# taz.de -- Option Schwarz-Grün in Berlin: Das kleinere zweier Übel | |
> Koalieren mit der CDU finden viele Berliner Grüne unvorstellbar. Doch mit | |
> dem Noch-Koalitionspartner SPD ist es oft ähnlich schwierig bis | |
> verfahren. | |
Bild: Kai Wegner am Wahlabend nach dem deutlichen Wahlsieg der CDU in Berlin | |
Berlin taz | Am Tag eins nach der Wahl sind die Botschaften erwartbar noch | |
dieselben: Nach dem deutlichen Wahlsieg der CDU beansprucht sowohl diese | |
als auch die bisher regierende rot-grün-rote Koalition für sich,[1][die | |
nächste Regierung in Berlin zu bilden]. In den Fokus rücken nun zunehmend | |
die Grünen. Denn sie hätten machtpolitisch weniger zu verlieren als die | |
SPD. | |
Mit ihrer [2][Spitzenkandidatin Jarasch] liegen sie gerade mal 105 Stimmen | |
– bei 1.532.164 gültigen – hinter der SPD. In einem weiteren rot-grün-rot… | |
Bündnis wären sie genauso Juniorpartner wie bei Schwarz-Grün. Eine | |
Stimmennachzählung soll es nur bei Unregelmäßigkeiten geben. | |
CDU und Grüne in Berlin zusammen – das gilt bei grober Draufsicht als | |
unmögliche Paarung. Was aber viel damit zu tun hat, dass, von außen | |
betrachtet, vor allem die Grünen im links dominierten Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg wahrgenommen werden. Dort ist die CDU eine zu | |
vernachlässigende Größe. Mit CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner also an einen | |
Tisch? Unvorstellbar. | |
Doch für einen im Bezirk verwurzelten führenden Grünen gilt das nicht. | |
Werner Graf, früher Kreuzberger Bezirkspolitiker und nach fünf Jahren als | |
Landesvorsitzender seit 2022 Fraktionschef im Parlament, sitzt schon mal | |
mit CDU-Wegner beim Kaffee zusammen. Dabei soll es nicht nur um die | |
gemeinsame Leidenschaft für die abstiegsbedrohte Hertha BSC gehen. | |
## Wegners Traumkoalition? | |
„Werner und ich sprechen nicht nur über Hertha“, sagte [3][Kai Wegner] | |
jüngst im taz-Interview. Er bastelt seit Jahren an Schwarz-Grün, auch wenn | |
es sich im Wahlkampf des Öfteren anders anhörte. Wegner nannte das auch | |
schon mal [4][„meine Traumkoalition“]. | |
Legt man allerdings und vor allem die Positionen von Schwarz und Grün in | |
der Verkehrs- und Innenpolitik nebeneinander, drängt sich der Eindruck auf, | |
dass auch alles gemeinsame Kaffeetrinken keine Koalition ermöglicht. Zu | |
weit auseinander liegen die beiden Parteien da: Die Grünen wollen etwa den | |
Weiterbau der A100 stoppen, die CDU will sie als viel verspottete | |
„Klimaautobahn“ weiterführen. Und beim recht unterschiedlichen Verhältnis | |
zur Polizei gibt es gleichermaßen Streitpotenzial. | |
Die Sache ist bloß: Mit der SPD, zumindest unter Führung der amtierenden | |
Regierenden Franziska Giffey, ist das schon jetzt nicht anders. Künftig | |
wäre die Zusammenarbeit von Rot und Grün noch schwieriger. Beispiel A100: | |
Die SPD hat zwar etwas anderes beschlossen – doch Giffey gilt beim | |
Autobahnweiterbau durchaus als offen. Und polizeitreuer als die aktuelle | |
SPD-Innensenatorin Iris Spranger könnte selbst ein CDUler kaum sein. | |
Dazu kommt, dass eine weitgehend autofreie Innenstadt auch die SPD-Basis | |
nicht will. All das gilt umso mehr, als Giffey nach der SPD-Wahlschlappe | |
angekündigt hat, dass ihre Partei in der Koalition ihr Profil schärfen | |
müsse – vor allem mit den Top-Wahlthemen Sicherheit und Wohnungsbau. Mehr | |
SPD pur aber würde zu noch mehr Zerwürfnis im links-grünen Bündnis führen. | |
## Wo gibt es mehr Gestaltungsmacht für die Grünen? | |
Vor die Wahl zwischen zwei Übel gestellt, könnten die Grünen also durchaus | |
genauer betrachten, in welchem Bündnis sie mehr Ministerien – in Berlin: | |
Senatsverwaltungen – leiten würden. Und wo sie mehr Gestaltungsmacht | |
bekämen. Naturgemäß in einem Zweier-Bündnis mehr als in einem | |
Dreier-Bündnis. | |
