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# taz.de -- Ausstellung feministisches Grafikdesign: Plakate, die im Archiv ver…
> Schon lange wird mit Grafikdesign auch feministische Bildpolitik
> betrieben. Die Guerrilla Girls machen es im MKG Hamburg sichtbar,
> endlich.
Bild: Plakate von Helen Li (2022) und Olga Poláčková-Vyle’alová (1970), E…
Die Gebärmutter wird zum wütenden Schädel. Auf dem Poster von Helen Li
haben sich die Eileiter in Arme verwandelt. An deren Ende zeigen die Hände
den Mittelfinger. Und über dem Organ droht ein roter Blitz. Vor knapp drei
Jahren gingen in Polen Frauen* auf die Straße, gegen die konservative
PiS-Regierung, [1][gegen Misogynie und Verschärfung des Rechts auf
Schwangerschaftsabbrüche]. Symbol der Proteste war jener rote Pfeil.
Ein catchy Logo, das bald unübersehbar auf Shirts, Transparenten und
Plakaten prangte. Die australische, in Warschau lebende Illustratorin Li
gibt mit ihrem Poster „Gebärmutter/Frauenstreik“ von 2020 ein Beispiel für
feministisches Design, das – einmal öffentlich zu sehen – politische
Sprengkraft entwickeln kann.
Noch ein Plakat: An der repräsentativen Fassade des Hamburger Museums für
Kunst und Gewerbe (MK & G) – ein Akademiebau des späten 19. Jahrhunderts –
hängt das große Foto eines hanseatischen Plundergebäcks. „Dieses
Franzbrötchen repräsentiert die 400.000 grafischen Arbeiten im MK & G –
Dieser Krümel steht für die Arbeiten von Frauen: 1,5 %“ lautet der Titel
des wandfüllenden Transparents. Die [2][New Yorker Künstlerinnengruppe
Guerrilla Girls] hat es jüngst angefertigt. Es ist typisch für die seit den
1980er Jahren aktive Gruppe mit seiner In-your-Face-Ästhetik, seinem Witz,
seiner Statistik, seiner Ortsbezogenheit.
## Kaum Werke von weiblicher Autorschaft gesammelt
Vor einem Jahr hat das MK & G das Gesamtwerk der Guerrilla Girls gekauft.
„Ich wollte eigentlich die Geschichte des feministischen Designs erzählen“,
meint Kuratorin und Sammlungsleiterin [3][Julia Meer über die nun eröffnete
Ausstellung „The F* Word“] („F*“ im Sinne von „Feminismus“). „Ich…
feststellen: Mit dieser Sammlung kann ich das nicht.“ Die Sammlung hat
blinde Flecken bei weiblich gelesenen Designer*innen.
Und um diese blinden Flecken auszumachen, hilft auch die ironische,
aggressive Ästhetik der Guerrilla Girls. Sie reißt Werke aus dem
kollektiven Kunstgedächtnis und stellt sie in einen neuen Kontext. Ihre
bekannteste Arbeit „Do women have to be naked to get into the Met. Museum“
(1989) zitiert das Ölgemälde „Grande Odalisque“ (1814) von
[4][Jean-Auguste-Dominique Ingres.] Nur räkelt sich darauf keine
idealisierte Nackte, sondern ein Gorilla. Er weist in fetter
Yellow-Press-Schrift darauf hin, dass Frauen im Museum häufiger als
Aktmodelle denn als Künstlerinnen auftauchen.
Das Hamburger Kunstgewerbemuseum bringt die seriell hergestellten Medien
und Objekte der Guerrilla Girls, ihren Style, der sich aus Werbung,
Boulevard-Grafik, Agitprop und Artivism speist, jetzt in Verbindung mit
seiner umfangreichen Designsammlung. „The F* Word“ zeigt insgesamt 500
Plakate, Zeitschriften und Buchcover, Flyer und Anzeigen von 1870 bis
heute.
Gerade ältere Exponate werfen die Frage auf: Warum kennt man die eigentlich
nicht? [5][Anna von Wahl] etwa fertigte 1897 Ausstellungsplakate im
Jugendstil an, deren ornamentale Verästelungen absolut dem State of the Art
der Jahrhundertwende entsprechen. Oder Eva Kalchaus etwa zur selben Zeit
entstandene Werbelithografie für die dänische Firma Empire Fahrräder. Sie
übersetzt darauf den wehenden Strich von Henri de Toulouse-Lautrec in eine
selbstbewusste Weiblichkeit, die Skizzenhaftigkeit greift die Bewegung der
Radfahrerin im frischen Wind auf. Beides verstaubt im Archiv.
## Pop oder sanftes Abweichen von der Normschönheit
Welche unterschiedlichen grafischen Strategien es gibt, die Frau zu
repräsentieren und feministische Anliegen in die Öffentlichkeit tragen,
verdeutlichen auch die ausgestellten Zeitschriften. Das Missy Magazine
inszeniert mit der farbintensiven Direktheit des Pop selbstbewusst die
Diversität weiblich gelesener Images – mit Mut zum Regelbruch. Die in der
Wendezeit entstandene Ypsilon hingegen verzichtet auf eine Normschönheit.
Ihre Bilder zeigen Frauen natürlich, mit Alterungsmerkmalen und
zurückgenommenem Style. Freilich, das funktioniert beides.
Massentauglichkeit, Hermetik, Avantgarde, Konvention.
Doch die Vielstimmigkeit der zu sehenden Publikationen überdeckt, dass man
sich hier in Nischen bewegt. [6][Ypsilon gehörte auch in der Post-DDR]
nicht zum Mainstream im Frauenzeitschrift-Journalismus, und das Missy
Magazine hat eine Auflage von gerade mal 30.000 Exemplaren. Selbst eine
bekannte Comiczeichnerin wie Anke Feuchtenberger, deren mieslauniges, im
dekorativen Schwarz-Weiß-Stil gezeichnetes „Frauenzimmer“ ausgestellt ist,
wird sicher keine Top-Sellerin sein.
Leider sperren sich in dieser Ausstellung auch manche Codes. Der
feministische Hintergrund auf den wenigen Plakaten aus dem Arabischen
Frühling und den aktuellen Protesten im Iran lässt sich ohne Kenntnis des
Arabischen und Persischen kaum erschließen. Vielleicht können aber auch
diese Poster, die jetzt gerade Teil eines Freiheitskampfes sind, noch nicht
musealisiert werden und bleiben daher in Hamburg zunächst nur eine Fußnote.
23 Feb 2023
## LINKS
[1] /Abtreibungsverbot-in-Polen/!5810502
[2] https://www.guerrillagirls.com/
[3] /Ausstellung-The-FWord-in-Hamburg/!5912832
[4] /Comic-Band-zum-Musee-dOrsay/!5367274
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_von_Wahl
[6] /20-Jahre-Mauerfall-4-November-1989/!5153166
## AUTOREN
Falk Schreiber
## TAGS
Feminismus
Design
Medien
Kunst
Ausstellung
Gender
Kunst
Videokunst
Moderne Kunst
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