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# taz.de -- Chinas Nationaler Volkskongress tagt: Weniger Wachstum, mehr Rüstu…
> Reformen statt schnelles Wachstum: Premier Li Keqiang schlägt bescheidene
> Töne an und hält sich sogar in Bezug zu Taiwan mit Drohungen zurück.​
Bild: Der scheidene Premier Li Keqiang präsentiert seinen letzten Bericht beim…
PEKING taz | Wenn man [1][Chinas Nationalen Volkskongress] als politisches
Theater begreift, dann ist der vom Premier zur Eröffnung vorgelegte
Arbeitsbericht eine mit Spannung erwartete Darstellung. Während seines
einstündigen Vortrags am Sonntagmorgen hat Li Keqiang vor knapp 3.000
Abgeordneten in der Großen Halle des Volks sämtliche Themenfelder
abgearbeitet, die in den nächsten Monaten die Stoßrichtung des Landes
bestimmen werden. Die meisten Beobachter warteten jedoch vor allem auf eine
einzige Zahl: das von der Regierung gesetzte Wachstumsziel. Mit „rund fünf
Prozent“ liegt es dieses Jahr so niedrig wie seit über einem
Vierteljahrhundert nicht mehr.
Überhaupt ist dieser Volkskongress ein ganz besonderer: Erstmals nämlich
tagt Chinas Scheinparlament, seit sich Xi Jinping eine umstrittene dritte
Amtszeit sichern ließ. Dementsprechend wird der mächtige Staats- und
Parteichef während der achttägigen Veranstaltung auch seine neue
Führungsmannschaft vorstellen, die mehr denn je aus Ja-Sagern besteht.
Zudem tagen die Delegierten während besonders turbulenter Zeiten:
Zweieinhalb Jahre „Null Covid“ haben der zweitgrößten Volkswirtschaft der
Welt empfindlich zugesetzt; die geopolitischen Spannungen mit den USA haben
stark zugenommen und der demographische Wandel droht, Chinas Aufstieg schon
bald auszubremsen.
Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an eine schnelle wirtschaftliche
Erholung des Landes. Das bescheidene Wachstumsziel von „rund fünf Prozent“,
das wegen der niedrigen Ausgangslage von 2022 leicht zu erreichen sein
sollte, hat eine ambivalente Botschaft: Einerseits schwört Chinas
scheidender Premier Li seine Bevölkerung auf eine schwierige Zukunft ein.
Die Zeit des rasanten Wachstums ist im Reich der Mitte endgültig passé.
## Qualität statt Quantität
Gleichzeitig leitet der 67-Jährige einen Paradigmenwechsel ein, der von
vielen Ökonomen begrüßt wird. Denn er legt den Fokus vom rein numerischen
Wachstum hin zur Qualität des Wachstums. „Angesichts der erwarteten
Erholung des Konsums ist das Ziel nicht zu ehrgeizig und würde etwas
Spielraum für Reformen und einen Schuldenabbau bieten – beides ist dringend
erforderlich, um längerfristige Wachstumsraten von etwa 5 Prozent zu
gewährleisten“, twitterte etwa Bert Hofman, Professor der Lee Kuan Yew
School of Public Policy in Singapur.
Früher hat China vor allem in massive Infrastrukturprojekte investiert, um
schnelles Wachstum zu erzielen. Dieser Ansatz ist jedoch nicht nur kaum
nachhaltig, sondern auch schon vollständig ausgereizt. Stattdessen möchte
die KP-Führung nun den schwachen Konsum des Landes stärken, um einen neuen
Wirtschaftsmotor zu kreieren. Dafür braucht es aber schmerzhafte Reformen
wie etwa eine Stärkung sozialer Absicherungssysteme, zu der die Regierung
bislang noch nicht bereit war.
Zudem legt die Volksrepublik ihre Priorität darauf, die rekordhohe
Jugendarbeitslosigkeit von knapp 20 Prozent zu bekämpfen. Für 2023 möchte
man zwölf Millionen neue Arbeitsplätze in den Städten schaffen und die
urbane Arbeitslosenquote bei etwa 5,5 Prozent halten.
Außenpolitische Themen spielen beim Nationalen Volkskongress traditionell
eine untergeordnete Rolle. Den Ukraine-Krieg erwähnte Li in seinem
Arbeitsbericht mit keiner Silbe. Es hieß nur, es gäbe „Turbulenzen“ und
„unruhige Gewässer im internationalen Umfeld“.
## Betonung der zu stärkenden Kampfbereitschaft
Zu Taiwan hat der scheidende Premier jedoch deutlich moderatere Töne
angeschlagen als noch im Vorjahr. Aus seinen Worten ließ sich keine direkte
militärische Drohung ableiten, ebenso sprach er keine Warnung gegen
„ausländische Einmischungen“ aus. Der Fokus lag vor allem auf „friedlich…
Wiedervereinigung“, die jedoch nicht näher spezifiziert wird.
Gleichzeitig betonte Li allerdings auffallend oft die zu stärkende
„Kampfbereitschaft“ der Volksbefreiungsarmee. Dass das Militärbudget in
diesem Jahr offiziell um 7,2 Prozent erhöht wird – eine leichte Steigerung
im Vergleich zum Vorjahr, dürfte für das demokratische Taiwan
besorgniserregend sein.
Der Arbeitsbericht des scheidenden Li wird in nächster Zeit noch en detail
analysiert werden: Die englische Übersetzung hat immerhin 39 Seiten. Doch
allein eine quantitative Auswertung macht deutlich, dass hier ein
Pragmatiker spricht und kein Ideologe: „Wachstum“ erwähnt Li 36-mal, der
Begriff „Reform“ fällt 42-mal. Ideologische Floskeln, die unter [2][Xi
Jinping] immer prominenter in den Vordergrund gestellt werden, lassen sich
bei Li hingegen nur am Rande finden.
Dementsprechend ist es kein Zufall, dass er sich in den kommenden Tagen in
den Ruhestand verabschieden wird. An seiner Stelle tritt nun Li Qiang, der
bisherige Parteisekretär von Shanghai, ein enger Gefolgsmann Xi Jinpings.
Er wird Teil eines Führungsteams sein, das zwar durchaus Fachexpertise hat,
doch vor allem wegen seiner politischen Loyalität zum übermächtigen
Parteichef ausgewählt wurde.
5 Mar 2023
## LINKS
[1] /Chinas-Nationaler-Volkskongress/!5919709
[2] /Grundsatzrede-zeigt-Stossrichtung-Chinas/!5914583
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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