Noch ein Punkt könnte auch grundsätzlich widerstrebende Grüne Richtung CDU | |
neigen lassen: Rot-Grün-Rot lässt sich nur als tickende Zeitbombe | |
fortsetzen. Denn weiterhin steht die Entscheidung aus, ob der positive | |
Volksentscheid zur milliardenschweren [5][Enteignung großer | |
Wohnungseigentümer] vom September 2021 umgesetzt werden muss. | |
Die Linkspartei ist eindeutig dafür, viele Grüne sind es auch – Giffey | |
hingegen hat im Wahlkampf ihre ablehnende Haltung zu Enteignungen zu einer | |
„Gewissensfrage“ gemacht. Eine rot-grün-rote Koalition würde so auf einen | |
Bruch im Sommer hinsteuern, wenn die Enteignungsentscheidung bei Regierung | |
und Parlament ansteht. | |
## Nicht die ganze Berliner CDU mag's grün | |
Mit der CDU wäre immerhin von vornherein klar, dass es keine Enteignung | |
geben würde. Denkbar ist dabei, dass sich Parteichef Wegner auf das von | |
Jarasch bevorzugte Modell des „gemeinwohlorientierten Wohnraums“ einlässt, | |
das Vermieter stärker in die Pflicht nimmt. | |
Im Herbst hatte er seine eigene Partei mit einem Papier zu mehr | |
Mieterschutz überrascht und sich damit CDU-intern nicht nur Freunde | |
gemacht. Überhaupt sitzt längst nicht die ganze CDU zum Kaffee mit den | |
Grünen zusammen: Wegner musste sich in der Partei durchaus Kritik an seiner | |
Wunschkonstellation Schwarz-Grün anhören. | |
Ein zentraler Punkt eint CDU und Grüne: Beide kritisieren den Zustand der | |
Berliner Verwaltung. „Ein Verstecken hinter dem Schönreden einzelner | |
Erfolge darf es nicht mehr geben“, hielt Grünen-Fraktionschef Graf im | |
November Giffey vor. Und dass man Berlin „vom Kopf auf die Füße“ stellen | |
müsse. Nichts anderes will wohl Wegner. | |
Vor dem Hintergrund, dass sich die Grünen über die Machtverliebtheit der | |
SPD ärgern, stehen interessante Sondierungsgespräche an. Sie sei „sehr | |
gespannt auf die Gespräche mit der CDU“, sagte Jarasch am Montag, aber: „Zu | |
den Voraussetzungen, Berlin eine gute Zukunft zu sichern, gehört neben dem | |
Klimaschutz auch, dass man in der Lage ist, mit einer vielfältigen | |
Gesellschaft umzugehen. Das sehe ich bei der CDU nicht.“ | |
13 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Wahlen-in-Berlin/!t5106764 | |
[2] /Knapper-Wahlausgang-in-Berlin/!5915263 | |
[3] /CDU-holt-bestes-Ergebnis-bei-Berlin-Wahl/!5915005 | |
[4] /taz-Wahl-Talk-zur-Berlinwahl-Teil-4/!vn5907318 | |
[5] /Debatte-um-Enteignungen-in-Berlin/!5908087 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Grüne Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Kai Wegner | |
GNS | |
Bettina Jarasch | |
CDU Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Kai Wegner | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sondierungen in Berlin: SPD und CDU sehen „Schnittmengen“ | |
Die CDU trifft sich mit der SPD zu ersten Sondierungsgesprächen. Am | |
Nachmittag waren dann die Grünen geladen | |
Die Berliner SPD und die Koalitionsfrage: Zwischen Grünen und Giffey | |
Der Landesvorstand der Berliner SPD hat ihre Spitzenkandidatin nicht vom | |
Hof gejagt. Am Freitag starten die Sondierungen. Das Dilemma aber bleibt. | |
Nach der Berlin-Wahl: SPD stellt sich hinter Giffey | |
SPD-Chef Lars Klingbeil sieht Franziska Giffey weiterhin als | |
Bürgermeisterin. Laut Forsa präferiert eine Mehrheit der Berliner:innen | |
eine Große Koalition. | |
CDU holt bestes Ergebnis bei Berlin-Wahl: König erst mal ohne Land | |
Die CDU liegt klar vorn – weil aber Rot-Grün-Rot wohl weiter eine Mehrheit | |
hätte, könnte die CDU in der Opposition bleiben. | |
Neuwahl in Berlin: Die drei??? und das Rote Rathaus | |
Berlin wählt – schon wieder. Wer hat Chancen auf den Sieg? | |
Berliner Wahlwiederholung am Sonntag: Wenn ganz viel an ganz wenig hängt | |
Die CDU dürfte die Abgeordnetenhauswahl gewinnen. Wer aber danach regiert, | |
ist völlig offen – wenige Prozent entscheiden. Die taz gibt den Überblick. |