# taz.de -- Reformprozess in der katholischen Kirche: Vorhang zu – oder auf f… | |
> Bei der vorerst letzten Synodalversammlung wurden zwar Reformtexte | |
> verabschiedet. Vielen Mitgliedern gehen sie aber nicht weit genug. | |
Bild: Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft demonstrierten am Rande der Sy… | |
BERLIN taz | Sie meinen es ernst: Mitglieder und Bischöfe wollen | |
Veränderungen für die katholische Kirche. Mit vielen engagierten | |
Diskussionsbeiträgen, zahlreichen Abstimmungen und langen Reformtexten ist | |
in Frankfurt am Main am Samstag [1][die fünfte und damit vorerst letzte | |
Synodalversammlung] der katholischen Kirche zu Ende gegangen. | |
Nicht nur der extra frühe Start in den letzten Versammlungstag, um noch | |
mehr Themen besprechen zu können, zeigte, mit wie viel Hingabe die | |
Lai*innen und Bischöfe in der Synodalversammlung arbeiten. Aber gilt das | |
für alle 210 Delegierten – insbesondere für die 69 Vertreter der Deutschen | |
Bischofskonferenz? | |
Vor drei Jahren ist das Gesprächsformat Synodaler Weg für die Aufarbeitung | |
[2][der sogenannten MHG-Studie] gestartet. Diese legte das Ausmaß der | |
[3][sexualisierten Gewalt] innerhalb der katholischen Kirche offen. | |
Katholische Entscheidungsträger*innen und Kirchenmitglieder sollten | |
gemeinsam an Handlungstexten zur Erneuerung der Kirche arbeiten. | |
Insbesondere die priesterliche Existenz, die Stellung von Frauen in der | |
Kirche und die Mitbestimmung von Lai*innen sollte hinterfragt werden. | |
Doch durch das geltende Kirchenrecht haben Beschlüsse der | |
Synodalversammlung keine Rechtswirkung. Dreieinhalb Jahre Engagement also | |
nur für gutgemeinte Empfehlungen an Bischöfe? | |
## Streit in der Bischofskonferenz | |
Ein Grund, warum die Lai*innen den Synodalen Weg bis zum Ende mit so viel | |
Überzeugung mittrugen, liegt sicher auch an der Person des Vorsitzenden der | |
Deutschen Bischofskonferenz, dem Limburger Bischof Georg Bätzing. Immer | |
wieder bekannte er sich öffentlich zu den angestrebten Reformen in der | |
katholischen Kirche. Er legte sich mit Kritiker*innen des Synodalen | |
Wegs an – auch mit dem Papst. | |
Von den „Blockierern“ in der deutschen Bischofskonferenz wolle er sich | |
nicht aufhalten lassen. Diese Haltung vertrat er mit Nachdruck, als bei der | |
vierten Synodalversammlung im September 2022 der Grundlagentext zur | |
Sexualethik an der [4][fehlenden Zustimmung der konservativen Bischöfe | |
scheiterte]. Bei der Synodalversammlung gelten Texte nur als angenommen, | |
wenn sie eine doppelte Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten – neben zwei Dritteln | |
aller Delegierten müssen auch zwei Drittel der anwesenden Bischöfe | |
zustimmen. | |
Bätzing zog auch nicht zurück als Papst Franziskus einer dauerhaften | |
Nachfolge [5][des Synodalen Wegs eine Absage erteilte]: „Der Heilige Stuhl | |
sieht die Gefahr einer Schwächung des bischöflichen Amtes – ich erlebe | |
synodale Beratung geradezu als eine Stärkung dieses Amtes.“ Seiner Person | |
glaubt man also die aufrichtige Bemühung für Reformen in der katholischen | |
Kirche. Und auch andere Bischöfe zeigen sich progressiv, wollen eine andere | |
Kirche leben. Aber die konservativen Kräfte sind da – und rein rechtlich | |
