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# taz.de -- Abtreibung in Polen: Schwangerschaft mit Todesfolge
> Eine Frau stirbt bei einer Frühgeburt, weil die Ärzte ihr medizinische
> Hilfe verweigern. Schuld daran ist das restriktive Abtreibunsgrecht.
Bild: Protest in Warschau gegen das neue Abtreibungsrecht am 1. November
Warschau taz | [1][Polens Frauen gehen wieder auf die Straße]. Abends, wenn
es dunkel wird und die Überwachungskameras keine Chance haben, von den
Gesichtern klare Aufnahmen zu machen. Die meist jungen Frauen tragen
flackernde Kerzen in den Händen, die mutigen auch Spruchbänder oder Plakate
mit Aufschriften wie „Keine einzige mehr!“ oder „Auch ihr Herz schlug“.…
Warschau und Krakau, Lodz, Posen und Breslau protestieren sie gegen den Tod
der 30jährigen Izabela, die noch leben könnte, wenn die Ärzte ihr geholfen
hätten.
Aber nachdem bei Izabela das Fruchtwasser viel zu früh abgegangen war –
schon in der 22. Schwangerschaftswoche – und ihr Körper den nicht
überlebensfähigen Fötus abstoßen wollte, unterstützten die Ärzte nicht den
natürlichen Vorgang des Aborts, sondern „stabilisierten“ die Schwangere
nur.
Dann warteten sie auf den Tod des Fötus in der fruchtwasserlosen
Gebärmutter. Als sie endlich keine Herztöne mehr hörten, schafften sie es
nicht, den Leichnam rechtzeitig aus dem Bauch Izabelas zu schneiden. Die
junge Frau, die bereits ein kleine Tochter hat, erlitt einen septischen
Schock. Da war es zu spät, sie noch zu retten.
Die Staatsanwaltschaft im oberschlesischen Kattowitz ermittelt inzwischen
auf Antrag der Familie gegen das Krankenhaus in Pszczyna (Pleß).
Wahrscheinlich wird sie den Vorwurf „unterlassene Hilfeleistung bei Gefahr
für Leib und Leben einer Schwangeren“ erheben.
## Radikales Verbot
Doch die Ärzte in Pszczyna verweisen auf das neue radikale
Abtreibungsverbot, das das polnischen Verfassungsgericht vor rund einem
Jahr über junge Polinnen verhängte. Auf Antrag einiger Abgeordneter der
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) strichen die Richter die
medizinische Indikation eines schwerst fehl gebildeten oder nicht
überlebensfähigen Fötus für einen Schwangerschaftsabbruch und verschärften
so das ohnehin sehr restriktive Abtreibungsrecht in Polen ein weiteres Mal.
Hätten die Ärzte in Pszczyna sich dazu durchringen können, den bereits auf
natürlichem Wege in Gang gekommenen Abort des kranken Fötus voranzutreiben,
hätte die Staatsanwaltschaft wohl ebenfalls gegen sie ermittelt.
Denn seit dem Urteil des Verfassungsgerichts müssen todkranke Kinder zur
Welt gebracht werden – auch gegen den Willen der Mutter. Egal wie Polens
Ärzte sich in so einem Konflikt entscheiden – sie stehen immer mit einem
Bein im Gefängnis.
Auf Nachfragen polnischer Journalistinnen wiesen PiS-Politiker, die vor
einem Jahr die Verschärfung des Abtreibungsrechts gefordert hatten, jede
Verantwortung für den Tod der jungen Frau zurück. Das „Verbrechen der
Abtreibung“ sei mit der polnischen Verfassung nicht vereinbar, lächelte
Piotr Uściński von der PiS hämisch in die Kamera.
Marek Suski, ebenfalls von der PiS, zuckte nur mit den Schultern: „Es kommt
eben vor, dass Frauen bei der Geburt ihres Kindes sterben.“ Am Todestag von
Izabela reichte [2][eine katholische Gruppe fanatischer
„Pro-Life-Aktivisten] einen Gesetzesentwurf beim Parlament ein, der ein
Totalverbot der Abtreibung fordert, also auch bei Vergewaltigung und
Todesgefahr für die Mutter. „Kinds-Mörder und –Mörderinnen“ sollen kü…
zu lebenslänglicher Haft verurteilt werden können.
5 Nov 2021
## LINKS
[1] /Frauentag-in-Polen/!5751255
[2] /Konservative-Kampagne-in-Polen/!5764983
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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