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# taz.de -- Konflikt um Bergkarabach: Gestohlene Hilfsgüter
> In der Region ist die Versorgungslage schlecht. Russische Friedenstruppen
> sollen nun Geld für die Herausgabe von humanitären Gütern verlangen.
Bild: Russische Friedenstruppen zelebrieren den ersten Jahrestag des Einsatzes …
Berlin taz | Offiziere einer in Armenien stationierten russischen
Militäreinheit sollen Lieferungen humanitärer Hilfsgüter an die Bewohner
der von Aserbaidschan blockierten armenisch bevölkerten Region Bergkarabach
gestohlen, und für deren Rückgabe Geld verlangt haben.
Dem armenischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL)
berichteten Bewohner des Bergkarabach, dass russische Militärs häufig
Frachttransporte gegen Geld organisierten. Fünf Geschäftsleute aus
Bergkarabach hätten mit russischen Offizieren vereinbart, humanitäre
Hilfsgüter in die umkämpfte Region zu transportieren. Diese sollen einen
Wert von rund 85.000 Euro haben.
Die Fracht sollte in der Nacht vom 24. auf den 25. Januar in das Lager des
russischen Militärs in der südarmenischen Stadt Goris gelangt sein. Bis
heute seien die Güter dort. Die hochrangigen russischen Militärs sollen von
ihren Geschäftspartnern aus Bergkarabach 7.000 Euro verlangt haben – als
Dank für die Rückgabe der Güter.
Der Anwalt einer der Geschäftsmänner schlägt Alarm. „Das ist Betrug,
Erpressung und Amtsmissbrauch“, sagte er gegenüber RFE/RL. „Ein
Strafverfahren sollte eingeleitet werden, und nach meinen Informationen
wurde ein solches sowohl von den armenischen als auch von den
Strafverfolgungsbehörden der Russischen Föderation auch begonnen.“ Den
armenischen Medien erteilten die Behörden keine Auskünfte.
## Die Versorgungslage ist schlecht in Bergkarabach
Seit über zwei Monaten leben etwa 120.000 [1][Armenier und Armenierinnen in
Bergkarabach unter aserbaidschanischer Blockade]. Diese könnte bald zu
einer humanitären Katastrophe führen. Seit dem 12. Dezember vergangenen
Jahres hat das von Diktator Ilham Alijew regierte Land den
Latschin-Korridor – die einzige Verbindungsstraße zwischen Armenien und dem
armenisch bevölkerten Bergkarabach – gesperrt.
Das zeigt sich auch an der [2][Versorgungslage]: In den sozialen Medien
kursieren Videos von Menschen, die vor Geschäften Schlange stehen, aber
leere Regale vorfinden. Nur mit Gutscheinen können sie ein halbes Kilo
Reis, Zucker und eine Flasche Öl kaufen. Es gibt kein Gas, keinen Strom,
Schulen und Kindergärten sind geschlossen. Auch Ärzte schlagen Alarm: Die
Situation in den Krankenhäusern ist für viele Patienten lebensbedrohlich
geworden, die Menschen brauchen dringend Hilfsgüter und Medikamente.
Wer für die anhaltende Blockade und die Schließung des Latschin-Korridors
verantwortlich ist, ist für den Politologen Tigran Grigoryan klar:
Aserbaidschan ist der Aggressor, [3][doch auch Russland trage dazu bei].
„Wegen des Krieges in der Ukraine wird Armenien nicht mehr als Partner
bevorzugt, stattdessen ist Moskau abhängig von Aserbaidschan geworden“,
sagt Grigoryan der taz.
## Aserbaidschan ist für Russland wichtig geworden
Nachdem im Zuge des Krieges gegen die Ukraine westliche Staaten Sanktionen
gegen Russland verhängt hatten, sei Aserbaidschan für die russischen
Außenhandelsbeziehungen viel wichtiger geworden. Von großer Bedeutung ist
dabei der sogenannte Nord-Süd-Korridor, der Russland über das Territorium
Aserbaidschans und des Irans mit Indien verbinden soll. Moskau will bis
2030 etwa 1,5 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Eisenbahn durch diesen
Nord-Süd-Korridor investieren.
„Mit Hilfe Aserbaidschans kann Moskau die westlichen Sanktionen umgehen“,
sagt Grigoryan. [4][Die Gaslieferungen] seien für ihn ein Beispiel und ein
Paradoxon zugleich. Um unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu
werden, plant die Europäische Union mehr Gas aus Aserbaidschan zu
importieren. Gleichzeitig hat aber Russland selbst seine Gaslieferungen
nach Aserbaidschan erhöht.
## Ein Dreiertreffen der Außenminister ist geplant
Grigoryan ist [5][pessimistisch]: Die Blockade könnte noch Wochen anhalten.
Auch eine weitere militärische Eskalation schließt er nicht aus. Am 9.
Februar gab Russlands Außenministerium bekannt, dass in Kürze ein
[6][Dreiertreffen des Außenminister]s mit denen Armeniens und
Aserbaidschans zur Stabilisierung der Lage stattfinden solle. Grigoryan hat
auch daran kaum Erwartungen.
Im Herbst 2022 endete der 44-tägige, blutige Krieg zwischen den
Nachbarstaaten Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach – im
Armenischen Arzach genannt – mit der Kapitulation Armeniens. Unter
russischer Vermittlung wurde schließlich ein Waffenstillstandsabkommen
geschlossen.
Armenien verlor dabei nicht nur die Kontrolle über sieben an Bergkarabach
angrenzende Gebiete, sondern auch über Teile von Bergkarabach selbst. Rund
2.000 russische Soldaten sollen [7][den Frieden sichern], dazu gehört auch
der Schutz des Latschin-Korridors.
14 Feb 2023
## LINKS
[1] /Kinder-und-Krieg-in-Armenien/!5889488
[2] /Kriegsfolgen-in-Armenien/!5883657
[3] /Konflikt-um-Bergkarabach/!5908329
[4] https://www.zeit.de/2022/39/armenien-aserbaidschan-krieg-gaslieferung
[5] /Deutsches-Desinteresse-an-Armenien/!5879555
[6] /Gipfel-der-Autokraten-in-Usbekistan/!5882050
[7] /EU-Mission-fuer-umkaempftes-Kaukasusgebiet/!5910613
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
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