# taz.de -- Forschung zu Asteroiden-Einschlägen: Unvorstellbare Kraft | |
> Wenn Asteroiden auf die Erde treffen, verwandeln sie Stein in Glas. Ein | |
> Forschungsteam hat am Hamburger Desy untersucht, wie das funktioniert. | |
Bild: Verheerend: Einschläge großer Asteroiden können große Mengen der Erdk… | |
HAMBURG taz | Im 500 Millionen Kilometer weiten Raum zwischen Mars und | |
Jupiter kreisen mindestens eine halbe Million mit Eis überzogene | |
Gesteinsbrocken um die Sonne. Diese Asteroiden konnten keine Planeten | |
formen. Mindestens 40.000 von ihnen haben einen Durchmesser von mehr als | |
[1][500 Metern]. Der größte, Vesta, hat einen Durchmesser von 525 | |
Kilometern. | |
Ab und zu [2][kracht einer dieser Asteroiden auf die Erde]. Vor 66 | |
Millionen Jahren vernichtete einer von ihnen 75 Prozent der auf der Erde | |
lebenden Arten, inklusive der Dinosaurier. Am 15. 2. 2013 durchschlug ein | |
12.000 Tonnen schwerer Asteroid die Oberfläche eines gefrorenen Sees nahe | |
der russischen Stadt Tscheljabinsk. Die entstandene Druckwelle zerstörte | |
Fensterfronten und brachte ein Fabrikdach zum Einsturz. | |
Und obwohl die Größe und Kraft dieser Asteroiden unvorstellbar sind, haben | |
es Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des [3][Deutschen | |
Elektronen-Synchrotrons (Desy)] in Hamburg jetzt geschafft, das Verhalten | |
von Asteroiden auf winziger Ebene zu untersuchen – anhand von nur 0,1 | |
Millimeter großen Proben. | |
Damit lösen die Forschenden ein „60 Jahre altes Rätsel“, wie es in der | |
Pressemitteilung zur Studie heißt. So lange schon ist bekannt, dass | |
Asteroiden das Gestein der Erde verändern, wenn sie dort einschlagen. Der | |
hohe Druck bewirkt, dass sich im Erdgestein Glas bildet. Deshalb können | |
Forscher*innen auf der ganzen Welt alte Asteroidenkrater erkennen. | |
## 300.000 Kilometer pro Sekunde | |
Es ist also schon länger klar, was das Ergebnis eines Asteroideneinschlags | |
ist. Bisher fehlten jedoch Untersuchungen darüber, wie sich das Glas in dem | |
Gestein bildet. Das Forschungsteam aus Hamburg und Jena hat diesen Prozess | |
nun schrittweise in Experimenten begleitet. | |
[4][Asteroiden] und Meteoriten unterscheiden sich vor allem durch ihre | |
Größe. Meteoriten sind nicht groß genug, um auf der Erde Schaden | |
anzurichten. Beide bestehen aber aus Gestein. Kometen wiederum bestehen vor | |
allem aus Eisen, sind aber ebenfalls extrem schnell. | |
Seit 2016 haben die Forschenden an der Studie gearbeitet. Die Experimente | |
wurden im Desy in Hamburg durchgeführt. Ein Synchrotron ist ein riesiger | |
Teilchenbeschleuniger, im Fall des Desy eine 300 Meter lange luftleere | |
Betonröhre, in der Röntgenteilchen durch die Gegend geschleudert werden, | |
mit 300.000 Kilometern pro Sekunde. Die Teilchen werden mithilfe von | |
Radiowellen angeschubst und dann mit Magneten auf ihrer Bahn gehalten. Die | |
Röntgenstrahlung ist dadurch viel stärker als die im Krankenhaus und kann | |
zum Beispiel für Experimente zu Asteroideneinschlägen genutzt werden. Je | |
stärker die Strahlung ist, desto mehr Details kann sie zeigen – auch | |
winzige Veränderungen in Mineralien. | |
„Letztendlich haben wir zehn bis 15 perfekte Messungen gemacht“, sagt Falko | |
Langenhorst, „aber dafür waren vorher viele Tests notwendig.“ Langenhorst | |
ist Professor für Mineralogie in Jena und einer der Autoren der Studie | |
neben Doktorand Christoph Otzen und Hanns-Peter Liermann vom Desy. | |
## 0,1 Millimeter Durchmesser | |
Die „perfekten Messungen“ liefen folgendermaßen ab: Zunächst frästen die | |
Forscher winzige Stücke aus Quarz heraus – mit einem Durchmesser von etwa | |
0,1 Millimetern. Das Stück passt nun in das Loch in einer Metallfolie. Dann | |
trifft von oben ein Röntgenstrahl auf den Quarz. Unten befindet sich ein | |
Detektor, der den Röntgenstrahl etwa einmal pro Sekunde aufzeichnet, wenn | |
er auf der anderen Seite wieder herauskommt. Rechts und links an dem | |
Stückchen werden Diamanten befestigt. Druckluft presst die Diamanten gegen | |
den Quarz – diesen Aufbau nennt man Diamantenstempelzelle. | |
Die Forscher erhöhen dann nach und nach den Druck auf den Quarz. Dadurch | |
verändert sich im Inneren des Quarzes die Struktur, sodass der | |
Röntgenstrahl jeweils anders abgeleitet wird. Eine Messung dauert ein bis | |
zwei Minuten, jede Sekunde davon zeichnet der Detektor auf. | |
Das Ergebnis: Wenn Quarz unter großen Druck gerät wie bei einem | |
Asteroideneinschlag, dann kollabiert die atomare Struktur des Gesteins, und | |
es wird zu Glas. Dabei verliert es nie seine feste Gestalt. Zwischen Glas | |
und Gestein gibt es aber eine bisher unbekannte Zwischenstufe. Lockert sich | |
nämlich der Druck auf das Gestein, kehrt es zu seiner ursprünglichen Form | |
zurück. | |
## Metastabile Phase | |
Diese Zwischenphase nennen die Forscher metastabile Phase. „Das kann auch | |
für technische Anwendungsgebiete interessant sein“, sagt Langenhorst. Die | |
Stoffe könnten vielleicht andere Eigenschaften aufweisen, wenn sie in | |
diesem Zustand seien – bessere elektronische Leitkraft zum Beispiel. Und | |
die Ergebnisse lassen sich möglicherweise auf andere Materialien | |
übertragen, denn verschiedenste Stoffe können so eine Zwischenstufe | |
ausbilden – auch Eis. | |
Das Fachgebiet von Langenhorst, die Geowissenschaft, könnte ebenfalls von | |
den Entdeckungen profitieren. Bisher war es so, dass Glas im Quarz geholfen | |
hat, alte Asteroidenkrater zu finden. Wenn jetzt andere Mineralien auf die | |
gleiche Art getestet werden, könnten auch bisher unbekannte Krater gefunden | |
werden. Damit ließe sich die Geschichte der Erde noch besser | |
rekonstruieren. | |
Aber das alles stehe nicht im Vordergrund, sagt Langenhorst. „Unsere | |
Entdeckung war vollkommen unerwartet, und deshalb kann ich über den | |
zukünftigen Nutzen nur spekulieren. Für uns stand erst einmal der | |
Erkenntnisgewinn im Vordergrund.“ | |
20 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Bullerdiek | |
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