es nur
Kriiiietschgrrrkokkriietsch.
Dabei hat Hertha in der Fußballgeschichte etliche berlinerische
Herausforderer bezwungen: Tasmania, Tennis Borussia, Blau-Weiß 90. Alle
drei wirkten zu Westberliner Zeiten, das ist die eine Besonderheit, und,
sieht man von Tasmania ab, waren sie Vertreter bürgerlicher Milieus aus dem
Westend und Mariendorf.
[2][Tasmania ist deswegen untypisch], weil die Neuköllner ihr einjähriges
Bundesligagastspiel 1965/66 nur dem Umstand verdanken, dass Hertha wegen
versuchter Spielmanipulation gerade rausgeflogen war und die Regel galt,
dass immer ein Berliner Verein in der Bundesliga sein müsse, um die
Anbindung Westberlins an die Bonner Republik zu demonstrieren.
Für die Ambitionen von TeBe und Blau-Weiß 90 hingegen gilt das, was in fast
allen Großstädten gilt, auch ohne Mauer und Berlinzulage: Es gibt die
Konkurrenz zwischen eher bürgerlichen und eher proletarischen Fußballklubs;
man sieht es an „HSV vs. St. Pauli“ oder „Bayern vs. 1860“.
## Proletarische Wurzeln
Von TeBe und Blau-Weiß, den bürgerlichen Herausforderern Herthas über die
Macht an der Spree, unterscheidet sich Union sehr deutlich. [3][Union kommt
aus dem Osten] und hat mit bürgerlicher Provenienz nüscht zu tun. Union hat
seine Wurzeln im proletarischen Oberschöneweide und Hertha seine im
Wedding. Kein Zufall, dass in den Mauerjahren eine eiserne Freundschaft
zwischen Hertha und Union beschworen wurde.
Zur Herkunft aus der Arbeiterklasse gesellt sich in beiden Fällen der Ruf
des Skandalklubs. Bei Hertha wurden mehr als einmal in der Geschichte
Gelder veruntreut, Spiele manipuliert, und 1965 ließ der
Hertha-Schatzmeister, im Hauptberuf Bestattungsunternehmer, an der Steuer
vorbei 55.000 illegale Eintrittskarten drucken, die er in einem Sarg
verstaute. Allerdings muss sich Union mit seiner gefälschten Bankbürgschaft
da nicht verstecken. Die faxte der Klub 1993 an den DFB, um ausgerechnet so
seine Solidität für die Zweite Liga nachzuweisen.
Doch gerade die Ähnlichkeit der beiden ist es, die ihr Nebeneinander so
schwierig macht. Jede Großstadt braucht einen Klub, der die Mehrheit der
Menschen begeistert und zugleich mit solchen Skandalen für große
Geschichten sorgt. Aber eben nur einen Klub, nicht zwei. Je mehr Berlin
sozial und kulturell eine Stadt wird, desto weniger braucht’s Hertha. Die
einzige Chance der „alten Dame“ dürfte sein: noch mehr „Big City Club“,
viel absurdere Verpflichtungen, als Union sie je bieten könnte. Dann bleibt
Berlin doch Berlin.
4 Feb 2023
## LINKS
[1] /Nach-dem-Derby-Hertha-vs-Union/!5909160
[2] /Tasmania-Fan-ueber-Schalkes-Talfahrt/!5738642
[3] /Weltfussball-bei-Union-Berlin/!5909494
## AUTOREN
Martin Krauss
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