| # taz.de -- Forschungszentrum Desy in Hamburg: Blick ins Innerste der Welt | |
| > Am Desy wird mit riesigen Forschungsmaschinen die Natur der Materie | |
| > untersucht. Hier können Moleküle fotografiert und Reaktionen gefilmt | |
| > werden. | |
| Bild: Eröffnung des Zentrums für Röntgen- und Nanoforschung CXNS auf dem Gel… | |
| Hamburg taz | [1][Goethes Doktor Faust] war auf dem Holzweg. Aus lauter | |
| Verzweiflung hat er sich im Drama der Magie ergeben, auf dass er „nicht | |
| mehr mit saurem Schweiß / Zu sagen brauche, was ich nicht weiß; daß ich | |
| erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält, / schau alle Wirkenskraft | |
| und Samen und tu nicht mehr in Worten kramen“. | |
| Ex negativo ist damit ziemlich gut beschrieben, was das [2][Deutsche | |
| Elektronen-Synchrotron (Desy) in Hamburg betreibt. Das riesige | |
| Wissenschaftsareal neben und untern dem Volksparkstadion] gehört zu den | |
| Orten auf der Welt, auf denen Physikgeschichte geschrieben worden ist. | |
| Dabei ist die Schau auf „alle Wirkenskraft und Samen“ gerade mit viel | |
| Schweiß und ganz ohne Zauberei gelungen – auch wenn so manches dabei | |
| magisch wirkt. | |
| Um ins Innerste der Welt blicken zu können, [3][gibt es im Desy | |
| kilometerlange Ring- und Längstunnel, in denen subatomare Teilchen auf | |
| annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt] und mit Energie aufgeladen | |
| werden können. Die Tunnel sind so groß, dass U-Bahnen darin fahren könnten. | |
| [4][3.000 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland machen hier Experimente] | |
| und auch die Industrie bucht die Anlagen, wenn es etwa darum geht, | |
| besondere Materialeigenschaften zu prüfen. | |
| Der erste, nur 300 Meter lange Beschleunigerring wurde von 1959 bis 1964 | |
| gebaut und kostete 100 Millionen Mark. Die junge Bundesrepublik suchte | |
| damit Anschluss an die internationale Spitzenforschung, in der sich zu | |
| dieser Zeit aufregende Dinge taten. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts | |
| hatten sich die Physiker darauf verständigt, dass die Materie aus Atomen | |
| und diese wiederum aus einen Kern von Protonen und Neutronen sowie | |
| Elektronen besteht, die auf bestimmten Energieniveaus um diesen Kern | |
| kreisen. | |
| ## Elektronen auf Kollisionskurs | |
| In den 40er und 50er Jahren stellte sich heraus, dass dieses einfache | |
| Weltbild nicht zu halten war. Die Forscher machten sich auf die Suche nach | |
| weiteren Teilchen und die Deutschen wollten mitspielen. Das ursprüngliche, | |
| namensgebnde Synchrotron beschleunigte Elektronen, die dann abgelenkt und | |
| auf ein Ziel geschossen wurden. Dabei entsanden neue Teilchen wie das | |
| Antiproton, das Antiteilchen des Wasserstoffkerns, dessen Existenz bis dato | |
| nur theoretisch bekannt war. | |
| Bald schon reichten den Physikern die Erkenntnismöglichkeiten des Desy | |
| nicht mehr aus. Sie planten einen [5][Speicherring, in dem die Elektronen | |
| und andere Teilen dauerhaft auf Trab gehalten] und mit viel größerer | |
| Energie auf Kollisionskurs gebracht werden konnten. „Doris“, so der Name | |
| des Speicherrings, half zu beweisen, dass sich Protonen und Neutronen aus | |
| weiteren kleinen Teilchen zusammensetzen, sogenannten Quarks. | |
| Doris war noch nicht fertig, da planten die Wissenschaftler den 2.300 Meter | |
| langen Ring „Petra“, der weitere Kurven aufwies, so dass sich die | |
| Elektronen leichter auf ihrer Bahn halten ließen. In diesem Ring gelang in | |
| Hamburg zum ersten Mal der Nachweis des Gluons, des Klebeteilchens, das die | |
| Quarks zusammenhält. | |
| In den runden Teilchenbeschleunigern trat ein zunächst bloß störendere | |
| Effekt auf: Die Elektronen gaben in den Kurven Energie ab, die | |
| Synchrotronstrahlung. Schnell kamen die Forscher auf den Gedanken, dass | |
| sich dieses Röntgenlicht für Forschungszwecke verwenden ließe. Die neueste | |
| Ausbaustufe des Teilchenbescheunigers wird deshalb als Lichtquelle benutzt, | |
| mit der sich winzige Eiweißkristalle oder feinstes Material für | |
| Computer-Festplatten quasi fotografieren lässt. | |
| Der gleiche Effekt wird am Desy für Freie-Elektronen-Laser genutzt. Dabei | |
| werden geradeaus beschleunigte Elektronen von Magneten auf einen | |
| Schleuderkursgebracht, bei dem sie Licht emittieren. Das wird so | |
| koordiniert, dass sehr intensive Laserblitze in der Größenordnung einer | |
| Billionstel Sekunde entstehen. Damit das klappt, werden die Elektronen | |
| widerstandslos auf supraleitenden Bahnen beschleunigt, die auf minus 271 | |
| Grad Celsius gekühlt werden müssen. | |
| Zwei dieser Anlagen gibt es heute, [6][die jüngste, den European Xfel, seit | |
| 2015.] Wegen der kurzen Wellenlänge und der Kürze der Blitze lässt sich | |
| damit nicht nur die Struktur von Molekülen erfassen sondern auch wie sie im | |
| Zeitablauf miteinander reagieren. | |
| 22 Oct 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Festival-Goethe-Institut-im-Exil/!5883774 | |
| [2] /Kunst-im-Teilchenbeschleuniger/!5455921 | |
| [3] https://www.desy.de/ | |
| [4] /Deutsch-Russische-Forschungsprojekte/!5838701 | |
| [5] /Universum-und-Materie/!5442747 | |
| [6] https://www.xfel.eu/aktuelles/news/index_ger.html?openDirectAnchor=1979&… | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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