| # taz.de -- Gefahr durch Asteroiden: Rammen, bevor es zu spät ist | |
| > Immer wieder kommen Asteroiden der Erde nahe. Ein verheerender Einschlag | |
| > ist unwahrscheinlich, aber möglich. ESA und Nasa proben deshalb den | |
| > Ernstfall. | |
| Bild: Animation eines ungebetenen Gastes: Rund 28.000 erdnahe Asteroiden sind d… | |
| Berlin taz | Es knallt, am Himmel leuchtet ein riesiger Feuerball. Kurze | |
| Zeit später streckt eine Druckwelle auf 2.000 Quadratkilometern Millionen | |
| Bäume nieder. „Wie Streichhölzer“, heißt es in vielen Berichten. Was vor | |
| 114 Jahren in der sibirischen Pampa passierte, taugt für einen | |
| Katastrophenfilm. Das [1][Tunguska-Ereignis] wirft bis heute Rätsel auf, | |
| viele Forschende gehen jedoch davon aus, dass es sich um einen Asteroiden | |
| handelte, der am Morgen des 30. Juni 1908 durch die Erdatmosphäre brach. | |
| Dass so etwas bald noch mal passiert, ist sehr unwahrscheinlich. „Die | |
| geschätzte Wahrscheinlichkeit von einem Asteroiden wie Tunguska liegt bei | |
| einigen 100 bis 1.000 Jahren“, erklärt Detlef Koschny von der Europäischen | |
| Raumfahrtagentur (ESA). Der Planetenforscher arbeitet dort im Bereich der | |
| planetaren Verteidigung. Was militärisch klingt, soll den Planeten vor den | |
| Widrigkeiten des Weltraums beschützen. Neben Asteroiden beschäftigt man | |
| sich dort auch mit Weltraumschrott und Weltraumwetterereignissen wie | |
| Sonnenstürmen. 2009 startete die ESA das sogenannte Space Situational | |
| Awareness Programm (kurz SSA). Auch die Nasa hat seit 2016 ein „planetary | |
| defense office“. | |
| Ungefähr 28.000 erdnahe Asteroiden sind aktuell bekannt. Erdnah bedeutet, | |
| dass ein Himmelskörper unserem Planeten ungefähr so nahe kommt wie die | |
| Sonne. Anders als in Filmen manchmal dargestellt, bewegen sich Asteroiden | |
| nicht chaotisch durchs Sonnensystem, sondern fliegen auf Bahnen, die | |
| Forschende praktischerweise berechnen können. Die meisten der erdnahen | |
| Asteroiden befinden sich dabei im Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von | |
| Mars und Jupiter. | |
| ## Wie nah kommt Apophis? | |
| Momentan gebe es keinen Asteroiden, der besondere Aufmerksamkeit verdiene, | |
| sagt Detlef Koschny. Zwar hat einer der Brocken immerhin eine | |
| Einschlagswahrscheinlichkeit von fast zehn Prozent, allerdings ist er mit | |
| fünf Metern recht klein und würde schon in der Atmosphäre | |
| auseinanderbrechen. Das war vor Weihnachten noch anders: „Da gab es | |
| Apophis, bei dem wir nicht sicher waren, was er nach dem Vorbeiflug 2029 | |
| macht“, sagt Koschny. Mittlerweile habe man eine gefährliche Annäherung | |
| aber ausschließen können. | |
| Asteroideneinschläge gehören zu der Sorte von Ereignissen, die sehr | |
| unwahrscheinlich sind, aber, wenn sie einträten, weitreichende Konsequenzen | |
| hätten. Daher bereiten sich Wissenschaftler:innen regelmäßig auf den | |
| Ernstfall vor. Die Internationale Akademie für Weltraumfahrt (IAA), eine | |
| NGO, richtet alle zwei Jahre die „Planetary Defense Conference“ aus, zu der | |
| unter anderem ein Planspiel gehört. Dabei wird eine potenziell anstehende | |
| Kollision simuliert. | |
| Die Übung dient dazu, Abläufe zu trainieren. Bei der letzten Konferenz | |
| 2021 lag der Schwerpunkt darauf, Katastrophenschutzbehörden mit | |
| einzubeziehen, erzählt Koschny. In Deutschland würde das | |
| Weltraumlagezentrum, das halb zivil, halb militärisch ist, in einem solchen | |
| Fall zuerst benachrichtigt werden. Informieren würde man die Behörden schon | |
| ab 1 Prozent Einschlagswahrscheinlichkeit, sagt Koschny. Maßnahmen würden | |
| aber erst ab 10 Prozent ergriffen. | |
| Für den Fall, dass sich eines Tages tatsächlich ein größerer Asteroid der | |
| Erde nähert, gibt es verschiedene Szenarien. Im schlimmsten Fall bleibt nur | |
| eine Evakuierung des entsprechenden Gebiets. Wenn zwischen Erde und | |
| Asteroiden aber noch ausreichend Platz ist, kann er rechtzeitig aus seiner | |
| Bahn gelenkt werden. Dazu reicht eine Sonde aus, die mit hoher | |
| Geschwindigkeit in den Asteroiden prallt. So weit die Theorie. Um sie zu | |
| prüfen, läuft mit AIDA (kurz für Asteroid Impact & Deflection Assessment) | |
| gerade eine Testmission von Nasa und ESA. | |
| ## Erstes solches Weltraum-Manöver | |
