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# taz.de -- Dárdai und Hertha BSC: Ein Anfang ohne Zauber
> Herthas routinierter Retter Pál Dárdai erlebt beim Debüt beim 2:4 gegen
> Bremen ein Team, das wie sediert spielt. Diesmal scheint die Aufgabe
> immens.
Bild: Was soll er machen? „Ich bin kein Zauberer“, erinnert Pál Dárdai
Berlin taz | Pál Dárdai lässt sich nicht so schnell schrecken. Denn
eigentlich hat er – das erzählt er gern – im Profifußball schon fast alles
zigmal erlebt. So sprach er am Samstagabend von diesem ewigen Kreislauf der
Trainerwechsel, der ein Team nach einer Neuanstellung meist befreit
aufspielen lasse. „Irgendwann sind sie müde vom neuen Trainer, Trainer wird
rausgeschmissen, kommt neuer Trainer. Das ist normal. Das habe ich als
Spieler hundertmal erlebt.“
Als er aber vergangenen Montag bei der Hertha bereits zum dritten Mal
[1][seine Arbeit als neuer Trainer aufgenommen] hat, war alles anders. Er
habe da schon gespürt, berichtete er, dass es große Probleme gebe. Nach der
2:4-Heimniederlage gegen Werder Bremen musste er gar feststellen: „Die
mentalen Probleme sind größer als gedacht.“
Die Magie des Neuanfangs im ausverkauften Olympiastadion war schnell dahin.
Lautstark und hoffnungsfroh wurde Dárdai vom Publikum willkommen geheißen,
Dodi Lukebakio heizte in der dritten Minute mit einem Schuss aufs Tor die
Stimmung an, doch nach sechs Minuten, als Werder-Stürmer Marvin Duksch die
Führung erzielte, stellte der Tabellenletzte den Abstiegskampf abrupt ein.
Drei Gegentore später beendeten auch die blau-weißen Fans ihre Mitarbeit.
Lediglich eine einsame Fahne wurde im Block noch geschwenkt.
Das Singen der Hertha-Hymne „Nur nach Hause gehen wir nicht“ übernahmen am
Ende die 20.000 mitgereisten Gästefans. Und den Transparentautoren in der
Ostkurve („Zerreißt euch endlich für Hertha BSC!“) war nun das Mitleid
aller gewiss. Die Bilanz nach dem Spiel: Das Team ist mental [2][derzeit
nicht wettbewerbstauglich], die Geduld des Publikums aufgebraucht. Selbst
Berufspessimisten hätten sich ein solches Szenario zuvor wohl kaum so
düster ausmalen können. Die zwei Berliner Treffer gegen Ende der Partie
heiterten niemanden mehr auf.
## „Das ist eine Kopfsache“
Unter [3][Dárdais Vorgänger Sandro Schwarz] galt lange die Devise, sich von
negativen Erlebnissen nicht verrückt machen zu lassen. Ein
nachvollziehbarer Ansatz, nur wirkt das Team mittlerweile wie sediert. Die
Mitspieler werden offensichtlich nur noch gedämpft wahrgenommen. Statt im
Verbund wird nach eigenem Gutdünken verteidigt, weshalb Ducksch bei seinem
dritten Treffer in aller Ruhe den Ball im Strafraum mit der Brust annehmen
konnte. Bei Bedarf wäre gewiss noch eine Pirouette möglich gewesen. Dazu
kamen individuelle Patzer. Agustin Rogel, der nach der Pause den konfusen
Trainersohn Márton Dárdai gleichwertig ersetzte, leitete mit einem
katastrophalen Pass den vierten Gegentreffer ein.
Über Fußball wollte Pál Dárdai nach dieser Partie gar nicht viel reden.
„Das ist eine Kopfsache“, erklärte er. Zwei Tage Ruhe will er seinen
Spielern jetzt geben. Doktor Dárdai hat eine Blockade im Kopf seiner
Spieler ausgemacht, die in den nächsten Wochen gelöst werden müsse. Die
Auswärtspartie beim ebenfalls unter Druck stehenden FC Bayern München
nächsten Sonntag ist für den Therapieplan vermutlich eher suboptimal.
Zu seinen Hoffnungen in München befragt, erklärte Kevin-Prince Boateng:
„Wir müssen probieren, die Null zu halten.“ Im Abstiegskampf ist
offenkundig Fantasie gefragt. Der 36-Jährige, dessen Kräfte auf dem
Spielfeld nur für begrenzte Aufgaben reichen, übernahm mal wieder die Rolle
des Team-Außenministers, während die Kollegen mit hängenden Schultern in
die Kabine trotteten. Schönreden wollte er die Lage nicht. Es sei gerade
„die schwierigste Zeit“ in seiner Karriere.
## Stets das Gegengift zur Selbstüberschätzung
[4][In seiner langen Hertha-Karriere] war Dárdai als Spieler und später als
Trainer stets das Gegengift gegen die chronische Anfälligkeit des Vereins
zur Selbstüberschätzung. Die Grenzen eigener Möglichkeiten anerkennen und
daraus das Beste zu machen, diese Haltung verkörpert er stets mit einem
leutseligen Charme, was seine Beliebtheitswerte bei den Fans noch weiter
steigerte. Dieses Mal ist die Aufgabe immens. Die Fantastereien der letzten
Jahre mit Investor Lars Windhorst im Rücken und die Pandemie haben dem
Verein schwer geschadet. Die Folgekosten sind erheblich, weil der Verein
auch in seiner Transferpolitik eine unglückliche Figur gemacht hat.
„Ich bin kein Zauberer“, hat Dardai am Samstag noch einmal all jene wissen
lassen, die unverdrossen an die Magie des Trainerwechsels glauben. Dass er
selbst auf allerhöchsten Beistand und Glück angewiesen ist, bekundet er
unentwegt. Aber Dárdai wäre nicht Dárdai, wenn er von der Partie gegen
Bremen nicht auch etwas Positives zu berichten hätte. Nach dem
Schlusspfiff, erzählte er, habe er in der Kabine ein gutes Gespräch mit der
Mannschaft gehabt. Näheres wollte er nicht verraten. Und niedergeschlagen
sei er keineswegs. Nur müde wegen der vielen Gespräche diese Woche.
23 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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