# taz.de -- Beliebter Absteiger Hertha BSC: Nur nach Hause … | |
> Hertha stürzt ab und feiert zugleich einen Zuschauerrekord. Der Klub ist | |
> so populär wie noch nie. Denn Misserfolg ist identitätsstiftend für den | |
> Verein. | |
Bild: Ein Bild des Jammers: Stevan Jovetic betrauert den Abstieg von Hertha | |
Glückwunsch, Hertha! Der Verein ist so attraktiv wie noch nie! Die Zahlen | |
belegen es Blau auf Weiß. Noch nie kamen innerhalb einer Saison so viele | |
Zuschauer ins Olympiastadion. Dass die Vermeldung dieses Rekords just auf | |
den Tag fiel, als Hertha sich tränenreich aus der Ersten Bundesliga | |
verabschiedete, mag unbedarfte Beobachter verwundern. Doch dieser Verein | |
lebt wie nur sehr wenige vom Widerspruch. | |
Aktuell gibt sich die Klubführung nach dem verbrannten Investorenmillionen | |
von Lars Windhorst geläutert, entwirft schöne lokale Visionen vom Berliner | |
Weg mit eigenen Talenten, während zeitgleich die Deutsche Fußball Liga | |
prüft, [1][ob die große Abhängigkeit vom neuen Investor], einem Global | |
Player mit Renditeerwartung, überhaupt noch mit der 50+1-Regel zu | |
vereinbaren ist. | |
Unklar ist, ob der Absturz der Hertha vielleicht noch weiter nach unten | |
reicht. Und so sind am Wochenende bereits düstere Nachrufe auf die Hertha | |
verfasst worden. | |
Die Lage ist prekär, doch Hertha ist mehr denn je bei sich. In diesem | |
Verein waren Misserfolge sowieso immer identitätsstiftender als Erfolge. Es | |
ist eine Art Stockholm-Syndrom, wie man es [2][auch auf Schalke] oder in | |
Stuttgart derzeit beobachten kann. Je größer die Zumutungen von | |
Vereinsseite ausfallen, desto größer ist der Zusammenhalt und der Trotz der | |
Fans. Durchstandene Martyrien erhöhen das Selbstwertgefühl in der Kurve. | |
Das kann eine ungemeine Wucht entfalten. Und bei Hertha gibt es nun die | |
volle Dröhnung. | |
## Kunst des Entertainments | |
Aber vermutlich wird das nächste Martyrium völlig anders ausfallen, als | |
viele es sich jetzt ausmalen. Denn zur Tradition von Hertha gehört die | |
Unberechenbarkeit. Irgendein Fantast mit Geld und Champions-League-Visionen | |
oder ein neuer Skandal mit irgendwelchen Geheimdiensten kann in Kürze alle | |
Pläne der neuen Bescheidenheit wieder auf den Kopf stellen. Schon für diese | |
hohe Kunst des Entertainments muss man diesen Verein lieben ([3][„HaHoHe | |
Euer Jürgen“]). | |
Bleibt nur die Frage, was das eigentlich für eine Hertha-Saison war, als | |
der bis Samstag gültige Zuschauerrekord aufgestellt wurde. Die | |
Fast-Meistersaison unter Trainer Lucien Favre mit Marko Pantelic, Arne | |
Friedrich und Pal Dardai, als der Verein allerlei Bemühungen anstellte, um | |
mit dem sportlichen Erfolgsschwung auch das junge, hippe, feierfreudige | |
Milieu in der Stadt mitzunehmen? | |
Weit gefehlt. Es war die letzte Abstiegssaison 2011/12, als die Hertha in | |
letzter Verzweiflung den damals 73-jährigen Trainer Otto Rehhagel | |
verpflichtete und in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf scheiterte. | |
21 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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