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# taz.de -- Wahlbeobachter*innen in Berlin: „Wir schreiben alles auf“
> Die Wiederholung der Wahl sei gut für alle, sagt Vladimir Prebilič. Er
> ist einer der Wahlbeobachter*innen des Europarats, die am Sonntag
> unterwegs sind.
Bild: Einer der ersten Wähler*innen in Berlin: Landeswahlleiter Stephan Bröch…
taz: Herr Prebilič, warum beobachten Sie Wahlen?
Vladimir Prebilič: Das ist eine der wichtigsten Aufgaben des Europarats: Es
ist ein wichtiger Teil der ausgeführten Demokratie. Der
[1][Landeswahlleiter in Berlin hat uns auch dazu eingeladen.]
Und was tun Sie genau?
Unsere Aufgabe ist es zu schauen, was schief läuft und was wir zur
Verbesserung empfehlen können. Wir kontrollieren zum Beispiel, wie die
Wahllokale aufgebaut sind, welche Fehler oder Regelverstöße es gibt und
erstellen am Ende einen Report. Unserer Ansicht nach ist immer Raum für
Verbesserung – egal wie perfekt das System funktioniert.
Und woraus besteht die Delegation, die an diesem Sonntag in Berlin
unterwegs ist?
Wir sind ein Team aus neun Ländern, darunter Dänemark, Großbritannien,
Ungarn, Serbien. Diese Leute waren schon vorher Mitglieder der Delegation.
Das sind also keine Neulinge, die waren auf vielen Missionen zur
Wahlbeobachtung. Wir verstehen, dass die Wiederholungswahlen hier ein sehr
sensibles Thema sind.
Wie arbeitet die Delegation?
Die Vorbereitungen haben schon vor Wochen begonnen. Jedes Mitglied der
Delegation muss Material über das Land lesen. Das sind zum Beispiel
Dokumente zum Justizsystem, der historische Hintergrund des Landes. Wenn
man etwas überblicken will, muss man erst lernen. Wissen Sie, wenn ich zum
Beispiel etwas nicht verstehe wie: Was ist die Beziehung zwischen den
Bezirken und dem Parlament, dann muss es mir erklärt werden.
Und weiter?
Dann haben wir im Vorhinein mit allen geredet: Journalist*innen, Parteien,
NGOs, die Abgeordneten, die derzeit im Abgeordnetenhaus sitzen, waren Ende
der Woche dran. Da waren die kleinen Parteien für mich sehr spannend. All
diese Informationen helfen uns zu verstehen, wie die Menschen hier ticken
und auch wie sie sich verhalten: Gehen Sie wählen? Warum nicht? Was ist
ihre Einstellung? Am Ende des Tages ist das alles sehr wichtig. All diese
Informationen nehmen wir auch um einen Report zu erstellen. Der wird dann
im Mai veröffentlicht.
Die Wiederholungswahl ist ja auch historisch besonders in Deutschland: Die
Wahlleitung und der Senat [2][versuchen vieles anders zu machen,] damit es
nicht wie in 2021 zu so vielen Wahlpannen kommt. Werden Sie und die
Delegation auch etwas anders machen als sonst?
Es gibt sagen wir ein Modell, eine Methode, nach der wir vorgehen, und das
werden wir nicht ändern. Das ist ganz wichtig, denn am Ende wollen wir die
Berichte mit anderen Ländern vergleichen. Da würden sonst ja auch die
Länder sagen: Bei uns hast du das aber anders gemessen.
Was passiert am Wahltag?
Wir begleiten mit Checklisten den ganzen Tag und beginnen damit schon vor 8
Uhr, also der Öffnung der Wahllokale. Die Uhrzeit ist gut für uns (lacht),
denn in anderen Ländern starten die Wahlen manchmal sogar schon um sechs.
Wir fahren in Zweierteams zu unterschiedlichen Wahllokalen. Da geht es zum
Beispiel um die richtige Position der Wahlkabinen; und wir fragen uns: Ist
die Privatsphäre der Wähler*innen damit gedeckt?
Was noch?
Wir schauen auch, ob es irgendwelche Sicherheitsrisiken gibt – natürlich
ist das in Deutschland nicht der Fall, aber zum Beispiel bei
Wahlbeobachtungen in Moldau oder Georgien wäre das eine relevante Frage.
Das haken wir also ab, und gehen nach 20 Minuten zu einer anderen Station.
Kein Bezirk sollte dabei vergessen werden. Die Stationen sind zufällig
gewählt. Wir haben nur darauf geachtet, dass zum Beispiel urbane und nicht
so urbane Gegenden oder auch unterschiedliche Gesellschaften/Ethnizität
repräsentiert sind.
Was schreiben Sie an Auffälligkeiten auf?
Wirklich alle möglichen Beobachtungen. Wenn es eine 200 Meter lange
Schlange gibt, wenn die Leute sich beschweren oder wenn man nicht privat
wählen kann.
Wieso ist denn überhaupt so viel schief gelaufen und sie müssen jetzt hier
in Berlin stehen?
Ich wurde in dem Zusammenhang oft gefragt: Wie konnte das bloß in
Deutschland passieren? Ich antworte dann immer: Ich bin schon seit Jahren
Wahlbeobachter. Ich war in Dänemark, den Niederlanden, in Georgien,
Moldawien und in der Türkei. Die lang bestehenden Demokratien sind sich so
sicher – sie stellen sich selbst in eine Komfortzone. Sie denken: Wir haben
schon hundert Mal demokratisch gewählt, warum sollten wir vorsichtig sein?
Und was bedeutet das jetzt für die Wiederholungswahl?
Sehr wichtig ist, dass das Rechtssystem hier in Deutschland funktioniert
hat. Bei der letzten Wahl wurden Dinge entdeckt, die nicht funktionierten,
sie wurden notiert und an die Berliner Behörden geschickt. Die haben
verstanden, das etwas falsch gelaufen ist und sind in Aktion getreten. Das
ist gelebte Demokratie.
Wie sind Ihre Erwartungen: Wird alles glatt laufen?
Wir werden es sehen. Hoffentlich werden es sehr gut ausgeführte Wahlen.
Aber ich denke, dass wir alle davon profitieren werden, denn die
Wahlwiederholung ist gut für alle: den Staat, die Stadt und für die Leute.
Ich sage immer: Jede Demokratie beruht auf dem Vertrauen in das System. Die
ganze Organisation zeigt, dass die Leute immer noch daran glauben, dass das
System funktioniert.
Na dann: Viel Erfolg am Sonntag!
Ja, das wünsche ich uns allen.
12 Feb 2023
## LINKS
[1] /Berlins-Wahlleiter-ueber-Wiederholung/!5907391
[2] /Wiederholung-der-Wahl-in-Berlin/!5910883
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclère
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