| # taz.de -- Frauenfußballerin aus Kenia in Bremen: Die Ersten in der Kälte | |
| > Migrantische Fußballerinnen kommen in den Pioniererzählungen des | |
| > Frauenfußballs kaum vor. Dabei haben sie wie etwa Doreen Nabwire Großes | |
| > geleistet. | |
| Bild: Doreen Nabwire bei der Auslosung für die Männer-WM 2010 in Südafrika | |
| Doreen Nabwire fällt eine Menge ein, was in Deutschland schlechter ist als | |
| in Kenia. Natürlich zuerst das Wetter. „Obwohl es schneite, mussten wir | |
| spielen und trainieren.“ Dann die Sprachbarriere: „Man konnte sehr gutes | |
| Englisch sprechen und trotzdem haben sie dich gezwungen, ihre Sprache zu | |
| sprechen. Also musste ich sie lernen, das war nicht einfach für mich.“ Und | |
| schließlich das Essen. „Für mich war es anfangs einfach schlecht. Aber | |
| später habe ich mich dran gewöhnt. Und manchmal habe ich in afrikanischen | |
| Läden eingekauft und konnte etwas kochen, das mich an zu Hause erinnert | |
| hat.“ | |
| So frei spricht die woanders eher staatstragend auftretende Ex-Fußballerin | |
| in der kenianischen Sendung „Freshly Cultured – Inspiring Kenya“ über ih… | |
| Zeit bei Werder Bremen. Da sie mit Fußball Geld verdienen wollte, blieb der | |
| Kenianerin Nabwire 2009 nicht viel anderes übrig, als das Bremer Wetter, | |
| Essen und die Unwilligkeit zum Englischsprechen zu ertragen. Doreen Nabwire | |
| war eine der ersten afrikanischen Spitzenfußballerinnen auf dem | |
| europäischen Kontinent und die erste aus Kenia. | |
| Es ist eine dieser Geschichten, die wenig erzählt werden im deutschen | |
| Fußball der Frauen, [1][wo es um Kaffeeservices geht und um deutsche | |
| Pionierinnen], aber abgesehen von der vielzitierten Jamaikanerin Beverly | |
| Ranger kaum je um migrantische Fußballerinnen und deren Erfahrungen. | |
| Nabwires Geschichte hat das Portal [2][Forgotten Heroines] ausgegraben, | |
| das sich um weltweite Historie des weiblichen Fußballs verdient macht. Dass | |
| es bis 2009 dauerte zu Doreen Nabwires Profidebüt, hat nicht nur mit der | |
| späten Professionalisierung in Europa zu tun, sondern auch mit | |
| Unterdrückung vor Ort. | |
| Der Sportwissenschaftler Wycliffe W. Simyu Njororai berichtet, wie die | |
| britischen Kolonisatoren den Ausschluss afrikanischer Frauen zementierten: | |
| Im späten 19. Jahrhundert führten sie Fußball in Kenia an Schulen als | |
| reinen Sport für Jungen ein, während die Mädchen das Basketball-ähnliche | |
| Netball spielen mussten. Diese radikale Trennung blieb auch im unabhängigen | |
| Kenia bestehen, bis in den 1980er-Jahren schließlich diverser Schulsport | |
| für alle eingeführt wurde und so die ersten Frauenfußballteams entstanden. | |
| ## Anfänge mit einer Papierkugel | |
| Doreen Nabwire, Jahrgang 1987, ist ein Kind dieser Revolution. Ihr Weg in | |
| den Profifußball, der die Mittelfeldspielerin zu Werder Bremen, dem | |
| niederländischen PEC Zwolle und dem 1. FC Köln führte, ist ein | |
| Aufstiegsmärchen in jeder Kategorie. Nabwire wuchs in Nairobis berüchtigtem | |
| Armenviertel Mathare auf; ihre ersten Tore schoss sie mit einer | |
| Papierkugel. Obwohl Vater und Brüder Fußball spielten, verwehrte ihr | |
| zunächst vor allem die Mutter das Kicken. Doreen solle lieber zu einer | |
| guten Hausfrau werden. | |
| Erst dank der Sozialorganisation MYSA, die jungen Frauen in Mathare durch | |
| Fußball auf die Füße helfen will, gelang ihr der Sprung in den | |
| Spitzenfußball und ins Nationalteam. Ebenso wie übrigens der jüngeren | |
| Schwester Christine, die ebenfalls kenianische Nationalspielerin wurde. Im | |
| Land des Langstreckenlaufs hat es Fußball weiter schwer, die Liga wird erst | |
| seit 2010 und nur unregelmäßig ausgetragen. Doreen Nabwire will das ändern. | |
