# taz.de -- Weitere Panne bei Wahl in Berlin: Mehr Stimmen als Wähler*innen | |
> In vorläufigen Ergebnissen der Berlin-Wahl tauchen mehr Stimmen als | |
> Wähler*innen auf. Der Wahlleiter kann keine konkrete Erklärung dafür | |
> liefern. | |
Bild: Aushang in den Wahllokalen vergangenen Sonntag | |
Berlin taz | Wer die [1][vorläufigen Ergebnisse der Berlinwahl] genauer | |
anschaut, stolpert über Ungereimtheiten. In mehreren Bezirken, darunter | |
Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf, gab es laut taz-Recherchen bei | |
der Abgeordnetenhauswahl mehr Stimmabgaben als Wählende. [2][Das geht aus | |
einem vorläufigen Bericht] des [3][Landeswahlleiters Stephan Bröchler] | |
hervor, den das Statistische Landesamt auf seiner Website veröffentlicht | |
hat. | |
Sowohl bei den gezählten Erststimmen als auch bei den Zweitstimmen weist | |
der Bericht Differenzen aus: In rund 14 Prozent der Brief- und | |
Urnenwahllokale in ganz Berlin wurden laut Bericht mehr Erststimmen | |
abgegeben als überhaupt Wähler*innen registriert waren. Bei den | |
Zweitstimmen ist das bei 8,3 Prozent der Lokale der Fall. Insgesamt sind | |
1.248 Erststimmen mehr vermerkt, als registrierte Wählende eingetragen | |
sind; bei Zweitstimmen beträgt die Differenz 726. Die Ursache für diesen | |
Fehler ist bislang unklar. | |
Ein Beispiel aus Steglitz-Zehlendorf verdeutlicht das Problem: In einem | |
Urnenwahllbezirk wurden laut Bericht 100 Stimmen mehr abgegeben als | |
Wählende registriert wurden. Dort gab es konkret 372 gültige und drei | |
ungültige Stimmen bei lediglich 275 registrierten Wähler*innen. | |
Auch in anderen Berliner Bezirken stimmt die Anzahl der abgegeben | |
Stimmzettel nicht mit den Wähler*innen überein. So sind zum Beispiel in | |
einem Wahlbezirk in Marzahn-Hellersdorf 59 Zweitstimmen zu viel angegeben. | |
## Wahl unter besonderer Beobachtung | |
Auf Anfrage der taz bestätigte Landeswahlleiter Stephan Bröchler, dass im | |
vorläufigen Ergebnis eine „Differenz zwischen der Anzahl der Wählenden und | |
der Anzahl der abgegebenen Stimmen“ bestehe. Für das abschließende | |
Wahlergebnis, das am 27. Februar verkündet werden soll, seien die | |
Bezirksämter derzeit dabei, “Schnellmeldungen aus den betroffenen | |
Wahllokalen und Wahlniederschriften zu prüfen“. | |
Die Zahlen müssten angepasst werden, wenn es sich um eindeutige Fehler | |
handele, zum Beispiel Erfassungsfehler in der Statistik. Die Anpassung von | |
Teilergebnissen sei ein ganz normaler Schritt und vom Wahlrecht abgedeckt, | |
so Bröchler weiter. | |
Die Organisation der Wahlen stand dieses Mal eigentlich unter ganz | |
besonderer Beobachtung. Wegen der zahlreichen Pannen bei der Wahl im | |
September 2021 hatte der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Wahl | |
wiederholt werden muss. Zum erneuten Wahltermin am 12. Februar hatte der | |
Wahlleiter etwa 8.000 Wahlhelfer*innen mehr als 2021 eingesetzt – | |
insgesamt 42.000. | |
Auch ein Team des Europarats kam zur Wahlbeobachtung. Die Bilanz der | |
Beobachter*innen fiel insgesamt sehr positiv aus, auch | |
Landeswahlleiter Bröchler war nach der Wahl zufrieden, da es zum Beispiel | |
anders als 2021 keine langen Schlangen vor Wahllokalen gab. | |
## Ursache für mehr Stimmen nicht klar | |
Im Nachgang wurden zwei größere Pannen bekannt: [4][Im Bezirk Lichtenberg | |
wurden 466 Briefwahlzettel erst am Montag gefunden]. Die zuvor nicht | |
berücksichtigten Stimmen für die Abgeordnetenhauswahl hatte die gleiche | |
Stimmenzahl für den CDU-Direktkandidaten und seine Konkurrentin von der | |
Linke ergeben, nachdem bis dahin der CDU-Kandidat vorne lag. In Kreuzberg | |
bewirkte ein Eingabefehler, dass fast alle Parteienergebnisse noch einmal | |
korrigiert werden mussten. | |
Die Ursache für die nun aufgetauchte Zahlendifferenz der Wählenden und der | |
abgegebenen Stimmen lässt sich nicht auf Anhieb erklären. Der | |
Wahlkreisleiter von Steglitz-Zehlendorf, Joachim Stürzbecher, nennt sie auf | |
taz-Anfrage “unglücklich“. | |
Eine gewisse Differenz von einer bis fünf Stimmen sei normal, so | |
Stürzbecher weiter. Genau für solche Fälle gebe es aber jetzt die | |
Nachprüfungen in den Bezirken. Bei denen werde der Bericht des | |
Landeswahlleiters genau angeschaut. Manchmal müsse dann neu ausgezählt | |
werden; an anderer Stelle würden die [5][Wahlhelfer*innen] noch einmal | |
vom Wahlvorstand befragt. | |
Stürzbecher betont ähnlich wie Bröchler, dass die Ergebnisse nur vorläufig | |
sind. Wie es zu den Differenzen kommt, könne er nur vermuten. Eine | |
Möglichkeit sei, dass Wahlhelfer*innen nicht aufmerksam waren und | |
vergessen haben, den Namen durchzustreichen. | |
[6][Bröchler] äußerte sich bisher weder zu möglichen Gründen der | |
Stimmdifferenzen, noch zu den Auswirkungen von möglichen Fehlern. Bei den | |
jetzt laufenden Überprüfungen in den Bezirks- und Landeswahlausschüssen | |
werde “offensichtlich Falsches korrigiert“. So knapp, wie das Ergebnis | |
zwischen den Grünen und der SPD ist, zählt bei dieser Wahl jede Stimme: Die | |
Sozialdemokraten führen lediglich mit 113 Zweitstimmen. | |
17 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /-Live-Ticker-zur-Wahl-in-Berlin-/!5915117 | |
[2] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/WB/SB_B07-02-03_202… | |
[3] /Berlins-Wahlleiter-Stephan-Broechler/!5914470 | |
[4] /Nachklapp-zur-Berliner-Parlamentswahl/!5912795 | |
[5] /Wahlwiederholung-in-Berlin/!5912482 | |
[6] /Berlins-Wahlleiter-Stephan-Broechler/!5914470 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
Ann-Kathrin Leclère | |
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