# taz.de -- Fußballklub in Investorenhand: Deckungsgleich irre | |
> Elf Wochen lang hat Jürgen Klinsmann Hertha BSC aufgemischt. Jetzt ist er | |
> weg. Große Töne werden in Berlin immer noch gespuckt. | |
Bild: Schon wieder weg: Hertha BSC muss jetzt ohne Jürgen Klinsmann auskommen | |
Viel ist ja nicht los rund um das Olympiastadion an so einem stinknormalen | |
Donnerstag. Auf der riesigen Freifläche vor der Arena mit dem | |
30er-Jahre-Charme üben ein paar Männer das Rangieren mit riesigen Lkws, um | |
sich auf die Fahrprüfung vorzubereiten. Den Schildern, auf denen die | |
Aussicht vom Glockenturm am Stadion gepriesen wird, folgt kein Mensch. | |
Ein paar Hundert Meter entfernt vom Stadion steht ein älterer Herr in | |
Security-Outfit an einer Schranke und sagt unmissverständlich: „Draußen | |
parken, zu Fuß reingehen!“ „Wir sind vom ZDF“, sagt ein Mann, dem das gar | |
nicht gefällt. „Wir wollen zur Hertha-Pressekonfernz.“ Der Mann an der | |
Schranke bleibt hart: „Draußen parken!“ Man ist in Berlin. | |
Der Stadt gehört die Zukunft. Davon scheint man hier, tief im Westen der | |
Stadt, felsenfest überzeugt zu sein. „Berlin gehört die Zukunft.“ Das Mot… | |
von Hertha BSC für diese Bundesligasaison ist im Olympiapark nicht zu | |
übersehen. Hier hat Hertha BSC seine Trainingsplätze, hier ist die | |
Geschäftsstelle beheimatet, und hier ist auch der Raum der Pressekonferenz, | |
in den es nicht nur den Mann vom ZDF an diesem Donnerstag zieht. | |
Der Tabellenführer hatte geladen. Der führende Verein nicht nur | |
Deutschlands, nicht allein Europas, nein, der der ganzen Welt wollte | |
klarstellen, dass es auch ein Leben ohne Jürgen Klinsmann gibt, ohne den | |
Trainer, der zwei Tage zuvor Schluss gemacht hatte, einfach abgehauen war, | |
ohne so richtig „Tschüs“ zu sagen. Moment, Tabellenführer? Doch, das stim… | |
schon. Irgendwie jedenfalls. Lars Windhorst, jener Finanzinvestor, der für | |
225 Millionen Euro Anteile an Hertha BSC gekauft hatte, verwies voll Stolz | |
auf die Aktivitäten des Klubs auf dem Transfermarkt. Über 75 Millionen Euro | |
hat der Klub in neue Spieler investiert, so viel wie kein anderer. Platz | |
eins – weltweit. | |
## Herthas neuer Mittelpunkt | |
Windhorst war der gefragteste Mann an diesem Tag nach dem Klinsmann-Schock. | |
Er ist der neue Mittelpunkt bei Hertha BSC. Bei der Pressekonferenz im | |
völlig überfüllten Kämmerchen, das normalerweise mehr als ausreicht, wenn | |
Hertha die Medien ruft, wurde der Inhaber des Virus Sars-CoV-2 in die | |
Mitte des Podiums platziert. | |
Links neben ihm saß Werner Gegenbauer, der Präsident des eingetragenen | |
Vereins Hertha BSC, rechts von ihm der für die sportlichen Belange | |
zuständige Geschäftsführer des Klubs, Michael Preetz. Staffage. Es war der | |
offizielle Abschluss des jäh zu Ende gegangenen Interregnums von Jürgen | |
Klinsmann. | |
Der hatte sich mit seinem für alle überraschenden via Facebook verkündeten | |
Abgang derart unmöglich gemacht, dass den drei Versammelten gar nichts | |
anderes übrig blieb, als ihn zu einer Art Persona non grata bei Hertha zu | |
erklären. Lars Windhorst schwärmte zwar noch einmal von der Strahlkraft | |
Klinsmanns, der auch das Interesse von Sponsoren geweckt habe, aber so, wie | |
es der sogenannnte Sommermärchenmacher gemacht habe, mache man es eben | |
einfach nicht. Basta! | |
Sportlich hat [1][Klinsmann] nicht allzu viel bewegt in den elf Wochen, die | |
