# taz.de -- Forschung mit kollaborierenden Robotern: Wenn Roboter Menschen miss… | |
> So fruchtbar wie gefährlich: Eine Studie der TU Clausthal und der Uni | |
> Göttingen erforscht die künftige Zusammenarbeit von Roboter und Mensch. | |
Bild: Mit dem kollaborierenden Roboter CoRa wird grundlegend zu Mensch-Maschine… | |
OSNABRÜCK taz | Mensch und Roboter, in [1][kollaborativer Zusammenarbeit]? | |
Welche Probleme das aufwirft, hat der polnische Philosoph und | |
Science-Fiction-Pionier Stanisław Lem schon vor Jahrzehnten in seiner | |
Erzählung „Die Verhandlung“ gezeigt. Raumschiffpilot Pirx, mit einer | |
Test-Mannschaft unterwegs, von der er nicht weiß, wer ein Mensch ist und | |
wer ein Roboter-Prototyp, einem Menschen täuschend ähnlich, weist am Ende | |
nach: Roboter mögen technisch überlegen sein, moralisch sind sie es nicht. | |
Heute ist das weit weniger Fiktion als zu Lems Zeit. Wie weit die Forschung | |
schon fortgeschritten ist, zeigt das interdisziplinäre Verbundprojekt | |
„[2][Kognitiv und Empathisch Intelligente Kollaborierende Roboter]“ (KEIKO) | |
der Technischen Universität (TU) Clausthal und der Georg-August-Universität | |
Göttingen. Auf drei Jahre angelegt, ist es Anfang 2023 gestartet. Das Team | |
ist sechs Doktorandenstellen groß. Plus ein Postdoc, der aber noch nicht | |
gefunden ist. | |
Im Simulationswissenschaftlichen Zentrum (SWZ) der beiden | |
Partnerhochschulen, der Koordinationsstelle des Projekts, geht es um | |
Kobots, das sind kollaborierende Roboter. Das sind nicht nur Maschinen, die | |
physisch anstrengende, repetitive Arbeit abnehmen, in fest vordefinierten | |
Abläufen, durch Schutzvorrichtungen von ihren menschlichen KollegInnen | |
getrennt. Hier geht es um flexibles Arbeiten in komplexen Settings. Um das | |
Arbeiten Seite an Seite, um wechselseitige Kommunikation. | |
[3][Kobots] seien „ein wichtiger Baustein in der Digitalisierung der | |
Industrie“, sagt Projektsprecher Christian Rembe, Professor am Institut für | |
Elektrische Informationstechnik der TU Clausthal. Auch in der Pflege | |
könnten sie eingesetzt werden, als Assistenten. | |
## Soziokognitive Intelligenz | |
Damit ein Kobot „mentale Zustände“ seines menschlichen Arbeitspartners | |
erkennen kann, damit er, so das SWZ, „soziokognitive und emotionale | |
Intelligenz“ entwickelt, situativ spontan auf menschliche Absichten | |
reagiert, bei einer gemeinsamen Arbeit, etwa am gleichen Werkstück: Dazu | |
braucht es die Expertise vieler Disziplinen. Das KEIKO-Team besteht daher | |
aus Köpfen der Elektrotechnik, der Informatik, der Physik und der | |
Psychologie. Roboter lernen hier unter anderem, die Aufmerksamkeit ihres | |
menschlichen Gegenübers einzuschätzen. | |
Das Team entwickelt den Kobot CoRa weiter, aus dem SWZ-Projekt | |
„[4][Heterogene Mensch-Maschine-Teams]“ (HerMes), das 2019 begann. Und es | |
zielt dabei nicht nur auf Grundlagenforschung. Es geht auch um die | |
Veränderung von Arbeitsprozessen. Forschung für Hard- und Software ist dazu | |
nötig. | |
„Wir stehen in sehr engen Kooperationen mit der Industrie“, sagt Alexander | |
Herzog der taz, Geschäftsführer des SWZ Clausthal-Göttingen, TU Clausthal. | |
„Bei uns geht es stark um Nutzanwendung. Die Maschinen rücken dem Menschen | |
ja immer näher auf den Leib.“ | |
Das klingt nach einer Unausweichlichkeit. Aber natürlich ist auch Herzog | |
klar, dass es eine gesellschaftliche Entscheidung ist, ob alles, was sich | |