gesehen haben sie das Machtmonopol weiterhin auf ihrer Seite. | |
## Erpressung durch Bischöfe? | |
Bei einigen Bischöfen wird deutlich, wie wenig sie von der Mitsprache von | |
Lai*innen halten. Ende Februar hatten sie bei der Bischofskonferenz | |
Änderungsanträge gestellt zu Reformtexten, die vor allem von Lai*innen | |
geschrieben wurden. Viele empörten sich deshalb in Frankfurt: Ging das | |
nicht früher? Sollen jetzt nur weichgespülte Kompromisstexte zur Abstimmung | |
kommen? | |
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme | |
Stetter-Karp, kritisierte, dass die Bischöfe die Änderungen nicht in der | |
vorgesehenen Frist einbrachten, wie es alle anderen Delegierten taten. „Die | |
Dynamik in dieser fünften Synodalversammlung war ungesund“, sagte | |
Stetter-Karp in einer Zwischenbilanz am Freitag. „Wie lange wollen sie | |
unsere große Kompromissbereitschaft noch in Anspruch nehmen, liebe | |
Bischöfe? Zuweilen fühlen sich manche von uns erpresst, damit überhaupt was | |
zustande kommt.“ | |
Diese Meinung vertreten auch die jüngeren Mitglieder der | |
Synodalversammlung. Bei einem Instagram-Livetalk am Vorabend der fünften | |
und letzten Synodalversammlung in Frankfurt haben die jungen Synodalen noch | |
gute Laune. Sie freuen sich über die vielen bestärkenden Nachrichten aus | |
ihren Jugendverbänden für ihre Arbeit. Pfadfinderin Viola Kohlberger sagt | |
aber auch: „Ich habe so wenig Hoffnung für den Großteil der bayrischen | |
Bistümer“. Sie selbst kommt aus einer Gemeinde im Bistum Augsburg. Ob die | |
Beschlüsse des Synodalen Wegs auch konsequent umgesetzt werden, bleibt in | |
der Entscheidungsgewalt der Bischöfe vor Ort. | |
## Standing Ovations im Raum | |
Die Versammlung setzt darauf, dass die Gemeinden Druck machen werden: „Es | |
hängen bereits jetzt viele Regenbogenfahnen an den Kirchen. Der Synodale | |
Weg hat Themen besprechbar und diskutierbar gemacht“, sagt Gregor Podschun | |
gegenüber der taz. Der 33-Jährige ist der Vorsitzende des Bunds der | |
Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). „Auch der Streit, der in dem Prozess | |
in der Bischofskonferenz deutlich geworden ist, kann dazu führen, dass | |
Menschen in ihren Gemeinden aufstehen und sagen: So möchte ich nicht mehr | |
Kirche sein“, so Podschun. | |
Am Ende der fünften Synodalversammlung lässt sich sagen: Keiner der stark | |
diskutierten Reformtexte fiel durch. 15 Texte wurden insgesamt von dem | |
Synodalen Weg verabschiedet, darunter auch welche zum Umgang [6][mit | |
Täter*innen sexualisierter Gewal]t. Weitere, unter anderem der zum | |
gemeinsamen Entscheiden in der Kirche, sollen im Synodalen Ausschuss | |
besprochen werden. | |
Insbesondere gab es in Frankfurt große Freude darüber, dass am Samstag ein | |
Text angenommen wurde, der geschlechtliche Vielfalt anerkennt. Darin wird | |
Papst Franziskus gebeten, dafür zu sorgen, dass LGBTQI-Personen in der | |
Kirche unbeschadet leben können. Dafür gab es Standing Ovations im Raum, | |
einige [7][schwenken Regenbogenfahnen]. | |
So euphorisch ging es am Wochenende in der Messehalle aber eher selten zu. | |
Auch der [8][Text für Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare] bekam | |
ein positives Votum. Ein lithurgischer Rahmen soll dafür bis März 2026 | |