| Vielleicht ist es nur logisch, dass die Frau mit dem großen | |
| Sendungsbewusstsein nach ihrer Karriere in die Verbandsarbeit ging. Heute | |
| ist Nabwire beim kenianischen Fußballverband als Direktorin für | |
| Frauenfußball tätig und arbeitet seit 2021 [3][für die Fifa]. Nabwires Bild | |
| vom sozialen Aufstieg ist Fifa-kompatibel. Auch in Armut „kannst du durch | |
| Talent und Potenzial werden, wer du sein möchtest“, versicherte sie zuletzt | |
| bei Future Female Africa. Und ihr Ziel sei es, diese Chance jeder Frau und | |
| jedem Mädchen zu ermöglichen. | |
| Längst hat Nabwire mit „Girls Unlimited“ auch ihre eigene | |
| Sportorganisation. So umtriebig sie in Kenia ist, hierzulande bleibt sie | |
| eine unterbeleuchtete Pionierin. Nicht zuletzt in familienpolitischer | |
| Hinsicht: Schon ein Jahrzehnt vor Almuth Schult spielte Nabwire als Mutter | |
| Profifußball. Ihren einjährigen Sohn ließ sie dafür in Kenia. „Es war eine | |
| schwere Entscheidung, aber ich wusste, dass es zu unserem Besten war, wenn | |
| ich gehe.“ Es war nicht leicht damals in Bremen. | |
| 23 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bundestrainerin-Martina-Voss-Tecklenburg/!5735729 | |
| [2] https://forgotten-heroines.com/ | |
| [3] /Infantino-nach-dem-Fifa-Kongress/!5920536 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Erste Frauen | |
| Frauenfußball | |
| Afrika | |
| GNS | |
| Kolumne Erste Frauen | |
| Kolumne Erste Frauen | |
| Kolumne Erste Frauen | |
| Kolumne Press-Schlag | |
| American Pie | |
| Hamburg | |
| VfL Wolfsburg | |
| DFB Team Frauen | |
| Frauenfußball | |
| Turbine Potsdam | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Mehrfache Pionierin im Eiskunstlauf: Olympische Fahnenträgerin | |
| Die Britin Mollie Phillips trug bei den Olympischen Winterspielen 1932 als | |
| erste Frau die Fahne ins Stadion – und war auch sonst häufiger die Erste. | |
| Fecht-Pionierin in den USA: La Jaguarina und der Fechthype | |
| Gegen Ella Hattan aus den USA hatten auch die männlichen Fechter im 19. | |
| Jahrhundert keine Chance. Unter Frauen machte sie ihren Sport populär. | |
| Wie Yoga in die Welt kam: Indien, Hollywood, Sowjetunion | |
| Indra Devi hieß ursprünglich anders und kam aus Lettland. Aber sie öffnete | |
| Yoga für Frauen und machte es zu einem Weltphänomen. | |
| Frauen-WM und TV-Rechte: Gegen die gut geölte Maschine | |
| Noch immer hat kein deutscher Sender die Frauen-WM-Rechte gekauft. Das ist | |
| ein Problem – und trotzdem ist das Zögern richtig. | |
| Ausnahmetalent im US-Fußball: Extreme Erwartungen | |
| Die hochgehandelte 18-jährige US-Fußballerin Alyssa Thompson feiert ein | |
| tolles Profidebüt. Mit ihr soll auch die Liga ganz groß werden. | |
| Frauenfußball in Hamburg: Verband will Frauenausschuss canceln | |
| Hamburgs Fußballverband will geschlechtsspezifische Gremien abschaffen. Nun | |
| fürchten Frauen, ihre Repräsentanz zu verlieren – und protestieren. | |
| Spitzenspiel in der Frauen-Bundesliga: Mit Hand und Fuß | |
| Der FC Bayern München ist nach einem 1:0-Sieg über den aktuellen Meister | |
| VfL Wolfsburg seinem vierten Titel ein entscheidendes Stück näher gekommen. | |
| Marozsán über Rücktritt im DFB-Team: „Das macht mich müde“ | |
| Deutschlands beste Fußballerin Dzsenifer Marozsán erklärt, warum sie ihre | |
| DFB-Karriere beendet und wie mühsam der Kampf um bessere Bedingungen ist. | |
| Proteste in Frankreichs Frauenfußball: Grève! Strike! Und raus ist sie | |
| Nationaltrainerin Corinne Diacre wird nach Protesten entlassen. Die | |
| Spitzenspielerinnen haben sich durchgesetzt. | |
| Absturz von Turbine Potsdam: Vom Vorbild zum Auslaufmodell | |
| Der einstige Vorzeigeverein im Frauenfußball lebt von der Vergangenheit. | |
| Nun droht er in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. |