# taz.de -- Kampagne für Berlins Klima-Entscheid: Kaffee, Kuchen, Euphorie | |
> Mit einem besonderen Event macht sich die Kampagne für den | |
> Klima-Volksentscheid Mut für den Endpurt. Dabei stehen ihre Chancen sehr | |
> gut. | |
Bild: Bei der Demo auf dem Nollendorfplatz gab's auch Kuchen to go fürs Klima | |
BERLIN taz | Bei der Frage, was gutes Wetter ist, kommt es immer auf den | |
Kontext an. Knackige Kälte Anfang März und ein bisschen Schneefall: Aus | |
Sicht derer, die die Erwärmung der Erdatmosphäre umtreibt, wäre das | |
eigentlich zu begrüßen – aber ist es das perfekte Setting, um die heiße | |
Phase der [1][Klimavolksentscheid-Kampagne] einzuläuten? | |
Wie auch immer, Wetter ist nicht Klima, und spätestens als am | |
Samstagnachmittag die Sonne über dem Nollendorfplatz durch die Wolken | |
bricht, wechselt die Stimmung der rund 300 AktivistInnen, die sich dort | |
versammelt haben, von „gut“ zu „euphorisch“. Die Brass Band spielt eine | |
Ska-Version von „Sweet Dreams“, auf Biertischen stehen massenhaft | |
selbstgebackener Kuchen, Zimtschnecken und Cookies bereit, und dann wird | |
noch per Drohne ein Luftbild von der jubelnden Menge in roten Warnwesten | |
gemacht. | |
„Kaffee, Kuchen, Volksentscheid“ hat die Initiative Klimaneustart Berlin | |
das Straßenevent genannt, und mehr als eine Demo ist es ein Familientreffen | |
der Szene, mit dem sie sich noch einmal versichert, dass es klappen wird am | |
26. März. Da öffnen die Wahllokale erneut, diesmal wird über den | |
Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ abgestimmt. Es geht um ein | |
Gesetz, welches das Aus für den größten Teil der Berliner CO2-Emissionen um | |
15 Jahre vorzieht und dabei verpflichtend macht. | |
„Wenn ich euch hier sehe, ist das absolute Gänsehaut!“, ruft | |
Klimaneustart-Sprecher Stefan Zimmer von der kleinen Bühne. Noch vor zwei | |
Jahren habe er es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass es wirklich | |
etwas werden könne mit dem Volksentscheid, aber dann hätten die | |
AktivistInnen Unmengen an „Energie und Herzblut“ in die Kampagne gesteckt. | |
„Wenn wir jetzt noch mal zwei Wochen richtig in die Pedale treten, dann | |
kriegen wir das hin!“ | |
## Die Chancen stehen gut | |
Tatsächlich stehen die Chancen gut, dass das Gesetz bald beschlossene Sache | |
sein wird. Zwar hat die Initiative selbst gerade die [2][Ergebnisse einer | |
Civey-Umfrage veröffentlicht], nach denen 46 Prozent der BerlinerInnen die | |
Ziele des Volksentscheids unterstützen – 42 Prozent waren dagegen, der Rest | |
unentschlossen. Für „Klimaneustart Berlin“ ist das jedoch nur eine | |
Momentaufnahme, denn: „Zum Zeitpunkt derBefragung war die Kampagne für den | |
Volksentscheid noch nicht gestartet.“ | |
Außerdem, so Sprecherin Jessamine Davis, hätten rund 350.000 Menschen | |
Briefwahl beantragt. Da die Motivation dafür vor allem bei den | |
BefürworterInnen groß sein dürfte, spricht vieles für einen Erfolg: Das | |
Quorum von 25 Prozent aller Wahlberechtigten, die „Ja“ ankreuzen müssen, | |
wäre zur Hälfte erreicht. Auch an die Wahlurnen zieht es wohl deutlich mehr | |
Menschen, denen der Klimaschutz-Boost wichtig ist, als solche, die | |
ablehnen. | |
Hätte die Abstimmung parallel zur Wahl am 12. Februar stattgefunden, bei | |
der schon CDU, FDP und AfD zusammen deutlich mehr als 40 Prozent der | |
Stimmen ergatterten, wäre es reichlich knapp geworden. Nun aber bekommt dem | |
Volksentscheid sogar noch einen Protest-Bonus, denn nicht nur im | |
grün-linken Milieu, sondern auch bei Teilen der SPD-Wählerschaft sorgen die | |
schwarz-roten Koalitionsverhandlungen für Unmut und Wut. | |
Dass ausgerechnet ein Wegner-Giffey-Senat die ambitionierten Ziele umsetzen | |
wird, glauben auch nicht alle Anwesenden. Nils und Julia, beide mit roten | |
Kampagnenwesten ausgestattet, sind skeptisch. „Wahrscheinlich wird jetzt | |
wieder drei Jahre über Klimaschutz nur geredet“, sagt Julia. Ihrem | |
Engagement schadet das nicht: „Das Gesetz macht auf jeden Fall Druck.“ | |
## Das Argument mit den Kosten | |
Fraglich ist, ob das Vertrauen in Rot-Grün-Rot 2.0 viel größer ausgefallen | |
wäre. Patrick verteilt auf dem Nollendorfplatz Plakate mit Testimonials von | |
Menschen, die sich unter dem Motto „Ich mache das Gesetz“ für Berlin 2030 | |
klimaneutral aussprechen – eine solidarische Spende des befreundeten | |
Volksentscheids Berlin autofrei. Von den Grünen ist er eher enttäuscht, | |
auch wenn die sich im Wahlkampf noch zur Unterstützung aufrafften. „Immer | |
dieses Argument, wir könnten die Kosten nicht stemmen“, sagt Patrick, | |
„dabei wissen alle, dass Nichthandeln viel teurer wird.“ | |
Kämpferische Töne kommen von der Bühne, wo sich Wolfgang Oels, Manager der | |
Öko-Suchmaschine Ecosia, in Rage redet: Im Grunde müsse man schon über den | |
nächsten Volksentscheid reden, der ein „Strafrecht für Abgeordnete und | |
Minister“ schaffe. Wer wie Bundesverkehrsminister Wissing (FDP), die | |
Klimaschutz-Gesetze ignoriere, begehe „Hochverrat“, es sei nicht | |
vermittelbar, dass er „frei herumlaufe“. | |
Derweil [3][sät ein Bericht im öffentlichen Rundfunk Zweifel] am Altruismus | |
der SpenderInnen, die die Kampagne mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro | |
ausgestattet haben. Fast eine halbe Million kommt von dem New Yorker | |
„Investoren- und Philanthropen-Ehepaar“ (RBB) Albert Wenger und Susan | |
Danziger. Die hätten Einlagen in einem Berliner Förderfonds, der sich | |
„neben dem Klimaschutz hohe Renditen auf die Fahnen geschrieben“ habe. Ein | |
erfolgreicher Volksentscheid „könnte verstärkte Aufträge für solche Firmen | |
bedeuten“, so RBB24. | |
Wie dem auch sei: Der Endspurt hat begonnen. Am 25. März kulminiert die | |
Kampagne mit einer Demo am Brandenburger Tor, mit Luisa Neubauer, Element | |
of Crime und Igor Levit. Die schwarz-roten KoalitionärInnen werden es mit | |
Stirnrunzeln beobachten. | |
13 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Volksentscheid-Berlin-2030-klimaneutral/!5914177 | |
[2] https://klimaneustart.berlin/wp-content/uploads/2023/03/230309_Umfrage_zum-… | |
[3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/03/volksentscheid-berlin-klimaneu… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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