# taz.de -- Abtreibungsverbot in Polen: Protest nach Tod einer Schwangeren | |
> Eine 30-Jährige Schwangere starb, weil der Fötus nicht rechtzeitig | |
> abgetrieben wurde. Zehntausende Menschen gehen in Polen auf die Straße. | |
Bild: Tausende versammeln sich vor dem Warschauer Schlossplatz, um gegen das Ve… | |
WARSCHAU taz | Tausende Menschen versammelten sich am Samstag und Sonntag | |
vor dem Verfassungsgericht in Warschau. Sie zündeten Grabkerzen für Izabela | |
an, die noch leben könnte, wenn die Ärzte ihr geholfen hätten. Dann | |
marschierten sie schweigend bis zum Königsschloss, hielten Fotos der | |
Verstorbenen hoch und Plakate mit Aufschriften wie „Keine Einzige mehr“ | |
oder „Das hätte auch ich sein können!“. Die Demonstration endete mit einer | |
Schweigeminute“ und einer anschließenden „Minute des Schreiens“. Sie dr�… | |
die Verzweiflung aus, angesichts des völlig sinnlosen Todes einer jungen | |
Frau, den Politiker in Polen zu verantworten haben. Das rigide | |
[1][polnische Abtreibungsrecht] macht Schwangerschaftsabbrüche praktisch | |
unmöglich. | |
Der Tod Izabelas, die aus Pszczyna (Pleß) in Oberschlesien stammte, gilt | |
als Folge dieses faktischen Abtreibungsverbots und war Anlass für die | |
Proteste. Inzwischen wurde bekannt, dass eine zweite junge Frau aus dem | |
niederschlesischen Swidnica (Schweidnitz) unter ähnlichen Bedingungen ums | |
Leben gekommen sei. | |
Bei der Schwangerschaft der 30-jährigen Izabela waren in der 22. Woche | |
Komplikationen aufgetreten. Das Fruchtwasser war vorzeitig abgegangen. Die | |
Ärzte warteten jedoch den Tod des Fötus im Mutterleib ab und leiteten erst | |
dann eine Abtreibung ein. Die Frau erlitt jedoch umittelbar nach dem | |
Absterben des Kindes einen septischen Schock. Da war es für eine Rettung zu | |
spät. Izabela starb in einem Krankenhaus in Pszczyna. | |
Einer Entscheidung des polnischen [2][Verfassungsgerichts] vom Oktober 2020 | |
zufolge müssen Schwangere selbst schwerst fehlgebildete Föten ohne Gesicht | |
oder Hirn austragen. Nicht überlebensfähige Kinder, die nach der Geburt | |
noch ein paar Stunden oder Tage fürchterliche Schmerzen erleiden müssen, | |
sollen nun in eilig hochgezogene Gebärhospize abgeschoben werden. Die | |
Mütter gesunder Säuglinge wollen nicht mit denjenigen in einem Saal sitzen, | |
die todkranke, sterbende Kinder oder schwerst fehlgebildete zur Welt | |
bringen mussten. | |
Seit dem Urteil des Verfassungsgerichts ist genau das die Realität. Eine | |
Bettnachbarin von Izabela wäre ebenfalls fast gestorben, da die Ärzte die | |
Eileiterschwangerschaft nicht unterbrechen wollten. Schließlich operierten | |
sie doch. Sie wollten keinen zweiten Fall riskieren, bei dem am Ende beide | |
tot waren: Kind und Mutter. | |
## Protest: „Keine einzige mehr!“ | |
Die nationalpopulistische Regierung Polens erklärte, Izabelas Tod habe | |
nichts mit dem Abtreibungsrecht zu tun. Zwei Ärzte des Krankenhauses wurden | |
jedoch nach dem Vorfall suspendiert. Die Staatsanwaltschaft nahm auf Antrag | |
der Familie die Ermittlungen auf. | |
Unter dem Motto „Keine Einzige mehr!“ protestierten am Wochenende | |
Polinnen und Polen in über 80 Orten gegen das restriktive | |
Abtreibungsrecht. Vielen gilt Julia Przylebska als die Hauptschuldige für | |
die Situation. Przylebska ist die Vorsitzende des Verfassungsgerichts. Und | |
so skandieren die Demonstrantinnen in der Hauptstadt Warschau und in | |
anderen Orten: „Blutige Julia!“ | |
In Polen gibt es jährlich nur noch einige hundert legal vorgenommene | |
Schwangerschaftsabbrüche. Frauenrechtsorganisationen schätzen jedoch, dass | |
in jedem Jahr zehntausende Polinnen illegal abtreiben oder dafür ins | |
Ausland gehen. | |
7 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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