| # taz.de -- Fecht-Pionierin in den USA: La Jaguarina und der Fechthype | |
| > Gegen Ella Hattan aus den USA hatten auch die männlichen Fechter im 19. | |
| > Jahrhundert keine Chance. Unter Frauen machte sie ihren Sport populär. | |
| Bild: Eine Damenfechtschule etwa aus dem Jahre 1886 | |
| „Geschmeidig wie das Tier, dem sie ihren Namen verdankt, und stark wie | |
| Stahl, bot sie ein außergewöhnliches Bild.“ So schreibt die kalifornische | |
| Zeitung Daily Alta im Februar 1887 über die Athletin auf der Bühne. Die | |
| befindet sich auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, zieht bis zu 7.000 Fans an und | |
| soll tausend Dollar pro Duell verdient haben: Die Fechterin und | |
| Duellmeisterin La Jaguarina, [1][mit bürgerlichem Namen Ella Hattan]. | |
| La Jaguarina tritt unter anderem in den Kategorien Florett, Säbel, | |
| Breitschwert, Degen, Dolch, Bajonett, Lanze und Bowiemesser an, kämpft | |
| sowohl zu Fuß als auch zu Pferd – und besiegt reihenweise berühmte Männer. | |
| Darunter an jenem Februartag 1887 den Fechtmeister Hauptmann Jennings von | |
| den königlich-irischen Husaren. „Der tapfere Hauptmann schwitzte stark, und | |
| die Galanterie, die er der Dame zeigen wollte, musste er aufgeben“, | |
| berichtet der Daily Alta. Am Ende steht es 12:11 für La Jaguarina. | |
| Wer ist die Frau, die bis 1897 im Duell 60 Männer besiegte und angeblich | |
| irgendwann keine Gegner mehr fand? Wie viele Showgrößen ihrer Zeit bastelte | |
| La Jaguarina fleißig an ihrer Legende. Mal will sie in Europa geboren sein, | |
| mal in Mexiko. Und Florett- und Messerkampf hat sie angeblich mit acht | |
| Jahren von ihrer Mutter gelernt. | |
| Die Wahrheit sieht eher so aus: Irgendwann in den späten 1850er Jahren wird | |
| die hispanoamerikanische Ella Hattan als zehntes Kind eines Schneiders im | |
| US-Bundesstaat Ohio geboren. Die Verhältnisse scheinen bescheiden, und ihr | |
| Vater kommt bald im Bürgerkrieg ums Leben. Die junge Ella, die zeitlebens | |
| eine Liebe fürs Theater hatte, entschwindet 1880 als Schauspielerin nach | |
| New York. Wohl dort trifft sie auf einen ungewöhnlichen Lehrer: Den | |
| Fechtmeister und Boxer Colonel Thomas Monstery. Der wirbt offen damit, auch | |
| Frauen zu Kämpferinnen auszubilden – für damalige Zeiten fast schon | |
| skandalös. | |
| ## „Keine Gefälligkeiten“ | |
| Hattan trainiert drei Jahre lang unter der harschen Aufsicht des Colonels. | |
| So wenig Lob hat er übrig, dass sie nach der Ausbildung überrascht ist, | |
| dass sie ständig gewinnt. Und sie stellt radikal gesellschaftliche | |
| Verhältnisse infrage. | |
| „Kein Mann muss zögern, mich herauszufordern, weil ich eine Frau bin, oder | |
| glauben, dass er zu Rücksichtnahme aufgefordert wird“, schreibt sie in | |
| ihrem Aufruf. „Ich gewähre keine Gefälligkeiten und ich verlange auch | |
| keine. Man sagt, dass dies der Tag der ‚neuen Frau‘ ist.“ Bald ist sie so | |
| gut, dass sie angeblich zwölf Jahre lang ungeschlagen bleibt. Aber La | |
| Jaguarina tritt nicht nur gegen Männer an; auch eine schottische Gegnerin | |
| namens Jean Gordon ist erwähnt. | |
| Ihre Karriere hilft, einen Fechthype unter Frauen auszulösen – in den | |
| 1890er Jahren preisen amerikanische Zeitungen das Fechten gar als neue | |
| Damenmode. Zeitungsreporter, die eine „wütende Amazone“ erwarten, berichten | |
| erstaunt, Hattan zeige im Gespräch „perfekte Selbstbeherrschung und | |
| Sanftmut“. | |
| [2][Auch jenseits feministischer Themen] ist die Duellmeisterin erstaunlich | |
| fortschrittlich: Als sie einmal Stierkampf trainiert, weigert sie sich, den | |
| Stier zu töten. „Er hat genauso viel Recht auf Leben wie ich.“ Um die | |
| Jahrhundertwende endet La Jaguarinas Karriere. Sie versucht sich an | |
| allerlei anderem: Eröffnet eine Fechtschule für Frauen, modelt, singt und | |
| geht unter ihrem bürgerlichen Namen Ella Hattan zurück ans Theater. | |
| Ab 1909 verliert sich ihre Spur. Wo und wann sie starb, ist unklar. Was | |
| bleibt, ist viel Legendenstoff. Und eine [3][recht moderne Vorstellung von | |
| Sport]: „Ich glaube fest, dass Frauen genauso robust und widerstandsfähig | |
| sein sollten wie Männer – und sie können es sein, ohne etwas von ihrer | |
| Weiblichkeit zu verlieren“, sagte sie einmal. „Tatsächlich verleiht Sport | |
| Anmut, Schönheit und Selbstvertrauen – und kostet bloß Schmerzen.“ | |
| 28 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Ella_Hattan | |
| [2] /Interview-mit-Autorin-Asha-Hedayati/!5958232 | |
| [3] /Sportlerinnen-in-den-Medien/!5785615 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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