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# taz.de -- Wagenknecht bereitet ihren Abgang vor: Zum Abschied leise Servus
> Sahra Wagenknecht hat eine erneute Kandidatur für die Linkspartei
> ausgeschlossen. Damit leben Spekulationen über eine mögliche Abspaltung
> wieder auf.
Bild: Will nicht nochmal kandidieren: Sahra Wagenknecht
Berlin taz | Die Zeit von Sahra Wagenknecht in der Linken neigt sich dem
Ende entgegen. Jetzt hat die umstrittene Bundestagsabgeordnete eine erneute
Kandidatur für die Partei, der sie noch angehört, definitiv ausgeschlossen.
Damit befeuert sie weiter Spekulationen über eine mögliche Abspaltung ihrer
Anhängerschaft noch vor der Europawahl im kommenden Jahr. Ihr Verhältnis
zur Linkspartei gilt seit längerem als völlig zerrüttet.
Wagenknecht sitzt seit 2009 für die Linkspartei im Bundestag und war von
2015 bis 2019 Co-Fraktionsvorsitzende. Derzeit lässt sie sich allerdings
nur noch äußerst selten im Parlament blicken. Nun verkündete die 53-Jährige
gegenüber der Rheinpfalz: „Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe
ich aus.“ Nach Ablauf der Legislaturperiode wolle sie sich entweder aus der
Politik zurückziehen – „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“. Auf
eine mögliche Parteineugründung angesprochen, sagte Wagenknecht: „Darüber
wird an vielen Stellen diskutiert.“
Wagenknechts Mitteilung wurde kurz nach der [1][von ihr und Alice Schwarzer
organisierten Kundgebung „Aufstand für Frieden“] am vorvergangenen Samstag
veröffentlicht, an der [2][zwischen 22.000 und 29.000 Menschen]
teilgenommen hatten. Das gleichnamige Manifest der beiden hat mittlerweile
mehr als 730.000 Unterstützer:innen gefunden. Nachdem in den Wochen
zuvor die Gerüchte um eine bevorstehende Spaltung der Linkspartei wie auch
die Angriffe auf die Parteiführung etwas abgeebbt waren, scheint der Erfolg
des Manifestes und die ebenfalls vom Wagenknecht-Lager [3][als erfolgreich
bewertete Kundgebung] nun eine neue Dynamik zu entfalten.
„Was gar nicht geht ist, dass die Proteste von Wagenknecht und anderen
genutzt werden, um gegen die Parteiführung Stimmung zu machen und zu
versuchen, die Spekulationen um eine Parteineugründung am Köcheln zu
halten“, sagte der frühere Linkenvorsitzende Bernd Riexinger der taz. „Dem
muss eine deutliche Absage erteilt werden“, forderte er. „Das kann keine
Partei akzeptieren.“
## Traum von einer neuen Partei
Damit spielte der Linken-Bundestagsabgeordnete unter anderem auf Äußerungen
der Fraktionskollegin und Wagenknecht-Vertrauten Sevim Dağdelen an, die die
fehlende Unterstützung für das Manifest und für die Kundgebung durch den
Parteivorstand in einem Interview als „unentschuldbar“ bezeichnet hatte:
„So handelt die Spitze einer Sekte, nicht die einer verantwortungsvollen
linken Partei“, sagte sie der Jungen Welt.
Dağdelen gehört zum engeren Umfeld Wagenknechts, das offenbar sehnsüchtig
darauf wartet, dass diese ihren Abgang aus der Linkspartei verkündet, um
ein neues politisches Projekt zu starten. Doch noch zögert Wagenknecht. Sie
sähe zwar „Bedarf für eine neue Partei, die rund 30 Prozent der Menschen
endlich einmal wieder eine Stimme gibt“, sagte Wagenknecht Mitte Februar
dem ihr gewogenen Onlineportal Nachdenkseiten. So etwas bedürfe aber einer
soliden Vorbereitung.
Wann Wagenknecht dem Beispiel ihres Ehemanns Oskar Lafontaine folgen und
die Linkspartei verlassen wird, ist also vorerst weiter offen. Als
mögliches Szenario gilt, noch die hessische Landtagswahl im Herbst
abzuwarten, bei der der Linken der Verlust ihrer letzten Mandate in einem
westdeutschen Flächenland droht. Das könnte als Signal genommen werden, um
mit einem alternativen Wahlbündnis bei der Europawahl im Frühjahr 2024
anzutreten.
In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit dem Ex-RT Deutsch-Chef
Ivan Rodionov zeigte sich der Ex-Linkenbundestagsabgeordnete Diether Dehm
überzeugt, es werde „zu einer neuen Kraft kommen, und die wird es auch vor
der Europawahl geben“.
## Zermürbender Streit
Bereits im August vergangenen Jahres hatte der 72-jährige Musikmillionär
erstmalig auf einer Veranstaltung der DKP öffentlich [4][über eine mögliche
Alternativkandidatur gesprochen], was ihm [5][ein Parteiauschlussverfahren
eingehandelt] hat. Wie zahlreiche andere aus dem engeren politischen Umfeld
Wagenknechts war auch Dehm bei der Kundgebung in Berlin Ende Februar hinter
der Bühne mit dabei.
Der Streit mit und um Wagenknecht [6][zermürbt die Linkspartei] bereits
seit Jahren. Und so lange sie noch dabei ist, gehen andere. So wie an
diesem Freitag der stellvertretende Landesvorsitzende der Linken in
Brandenburg, Justin König. „Warum lässt sich ausgerechnet eine linke Partei
vom Gedankengut um Wagenknecht treiben?“, schreibt der 24-jährige
Linksfraktionsvorsitzende im Kreistag in Ostprignitz-Ruppin in seiner
Austrittserklärung.
„Eine Klärung würde vielleicht manches leichter machen“, sagte die
Linken-Vizechefin Katina Schubert der dpa. Wagenknecht mache schon lange
keine Politik mehr für die Linke. Ihr Geschäftsmodell sei vielmehr, „gegen
die Partei zu hetzen“ und „von der Seitenlinie Leute zu diffamieren und
schlecht zu machen“. Schubert, die auch Berliner Landesvorsitzende ist,
ließ keinen Zweifel daran, dass sie Wagenknecht keine Träne nachweinen
würde: „Ich sag's mal so: Reisende soll man nicht aufhalten.“
5 Mar 2023
## LINKS
[1] /Kundgebung-Aufstand-fuer-Frieden/!5918192
[2] /Schwarzer-Wagenknecht-Demo/!5917221
[3] /Podcast-Bundestalk/!5919415
[4] /Abspaltungstendenzen-von-der-Linkspartei/!5877416
[5] /Ausschlussantrag-gegen-Diether-Dehm/!5894806
[6] /Krise-der-Linkspartei/!5908409
## AUTOREN
Pascal Beucker
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