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# taz.de -- Kein Parteiauschluss für Diether Dehm: Poltergeist darf weiter spu…
> Die Landesschiedskommission der Linken in Niedersachsen hat den
> Ausschlussantrag gegen Diether Dehm abgelehnt. Nun wartet die
> Bundesschiedskommission.
Bild: Diether Dehm auf einer Kundgebung der „Freien Linken“ im Juni 2022
Berlin taz | Diether Dehm darf weiter selber entscheiden, wann er die
Linkspartei verlässt. Das ist das, zumindest vorläufige, Ergebnis des
Parteiausschlussverfahrens gegen den 72-jährigen früheren
Bundestagsabgeordneten. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe rechtfertigten
weder formal noch inhaltlich einen Rauswurf, entschied in dieser Woche die
vierköpfige Landesschiedskommission der Linkspartei in Niedersachsen –
einstimmig und ohne mündliche Verhandlung.
Gestellt hatten den Ausschlussantrag [1][Mitte November vergangenen Jahres]
die beiden Bundesvorstandsmitglieder Ates Gürpinar und Kerstin Eisenreich.
Sie warfen Dehm vor, „vielfach vorsätzlich, öffentlich und mit Außenwirkung
gegen die Satzung sowie die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen“ zu
haben. Damit habe er „der Partei schweren Schaden mit Blick auf ihre
Glaubwürdigkeit und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zugefügt“.
Doch dem folgte die Landesschiedskommission nicht. Da alle gegen ihn
erhobenen Vorwürfe bei Antragseinreichung schon mehr als einen Monat
zurückgelegen hätten, seien sie „verfristet“, lägen also bereits zu lange
zurück. „Schon deswegen war der Antrag abzuweisen“, heißt es in ihrem
Beschluss. Allerdings beschränkt sich die Kommission nicht auf diese
formale Argumentation, sondern begründet die Ablehnung in ihrer 15-seitigen
Schrift, die der taz aus Kreisen der niedersächsischen Linkspartei
zugespielt wurde, auch noch inhaltlich.
Anlass für den Ausschlussantrag war ein Auftritt Dehms bei einer
Veranstaltung der DKP Ende August 2022 in Berlin, [2][über die die taz
zuerst berichtet hatte]. Dort hatte der umtriebige Musikmillionär eine
Konkurrenzkandidatur bei der Europawahl 2024 ins Gespräch gebracht. „Es
muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im
Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt“, forderte Dehm
seinerzeit. Das Karl-Liebknecht-Haus ist die Parteizentrale der Linken.
## Eigenwillige Interpretationen und Schlussfolgerungen
Dieser Aufruf zu einem „konkurrierenden Wahlantritt“ sei „der inakzeptable
Höhepunkt unzähliger Äußerungen der letzten Jahre“, mit denen Dehm das
Ansehen der Linken beschädigt habe, schrieben Gürpinar und Eisenreich in
ihrem Ausschlussantrag. Doch das sieht die Landesschiedskommission anders.
„Die Verwendung des Begriffs ‚Alternative‘ bedeutet denklogisch zunächst
nur ein Bündnis anstatt eines Einzelantritts, nicht eine Kandidatur gegen
die Partei Die Linke“, schreibt sie. Deswegen sei „eine abweichende,
‚mildere‘ Interpretation zumindest logisch und kontextuell möglich“.
„Unzweideutig“ werde die Aussage Dehms auch nicht durch den Hinweis auf das
„Abbruchunternehmen im Karl-Liebknecht-Haus“. Zwar wäre die Interpretation
der Antragsteller:innen „möglich“, dass hiermit die Linkspartei selbst
gemeint sei. Doch „ebenso plausibel“ sei es, dass sich „die durchaus
überzogene und womöglich unfaire Kritik“ Dehms „nur gegen einzelne Akteur…
Personen oder (nicht formelle) Strömungen richtet, die er metaphorisch in
der Parteizentrale verortet“.
