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# taz.de -- Wahlwiederholung in Berlin: Berliner Grüne mächtig unter Druck
> Sie hätten Platz eins haben können, doch es hat wieder nicht gereicht.
> Welches Bündnis werden die Grünen nun eingehen?
Bild: Große Freude bei den Berliner Grünen: Renate Künast und andere feiern …
Berlin taz | Der Saal in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte ist
brechend voll, die Luft zum Schneiden. Als um 18 Uhr die ersten Zahlen über
den Bildschirm laufen, die die Grünen knapp vor der SPD platzieren, ist das
Gejohle ohrenbetäubend: „Vor der SPD! Vor der SPD!“, schreit eine Frau von
der Grünen Jugend und hüpft dabei vor Freude. Kurz darauf der nächste
Freudenschrei: „Die FDP ist raus! Die FDP ist raus!“
Frenetischen, am Ende aber verfrühten Jubel hatte es auch vor anderthalb
Jahren gegeben, damals bei der gemeinsamen Wahlparty von Bundes- und
Landespartei. Für eine Stunde hatte es so ausgesehen, als habe
Spitzenkandidatin Bettina Jarasch das Rennen gemacht. Ob sie es im zweiten
Anlauf geschafft hat, muss sich nun zum zweiten Mal in einer langen
Wahlnacht herausstellen.
Für Jarasch wäre ein Erfolg eine echte Genugtuung. Zum ersten Mal wollte
sie die Grünen in ihrer Hochburg Berlin ins Rote Rathaus führen, den Sitz
der Regierenden Bürgermeisterin. Zwei Mal schon war die Partei damit
gescheitert, trotz anfangs teils spektakulär guter Umfragen: 2011 schien
Renate Künast der Sieg schon sicher, am Ende musste sie sich Klaus Wowereit
(SPD) geschlagen geben.
Im September 2021 hatte es Jarasch noch selbst in der Hand. Doch auch
damals zog am Ende die SPD knapp an ihr vorbei. Spitzenkandidatin Franziska
Giffey, dann Regierende Bürgermeisterin, profitierte dabei auch vom Boom
von Olaf Scholz bei der parallelen Bundestagswahl.
## Von der Hinterbänklerin zur Supersenatorin
Immerhin wurde Jarasch unter Giffey grüne Supersenatorin mit einem breiten
[1][Aufgabenspektrum von Verkehr und Umwelt] über den Verbraucher- bis zum
Klimaschutz – ein großer Schritt für die heute 54-Jährige, die zuvor eher
eine Hinterbänklerin im Abgeordnetenhaus gewesen war. Jarasch hatte zwar
die Berliner Grünen von 2011 bis 2016 in einer Doppelspitze angeführt;
stand dann aber lange im Schatten anderer prominenter Frauen bei den
Berliner Grünen.
Im Wahlkampf hatte sie stärker als andere Kandidat*innen versucht, die
für Berlin nötigen Veränderungen zu betonen. So [2][kündigte sie in einem
taz-Interview erstmals an], beim anstehenden Klimavolksentscheid mit Ja zu
stimmen. Dessen Ziel, die Stadt bereits bis 2030 und damit 15 Jahre früher
als vom Senat geplant klimaneutral zu machen, hatte sie als zuständige
Senatorin wenige Monate vorher noch abgelehnt – weil es nicht umsetzbar
sei.
Geradezu für Aufruhr sorgte Jarasch, als sie mitten in der heißen
[3][Wahlkampfphase die erneute Sperrung der zentralen Friedrichstraße] für
Autos ankündigte – selbst Regierungschefin Giffey kritisierte den Schritt
als „nicht abgesprochen“. Jarasch hatte die Umwandlung von Teilen der
Edeleinkaufsmeile zwar bereits im vergangenen Jahr angekündigt, wusste aber
natürlich, welche Wellen ihr Schritt zu diesem Zeitpunkt schlagen würde.
Denn die Straße war zuvor bereits eineinhalb Jahre autofrei gewesen;
allerdings hielten selbst viele Grüne diesen Verkehrsversuch für höchstens
in Teilen geglückt. [4][Daher nutzten Jaraschs Gegner die Friedrichstraße
als vermeintliches Symbol] für eine Verkehrswende, die gegen den Willen der
Bevölkerung umgesetzt werde.
## Duell Jarasch vs. Giffey schadete Ansehen der Parteien
Wirklich punkten konnte Jarasch damit im Wahlkampf jedoch nicht. In
Umfragen hatte nach der Debatte um die Silvesterrandale schnell die CDU die
Führung übernommen, [5][Grüne und SPD lieferten sich ein enges Rennen] um
Platz zwei mit jeweils knapp unter 20 Prozent – das entsprach zumindest bei
den Grünen dem Ergebnis von 2021.
Nach Meinung des Politologen Thorsten Faas von der Freien Universität
Berlin war dieses harte Duell problematisch für beide Parteien und das
Ansehen des Senats insgesamt. „Es entsteht der Eindruck, dass es kein
Bündnis ist, das in eine Richtung zieht“, sagte Faas vor der Wahl. Das habe
dazu geführt, dass die Werte weder für Giffey noch für Jarasch richtig gut
waren.
Jarasch hatte früh angekündigt, das bisherige Bündnis mit SPD und Linken
fortsetzen zu wollen – nur eben unter ihrer Führung. Die Linken
signalisierten tendenziell Zustimmung – die Partei von Spitzenkandidat
Klaus Lederer hat aber auch keine andere Machtoption. Bei der SPD, die seit
2001 die Regierungschef*in stellt, bliebt die Position dazu unklar. Die
Grüne hatte daher auch eine Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen,
zugleich aber klargemacht, dass dies nur die letzte Option wäre.
12 Feb 2023
## LINKS
[1] /Bettina-Jarasch-zum-Klima-Volksentscheid/!5910708
[2] /taz-Talk-zur-Berlin-Wahl-mit-Jarasch-3/!5911814
[3] /Autofreie-Friedrichstrasse-in-Berlin/!5911611
[4] /Fussgaengerzone-Friedrichstrasse-in-Berlin/!5909183
[5] /Fraktionsklausur-der-Gruenen/!5852330
## AUTOREN
Claudius Prößer
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Bettina Jarasch
Grüne Berlin
Franziska Giffey
GNS
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Kai Wegner
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