er in Berlin war. Aber für eines hat er gesorgt. Hertha BSC war in aller | |
Munde. Über Klinsmann gab es immer etwas zu erzählen, und auch wenn es noch | |
so irrelevant für die Entwicklung Herthas zum „Big City Club“ (Lars | |
Windhorst) war, es wurde berichtet. So weiß man, dass es jedes Jahr zu | |
Weihnachten bei Klinsmanns Spätzle gibt, handgemacht von seiner Frau | |
Debbie. | |
## Wird Hertha wieder grau? | |
Klinsi war allgegenwärtig in seiner Berliner Zeit. Irgendwie hat er es | |
geschafft, sein Image als Erneuerer, der er zweifellos war, als er 2004 ein | |
heruntergekommenes DFB-Team übernahm, über die Jahre zu konservieren. Dass | |
er als Trainer beim FC Bayern früh gescheitert ist und auch als Coach des | |
US-Nationalteams gefeuert wurde, hätte man wissen können. | |
Klinsmann hat dem Klub dennoch geholfen, indem er einen regelrechten | |
[2][Hype um Hertha] ausgelöst hat. So etwas hat es noch nie gegeben in der | |
Hauptstadt. Und jetzt? Wird jetzt alles wieder so wie früher? Wird Herthas | |
Image wieder so grau wie die Sitzschalen im meistens viel zu großen | |
Olympiastadion? Nicht doch! Was Jürgen Klinsmann versprochen hat, soll | |
weiter gelten. In der nächsten Saison will Hertha in die Europa League, | |
danach soll es in die Champions League gegen. Er habe ja nicht in Hertha | |
investiert, damit der Klub so bleibt, wie er ist, machte Lars Windhorst | |
klar. | |
Und so war es an Michael Preetz, der passend zu den Erfolgen seiner | |
Amtszeit einen mausgrauen Pullover trug, anzumerken, dass man mit dem | |
Trainerteam um Alexander Nouri, das Jürgen Klinsmann als Assistenten geholt | |
hat, in die nächsten Spiele gegen direkte Konkurrenten in Abstiegskampf | |
gehen möchte. Schlanke 23 Punkte hat Hertha in dieser Saison bislang | |
geholt, gerade mal 7mehr als der Tabellenletzte aus Paderborn, bei dem die | |
Berliner am Samstag antreten müssen. | |
Doch von diesen Niederungen will so recht niemand bei Hertha reden. Der | |
Klub nimmt also noch einmal Anlauf. Windhorst, der unmissverständlich | |
klarmachte, dass der Sitz im Aufsichtsrat des Klubs, den er im Sommer an | |
Jürgen Klinsmann vergeben hat, neu besetzt wird, ließ keinen Zweifel daran, | |
dass er Nouri für eine Nummer zu klein hält. Ein neuer Trainer müsse schon | |
zu den Zielen des Klubs passen. Es war der Investor, der die Ansagen | |
gemacht hat. | |
Wer den Auftritt des 43-jährigen Geldjongleurs, der ostentativ eine | |
Anstecknadel mit dem Hertha-Logo am Revers seines Anzugs trug, verfolgt | |
hat, konnte ahnen, was da auf den Klub zukommt. Der hat nach allen Regeln, | |
die sich der deutsche Profifußball gegeben hat, eigentlich immer das Sagen | |
– egal wie viel ein Investor in den Klub steckt. Wenn der Verein nur sagt, | |
was der Investor will, dann ist das auch nach der 50+1-Regel kein Problem. | |
Auch deshalb fiel ein Satz an diesem Donnerstag besonders oft: „Da sind wir | |
uns einig.“ | |
Und wenn man sich mal nicht einig sein sollte? „Vollkommen deckungsgleich“ | |
sei man, was die Ziele und Methoden betreffe, meinte Vereinspräsident | |
Gegenbauer. Nur das Tempo habe man sich anders vorgestellt. Da konnte | |
Windhorst den Präsidenten beruhigen. „Ich gehe fest davon aus, dass wir | |
hier weit über zehn Jahre engagiert bleiben, das kann auch 20 oder 30 Jahre | |
sein.“ 30 Jahre? Windhorst ist dann 73, Gegenbauer 99. | |
14 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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