technisch realisieren lässt, auch umgesetzt werden sollte. | |
Die zentrale Frage dabei lautet: Wer profitiert am Ende? Auf jeden Fall der | |
Arbeitgeber. Eine Maschine wird nicht krank, kündigt nicht, meldet keinen | |
Urlaub an, stellt keinen Antrag auf Gehaltserhöhung, protestiert nicht mit | |
Streikplakaten vor dem Werkstor, braucht keine Pause. | |
Das Argument, dass alte, von Menschen besetzte Arbeitsplätze wegbrechen | |
könnten – und dass die neuen, die stattdessen entstehen, | |
Höherqualifizierungen erfordern, zu denen nicht jeder Arbeitnehmer in der | |
Lage ist, versucht Herzog zu entkräften: „Wir machen das ja nicht, um | |
Menschen wegzurationalisieren. 80 bis 90 Prozent des industriellen Marktes | |
sind Mittelstand, und da herrscht Personalmangel.“ Gewiss, einiges an | |
Tätigkeiten werde wegfallen. „Aber es wird viel bleiben, das nicht extrem | |
viel Know how erfordert.“ | |
## Arbeitswelt verändert sich | |
Die Probleme sind vielfältig. Um einem Roboter beizubringen, sein | |
menschliches Gegenüber zu lesen, seine Intentionen zu berechnen, braucht es | |
ein Entwicklerteam, dass, obwohl aus unterschiedlichen Fachgebieten, „unter | |
denselben Begriffen auch dasselbe versteht“, sagt Herzog. „Schon allein das | |
ist gar nicht so einfach.“ Zudem braucht man exzellente Sensorik – und | |
Vertrauen. Denn ein Roboter, der mit einem Menschen zusammenarbeitet, | |
vielleicht ein Vielfaches seiner Kraft besitzt, könnte, wenn er Absicht | |
oder Verhalten eines Menschen falsch interpretiert, tödliche Unfälle | |
verursachen. | |
Aber bis zu einer solchen Nähe am Arbeitsplatz ist es noch weit. Sicher ist | |
nur eins, sagt Herzog: „Die Zeit, in der Forschende im stillen Kämmerlein | |
sitzen und nur für ihre Fachcommunity schreiben, ist endgültig vorbei.“ | |
Olaf Cramm, Gewerkschaftssekretär der DGB Region | |
Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, sieht das alles nicht so rosig. | |
„Natürlich werden neue Technologien zum Einsatz kommen“, sagt er der taz. | |
„Aber KI wird kein Zauberschwert sein, um Fachkräfte zu ersetzen.“ | |
Dass sich Arbeit verändere, sei allen bewusst. „Also müssen das auch die | |
Bedingungen für Arbeit in Zeiten, Entlohnung und allen Abläufen sein. Dazu | |
gehört dann auch, wie die Maschinen dazu beitragen, ein effektives | |
Sozialsystem, dessen Infrastruktur, zu erhalten.“ [5][Roboter und KI] seien | |
„nur so gut wie ihr Beitrag zum Erhalt einer menschenwürdigen | |
Lebensrealität“. Cramm fragt kritisch: „Oder produzieren die Schaltkreise | |
zukünftig füreinander?“ | |
Fachleute vieler Dienstleistungen seien „nicht ersetzbar“. Das reiche von | |
Gemeinwesen über Handwerk bis zu Gesundheit, Bildung, Kultur und Sozialem. | |
„Zumindest, wenn Menschen in der Zukunft mancher Forschender noch Platz | |
haben“, sagt Cramm. | |
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert das | |
Verbundprojekt in Zusammenarbeit mit der VolkswagenStiftung übrigens mit | |
knapp 1,8 Millionen Euro. | |
12 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /KI-Ausstellung-in-Muenchen/!5788987 | |
[2] https://www.simzentrum.de/forschungsprojekte/keiko/ | |
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Cobot | |
[4] https://www.simzentrum.de/forschungsprojekte/hermes/ | |
[5] /Kuenstliche-Intelligenz-erwuenscht/!5909055 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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