Nicht minder eigenwillig ist die Schlussfolgerung der
Landesschiedskommission, „die Äußerung von Überlegungen zu einem
Wahlantritt“ zur Europawahl 2024, die ja noch weit in der Zukunft läge,
könne „ohnehin nicht mit einem tatsächlich erfolgten konkurrierenden
Wahlantritt gleichgesetzt werden, bei dem ein schwerer Schaden regelmäßig
zunächst vermutet werden müsste“.
Was das Gremium völlig ausblendet: Tatsächlich wird im engeren politischen
Umfeld der früheren Bundestagsfraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, zu
dem Dehm zählt, seit Längerem bereits [3][über ein solches Szenario zur
Abspaltung von der Linkspartei intensiv diskutiert].
Aber auch mehrere Beleidigungen und Diffamierungen, die ihm in dem
Ausschlussantrag zusätzlich zur Last gelegt wurden, wertete die
Landesschiedskommission nicht als parteischädigend oder gegen die
Grundsätze der Linkspartei verstoßend. Ihr Beschluss in der Causa Dehm war
eine der letzten Amtshandlungen. An diesem Wochenende trifft sich die
niedersächsische Linkspartei in Hannover zum Landesparteitag. Für Sonntag
steht die Neuwahl der Landesschiedskommission auf dem Programm.
## Jetzt wartet die Bundesschiedskommission
Dehm, der 1998 von der SPD in die PDS wechselte und von 2005 bis 2021 für
die Linkspartei im Bundestag saß, [4][sorgt seit Jahren mit markigen wie
bizarren Sprüchen für Aufmerksamkeit]. Kaum eine Verschwörungungserzählung
ist dabei vor ihm sicher. So behauptete er unlängst in einem Interview mit
dem früheren RT Deutsch-Chef Ivan Rodionov, „zur Zerstörung des guten Rufs
von Sahra Wagenknecht“ würde sich in der Berliner BND-Zentrale zweimal in
der Woche eine „mindestens“ sechsköpfige Arbeitgruppe treffen. Außerdem
kürte er die taz zu „dem obersten CIA-Organ der Republik“, „zweitoberste…
sei der Spiegel.
Wie nicht anders zu erwarten, zeigte sich Dehm zufrieden mit der
Entscheidung der Landesschiedskommission. Den Parteivorsitzenden Martin
Schirdewan, der den Ausschlussantrag unterstützt hatte, forderte er auf
seiner Homepage und via Twitter auf, sich „für öffentliche und
parteiinterne Diffamierungen Andersdenkender zu entschuldigen oder
personelle Konsequenzen zu ziehen“.
Doch erledigt ist der Fall damit noch nicht. Denn nun wird sich wohl die
nächste Instanz, die Bundesschiedskommission, mit dem fragwürdigen Agieren
Dehms beschäftigen. „Die Begründung der Ablehnung finde ich fraglich und
ich bin optimistisch, dass eine höhere Instanz eine andere Entscheidung
trifft“, sagte der Antragsteller und stellvertretende Parteivorsitzende
Ates Gürpinar der taz.
Schließlich sei es „nicht ungewöhnlich, dass eine Entscheidung auf
Landesebene im Bund nochmal anders bewertet wird“, so Gürpinar. „Unser Ziel
bleibt, dass jemand, der sich misogyn äußert, öffentlich eine Spaltung
anstrebt und rechten Publikationen Interviews gibt, nicht Mitglied der
Linken sein kann.“
10 Mar 2023
## LINKS
[1] /Ausschlussantrag-gegen-Diether-Dehm/!5894806
[2] /Abspaltungstendenzen-von-der-Linkspartei/!5877416
[3] /Wagenknecht-bereitet-ihren-Abgang-vor/!5919761
[4] /Linkspartei-stellt-Kandidaten-auf/!5768123
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Die Linke
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Niedersachsen
Katina Schubert
Diether Dehm
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