erarbeitet werden. Für den BDKJ-Vorsitzenden Podschun war der Text ein | |
starker Kompromiss: „Der Beschluss ist eine Erleichterung für alle | |
Seelsorgenden, die bereits Segnungen für alle machen“. Podschun hofft, dass | |
es nicht nur dabei bleibt: „Dass die Kirche weiterhin homosexuellen Paaren | |
das Eherecht verweigert, bleibt eine Diskriminierung und die gehört | |
beseitigt.“ | |
Podschun hatte sich von der Synodalversammlung erhofft, dass die Reformen | |
nicht länger nur „überprüft“ und weiter „beraten“ werden, sondern kl… | |
Forderungen formuliert werden. Insbesondere wünschte er sich eine Aufhebung | |
des Pflichtzölibats, statt es nur zur überprüfen, wie von Rom nun | |
beschlossen. | |
## Es brauche eine „Eselsgeduld“ | |
Auch ein Text zur Öffnung von sakramentalen Ämtern für Frauen wurde | |
verabschiedet – allerdings nur für das Diakonat, eine Vorstufe des | |
Priesteramtes. Viele Synodale hatten für die Priester*innenweihe für | |
alle plädiert. Stetter-Karp sagte, bei diesem Thema brauche es eine | |
„Eselsgeduld“, damit man Millimeter für Millimeter weiterkomme. Die | |
ZdK-Präsidentin kämpft seit den 80er Jahren für ein Priesterinnenamt. „Ohne | |
Zweifel hätte ich mir mehr gewünscht“, ist ihr Fazit am Samstag. Insgesamt | |
habe der Synodale Weg aber in der katholischen Kirche zu einer neuen | |
Gesprächskultur geführt. | |
In Deutschland soll der synodale Weg weitergehen – auch gegen die | |
Widerstände aus Rom. Bischof Bätzing sieht dafür genug Zustimmung in der | |
Weltkirche. Zum Ende der Syndoalversammlung wurden Mitglieder für den | |
Synodalen Ausschuss gewählt, die die dauerhaften Synodalen Räte vorbereiten | |
sollen. | |
Öffentlich versucht man sich an positiven Bilanzen, auch wenn bei vielen | |
Themen die klare Teilung in die reformbewegten und konservativen Kräften | |
allzu deutlich geworden ist. Auch die Zusammensetzung des Ausschusses sieht | |
nicht gerade nach Reform aus: Die Bischöfe behalten eine | |
Entscheidungsmacht, eine paritätische Besetzung wurde verfehlt und nur fünf | |
der insgesamt 74 Mitglieder sind unter 30. Dabei sind es besonders die | |
jungen Menschen, die Veränderungen einfordern und der Kirche sonst den | |
Rücken kehren. | |
Bewegungen in der katholischen Kirche sind erkennbar, aber sie sind | |
langsam. Für Menschen, die mit der Kirche wenig zu tun haben, muss es | |
deshalb skurril klingen: Mit 90.808 Mitgliedern, die die im Jahr 2022 die | |
katholische Kirche verlassen haben, gibt es ein [9][neues Spitzenjahr der | |
Kirchenaustritte]. Und dann ist da eine Synodalversammlung, die intensiv | |
darüber diskutiert, ob auch eine Frau eine Tauffeier abhalten darf. | |
12 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Letzte-Synodalversammlung-in-Frankfurt/!5921061 | |
[2] https://www.dbk.de/themen/sexualisierte-gewalt-und-praevention/forschung-un… | |
[3] /Studie-zu-Missbrauch-im-Bistum-Essen/!5915325 | |
[4] /Synodale-ueber-Reform-katholischer-Kirche/!5878082 | |
[5] /Reform-der-katholischen-Kirche/!5911756 | |
[6] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5906324 | |
[7] /Ein-Jahr-OutInChurch/!5908186 | |
[8] /Katholikinnen-Treffen-in-Frankfurt/!5921082 | |
[9] /Zukunft-der-Kirchen/!5901340 | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
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