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# taz.de -- Klinsmann kapituliert: Flucht des Messias
> Jürgen Klinsmann gibt überraschend sein Traineramt bei Hertha BSC auf und
> deutet interne Unstimmigkeiten an. Dem Klub drohen Grabenkämpfe.
Bild: Harte Realität: Visionär Klinsmann schaut lieber in die Zukunft als auf…
Die große Show dauerte 76 Tage an. Viel Raum nimmt die Amtszeit von Trainer
Jürgen Klinsmann in der fast 118-jährigen Geschichte von Hertha BSC Berlin
wahrlich nicht ein. Aber das knappe Kapitel, das er hier geschrieben hat,
so viel lässt sich bereits jetzt sagen, wird unvergessen bleiben.
Ende November letzten Jahres kam er aus Los Angeles eingeflogen. Es drängte
sich damals der Eindruck auf, der lang ersehnte Erlöser sei da beim
Viertletzten der Fußball-Bundesliga gelandet. Die Überraschung war so groß
wie das Entzücken. [1][Manager Michael Preetz schwärmte] schon mit seinen
ersten Worten von der Strahlkraft des Weltmeisters von 1990. Neun Spieltage
später ist Klinsmann abgetreten, wie er gekommen ist: völlig überraschend.
Und mittlerweile dürfte es gar einige Hertha-Fans geben, die das nach den
letzten Auftritten des Teams auch als Erlösung empfinden.
Ohne Abstimmung mit dem Verein setzte der 55-Jährige via Facebook die
Öffentlichkeit von seinem Rückzug bei Hertha in Kenntnis. Unstimmigkeiten
im Verein haben offenbar den Ausschlag gegeben. Klinsmann schrieb: „Als
Cheftrainer benötige ich allerdings für diese Aufgabe […] auch das
Vertrauen der handelnden Personen. Gerade im Abstiegskampf sind Einheit,
Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten
Elemente. Sind die nicht garantiert, kann ich mein Potenzial als Trainer
nicht ausschöpfen und kann meiner Verantwortung somit auch nicht gerecht
werden.“
Michael Preetz zeigte sich am Dienstag völlig perplex: „Insbesondere nach
der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen
in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür
keinerlei Anzeichen.“
## „Größenwahnsinnige Ziele“
[2][Über 80 Millionen Euro] gab Hertha unter der Regie von Klinsmann und
mit der großzügigen Unterstützung von Investor Lars Windhorst in der
Winterpause aus. So viel wie weltweit kein anderer Klub. Schon bei seinem
Amtsantritt verblüffte Klinsmann, der eigentlich nur den Übergang bis zum
Sommer gestalten sollte, mit seinen weitreichenden Personalumbau im Verein.
Er trat mit einem vielköpfigen Betreuerstab an und pflegte mit
eigenwilligen Entscheidungen seinen Ruf als großer Macher und Visionär.
Andreas Köpke, der Torhütertrainer des DFB-Nationalteams, wurde für einen
Monat angestellt, als erster Performance Manager der Bundesligageschichte
wurde der ehemalige Hertha-Spieler Arne Friedrich vorgestellt. Was die ihm
zugedachte Aufgabe sein soll, weiß bis heute keiner genau. Spuren hat er
bislang nur mit dem Satz hinterlassen: „Wir wollen uns größenwahnsinnige
Ziele setzen.“
Klinsmann erklärte mitten im Abstiegskampf, der Verein wolle in drei bis
fünf Jahren um die Meisterschaft mitspielen und einen
Champions-League-Platz erreichen.
Das Missverhältnis zwischen dem behaupteten Möglichen und dem Realen war
das Grundproblem in der Ära Klinsmann. Während er seinem Team die totale
Defensive verordnete und die Spiele entsprechend grau und öde wirkten,
fabulierte er farbig und blumig von der großen Zukunft. Er fühlte sich der
Idee des Big-City-Clubs bis zuletzt verpflichtet. Für viele Stadionbesucher
war das nicht mehr als eine Lachnummer.
Die erst jetzt zutage tretenden Unstimmigkeiten im Verein erstaunen wenig.
Nachdem Manager Preetz jahrelange eine Kultur der Demut und Bescheidenheit
mit der Rückendeckung von Präsident Werner Gegenbauer zu etablieren
versuchte, verkörperten die Fantastereien von Klinsmann und Investor
Windhorst das genaue Gegenteil. Klinsmann kündigte an, sich wieder auf
seine Aufgabe als Aufsichtsratsmitglied zu konzentrieren. Das macht ihn
nicht nur weniger angreifbar, er kann nun auch viel besser bei den
angedeuteten Grabenkämpfen angreifen. Für Michael Preetz ist das keine gute
Nachricht. Vorerst wird Alexander Nouri den Posten des Cheftrainers
übernehmen.
Der Berufsoptimist Klinsmann hat eh stets gut lachen. Sein Abschied via
Facebook endete volkstümlich herthanisch: „Hahohe Euer Jürgen“
11 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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