| Im November 2021 schickte die Nasa die Sonde Dart (Double Asteroid | |
| Redirection Test) ins All. Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt | |
| soll damit ein Himmelskörper von seiner Bahn abgelenkt werden. Ende | |
| September wird Dart mit 6,6 Kilometern pro Sekunde auf dem Asteroiden | |
| Dimorphos einschlagen. Dimorphos ist Teil eines Doppelasteroiden, sein | |
| großer Bruder heißt Didymos, griechisch für „Zwilling“. Das alles passie… | |
| in sicherer Entfernung zur Erde: Mit 7,13 Millionen Kilometer Abstand war | |
| Didymos zum letzten Mal 2003 in unserer „Nähe“. | |
| Den zweiten Teil des Versuchs übernimmt die ESA, die im Oktober 2024 die | |
| Hera Mission hinterherschicken wird. Hera soll 2026 bei Didymos ankommen | |
| und den Einschlag von Dart auswerten. „Der Einschlag verändert die | |
| Geschwindigkeit, mit der der Mond um den Asteroiden kreist“, erklärt Sabina | |
| Raducan von der Universität Bern. „Dadurch verändert sich seine Flugbahn.“ | |
| Die Astrophysikerin beschäftigt sich seit Jahren mit Asteroiden. Als | |
| Hauptautorin einer aktuellen Studie hat Raducan mit einer neuen | |
| Computermodellierung den Krater, den Dart auf dem 160 Meter großen | |
| Dimorphos hinterlassen wird, berechnet. Darin werden auch Bodenproben | |
| anderer Asteroidenmissionen berücksichtigt. 2020 etwa kam die japanische | |
| Raumsonde Hayabusa 2 mit Material des Asteroiden Ryugu auf die Erde zurück. | |
| „Diese Asteroiden haben viel kleinere Kohäsionskräfte, als wir dachten“, | |
| sagt Raducan. „Sie sind quasi Schutthaufen im Weltraum, die hauptsächlich | |
| durch Schwerkraft zusammengehalten werden“. | |
| Deshalb könnte der Dart-Krater Raducan zufolge sehr viel größer werden als | |
| zunächst angenommen. Sie vermutet, dass Dimorphos durch den Einschlag | |
| völlig deformiert werden und auch seine Bahn stärker verändert werden | |
| könnte als bisher gedacht. „Die Krux bei Asteroiden ist, dass es so viele | |
| gibt und sie sehr unterschiedlich sein können“, sagt Raducan. Wenn | |
| tatsächlich mal ein Asteroid abgelenkt werden müsste, sei es jedoch | |
| wichtig, seine Zusammensetzung zu kennen. | |
| ## Feuerball am Himmel | |
| Das letzte Mal für großes Aufsehen sorgte ein Asteroid, der im Februar 2013 | |
| über der russischen Großstadt Tscheljabinsk durch die Erdatmosphäre brach. | |
| In Handyvideos sieht man einen großen Feuerball über den Himmel rasen, der | |
| 30 Kilometer über der Erdoberfläche explodiert. Rund 1.500 Menschen wurden | |
| dabei verletzt, die meisten durch Glassplitter aus zerberstenden | |
| Fensterscheiben. | |
| So etwas wie in Tscheljabinsk passiere Koschny zufolge im Durchschnitt alle | |
| 10 bis 100 Jahre. Weil er aus Richtung Sonne kam, hatten die | |
| Überwachungssysteme den 20 Meter großen Asteroiden nicht auf dem Schirm. | |
| Hätte man ihn früher gesehen, wäre Koschny zufolge der Katastrophenschutz | |
| benachrichtigt worden. „Dann hätte man kommunizieren können, dass man sich | |
| wegen der Druckwelle von den Fenstern fernhalten sollte.“ | |
| Koschny schätzt, dass wir von den Asteroiden in Tscheljabinsk-Größe gerade | |
| einmal 1 Prozent kennen. Anders sieht es bei den erdnahen Brocken mit mehr | |
| als einem Kilometer Durchmesser aus. Astronom:innen schätzen, dass von | |
| diesen rund 95 Prozent bekannt sind. Der Asteroid, der vor 66 Millionen | |
| Jahren das bekannte Massenaussterben auslöste, hatte einen geschätzten | |
| Durchmesser von 15 Kilometern. „Die Dinosaurierkiller interessieren uns | |
| aber gar nicht, weil wir wissen, dass diese Objekte der Erde nicht nahe | |
| kommen“, sagt Koschny. | |
| Auch wenn ein großer Einschlag momentan sehr unwahrscheinlich ist – | |
| ausgeschlossen ist er nicht. Deshalb suchen Teleskope von Nasa und ESA den | |
| Nachthimmel ständig nach potenziell problematischen Brocken ab. Momentan | |
| brauchen sie dafür ein paar Wochen. Damit das künftig schneller geht, hat | |
| die ESA gerade ein neues Teleskop gebaut. Es soll ab nächstem Jahr auf | |
| Sizilien den Himmel scannen. Ein neues Weltraumteleskop der Nasa soll 2026 | |
| in Betrieb gehen – und auch Asteroiden in Nähe der Sonne finden. | |
| 28 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Teresa Wolny | |
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