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# taz.de -- Letzte Generation in Hamburg: Mit harter Hand gegen Klima-Kleber
> Klimaaktivisten fordern Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)
> zur Unterstützung auf. Doch der schaltet den Staatsschutz ein.
Bild: Festgeklebte: ein Fall für den Hamburger Staatsschutz?
Hamburg/Hannover taz | In Hannover hatte es geklappt, auch in Marburg und
Tübingen verständigten sich jüngst [1][die Aktivisten der Letzten
Generation mit den Bürgermeistern auf Klimaforderungen.] Eine solche
Aufforderung dazu erreichte am Montag nun auch das Hamburger Rathaus. Doch
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) lehnte Gespräche mit der Gruppe ab
und informierte den Staatsschutz. Nun prüft die Staatsanwaltschaft den
Vorwurf der versuchten Nötigung von Verfassungsorganen.
Dabei liest sich der Brief der „Letzten Generation“ recht verzweifelt. „W…
wenden uns in größter Not an Sie“, schreiben zwei Mitglieder des Hamburger
Ablegers. Die Klimakatastrophe sei auch in Hamburg „längst angekommen“, was
man daran sehe, dass dort im vergangenen Juli mit 40,1 Grad Celsius ein
Hitzerekord für ganz Deutschland gemessen wurde.
Doch die Bundesregierung tue nicht alles Nötige, um uns vor dem
Klimakollaps zu schützen. Die Transformation bei Landwirtschaft, Energie
und Verkehr sei „nicht ausreichend“, zudem würde neue fossile Infrastruktur
gebaut.
Da man jetzt Entscheidungen brauche, fordere man die Regierung auf, einen
„Gesellschaftsrat Klima“ einzuberufen. Diesem sollen 300 bis 400 per Los
aus der Bevölkerung ausgewählte Menschen angehören, die dann – frei von
Lobbyeinflüssen – schnell Lösungen entwickeln, wie Deutschland bis 2030
klimaneutral wird.
## Hannovers OB reagierte anders
Die Briefschreiber, die sich nicht nur an Tschentscher, sondern auch an
alle Fraktionen in der Bürgerschaft wandten, erwarteten ein „öffentliches
Zeichen zur Unterstützung eines Gesellschaftsrates“. Sollten sie bis zum
13. März keine Antwort erhalten, werde die Letzte Generation ab dem 14.
März ihren Protest in Hamburg ausweiten und „für eine maximale Störung der
öffentlichen Ordnung sorgen“.
Was das heißt, war zuletzt in Hannover zu beobachten, wo die Klebe-Aktionen
der Klimaschützer für Chaos sorgten – einschließlich brenzliger Situationen
mit wütenden Autofahrern. Auch der dortige Bürgermeister Belit Onay (Grüne)
hatte einen Brief mit Protestankündigung erhalten. „Er hat erklärt, dass er
Drohungen ablehnt, aber für Gespräche zur Verfügung stehe“, berichtet sein
Sprecher Christian von Eichborn. Onay habe sich mit den Klimaschützern an
einen Tisch gesetzt und den Protest von der Straße geholt. Seitdem hält der
Klebefrieden.
Onays Kollege Tschentscher indes lehnt jedes Gespräch ab. Mehr noch: Schon
der Brief gilt ihm als justitiabel. „Das Schreiben wurde unmittelbar nach
Eingang an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet“, teilt sein Sprecher
Marcel Schweitzer mit. Die dortige Staatsschutzabteilung hatte am Mittwoch
bereits ein „Prüfverfahren wegen aller in Frage kommender Delikte“
eingeleitet und die Akte an die Staatsanwaltschaft Hamburg übersandt.
Laut deren Sprecherin Liddy Oechtering wird nun eben der Vorwurf besagter
versuchten Nötigung nach Paragraf 105 und 106 Strafgesetzbuch geprüft.
Zuständig für diese Delikte wäre dann der Generalbundesanwalt.
## Auch der Linken gefällt's nicht
Auch bei den Parteien kam der Brief schlecht an. SPD-Fraktionschef Dirk
Kienscherf sagte, er habe keinerlei Verständnis für Drohungen und Ultimaten
jeglicher Art gegenüber demokratisch gewählten Parlamenten.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach gar von „Erpressung“ und einem
„gefährlichen Demokratieverständnis“ der Letzten Generation.
Sogar die Linkspartei übte Kritik. Die Klimakatastrophe sei längst da, sagt
Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion. Diese düstere
Aussicht und auch die viel zu kleinen Schritte dagegen ließen „auch in
Hamburg klimabewegte Menschen verzweifeln“. Dennoch könne es nicht sein,
eigene Forderungen ultimativ mit einer „maximalen Störung der öffentlichen
Ordnung“ durchsetzen zu wollen. Auch von der Idee besagter ausgeloster
„Gesellschaftsräte“ ist man bei den Linken noch nicht überzeugt.
Nur die Fraktion der Grünen hielt sich mit „Kurzschlussreaktionen“ gegen
die jungen Aktivisten zurück. Man wolle den Brief erst mal intern
besprechen und „zu gegebener Zeit antworten“, sagte Fraktionschefin Jenny
Jasberg. Immerhin hatte der Grüne Kollege Onay für seine Vorreiterrolle
viel Aufmerksamkeit bekommen, aber auch Kritik geerntet.
Inhaltlich hatte er nur Dinge zugesagt, die einem grünen Bürgermeister kaum
weh tun: Er unterstützt die Forderungen nach einem neuen 9-Euro-Ticket,
nach Tempo 100 auf Autobahnen und einem „Bürgerrat“, der konkrete Maßnahm…
zum Erreichen der Klimaziele vorschlagen soll – auch wenn die Letzte
Generation lieber von jenem „Gesellschaftsrat“ spricht und diesem wohl gern
weiter reichende Befugnisse zugeschrieben hätte.
## Hamburgs Polizei will „konsequent einschreiten“
Allein umsetzen kann Onay allerdings nichts davon, er beschränkte sich auf
einen schriftlichen Appell an die Bundespolitik – den die Letzte Generation
prompt in Plakatgröße an den Bundestag klebte, zum erklärten Missfallen
Onays.
Die Kritik an seinem Deal kam in Niedersachsen übrigens aus zwei Lagern:
Nicht nur AfD und CDU, sondern auch Teile der SPD kritisieren, Onay habe
sich erpressen lassen und legitimiere nun einen im Kern
[2][antidemokratischen Protest.] Die anderen sagen, Onay habe sich den
Frieden auf Hannovers Straßen ziemlich billig erkauft – und deshalb müssten
andere Kommunen nun noch mehr Protest auf der Straße aushalten.
In Hamburg scheint man damit zu rechnen. Die Hamburger Polizei erklärte
gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass sie sich auf die Störaktionen
vorbereitet. „Sie wird bei etwaigen Straftaten in Verbindung mit den
angedrohten Störungen konsequent einschreiten“, erklärte Innensenator Andy
Grote (SPD). Und Hamburgs oberste Grüne, die Zweite Bürgermeisterin,
Katharina Fegebank, zeigt nun auch [3][kein Verständnis für die Letzte
Generation.] Sie findet den Brief „völlig daneben“, sagte sie am Mittwoch
der Hamburger Morgenpost.
8 Mar 2023
## LINKS
[1] /Pakt-mit-Letzter-Generation/!5918106
[2] /Prozess-gegen-Klimaaktivistin-Carla-Hinrichs/!5916813
[3] /Pakt-mit-Letzter-Generation/!5918106
## AUTOREN
Nadine Conti
Kaija Kutter
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