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# taz.de -- SPD-Ergebnis bei der Berlin-Wahl: Giffeys SPD in Berlin abgestraft
> Die CDU hat die Berliner Wahl gewonnen und die SPD ringt um Fassung.
> Bleibt die Hoffnung, dass wenigstens nicht die Grünen an der SPD
> vorbeiziehen.
Bild: Realitätsschock: Franziska Giffey am Wahlabend
So versteinert hat man Franziska Giffey lange nicht gesehen. Als sie um
18.09 Uhr die Bühne des Festsaals Kreuzberg betritt, ringt sie um Worte.
„Es geht jetzt um die wichtige Frage, wer Platz zwei wird in der Stadt“,
sagt Berlins Regierende Bürgermeisterin.
Was für eine Demütigung für die Hauptstadtpartei, als die sich die Berliner
SPD noch immer sieht. Mit 28 Prozent liegt die CDU von Kai Wegner in den
ersten Umfragen vor SPD und Grünen, die mit rund 18 Prozent gleichauf
liegen. Es ist ein gewaltiger Absturz, fast schon ein historischer.
Bis zuletzt setzte Giffey auf ihren Amtsbonus. Am Tag vor der
Wiederholungswahl war sie noch einmal vor dem Brandenburger Tor
aufgetreten. Bei einer Großveranstaltung zum Gedenken an die Erdbebenopfer
in der Türkei und Syrien kündigte sie die Einrichtung einer Luftbrücke vom
Flughafen BER ins Erdbebengebiet an. „Die ersten Flüge sind schon
gelaufen“, verkündete sie.
Doch nur einen Tag später zeigt sich: Giffeys Amtsbonus ist eher ein
Amtsmalus. Nicht einmal mit ihren Erfolgen war die SPD bei den Wählerinnen
und Wählern durchgedrungen. Dass der rot-grün-rote Senat mit Giffey an der
Spitze schnell und geräuschlos 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine
untergebracht und ebenso schnell ein 3 Milliarden schweres Entlastungspaket
auf den Weg gebracht hat, spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle.
## Die One-Woman-Show
Auch nicht das 29-Euro-Ticket, das der Senat im Anschluss an das
9-Euro-Ticket eingeführt hatte. Was stattdessen hängen blieb, war Berlin
als Stadt, die es nicht kann. Keine Wahlen, keine Termine beim Bürgeramt,
keinen Wohnungsbau. Große Schnauze, nichts dahinter, sagen die Berliner
manchmal. Bei Giffey war zumindest weniger dahinter als das, was sich die
Wählerinnen und Wähler gewünscht haben.
Tatsächlich muss sich die ehemalige Bundesfamilienministerin fragen lassen,
ob sie nicht selbst die Latte zu hoch gehängt hatte. Überall mischte sie
sich ein, überall mischte sie mit. Den Wohnungsbau ernannte sie zur
Chefinnensache, obwohl sie ihr Neubauziel von 20.000 Wohnungen im ersten
Jahr klar verfehlte.
Nun bleibt den Sozialdemokraten nur noch das Minimalziel, weiterhin die
Regierungschefin zu stellen. „Lasst uns jetzt Geduld haben“, rief Giffey
ihren Anhängerinnen und Anhängern zu und erinnerte daran, dass bei der
Wiederholungswahl 2021 am Wahlabend die Grünen vor der SPD lagen, sich
danach das Blatt aber noch gewendet habe.
In der Bundesparteizentrale der SPD gab auch Kevin Kühnert nach Schließung
der Wahllokale die Parole aus: abwarten. Wer regieren will, muss eine
Mehrheit hinter sich bringen. SPD-Vorsitzende Saskia Esken betonte eine
halbe Stunde später, ein Dreierbündnis sei möglich.
## Zweier- oder Dreierbündnis?
Das würde die SPD wohl nur eingehen, wenn sie auf Platz zwei landet. Falls
nicht, wäre eine Rolle als Juniorpartnerin in einer Großen Koalition die
strategisch bessere Option als Zweite in einer Dreikoalition zu sein, mit
[1][den Grünen als führende Kraft] der linken Mitte, heißt es aus der
Parteizentrale.
Ob Giffey als Juniorpartnerin in ein von den Grünen geführtes Rotes Rathaus
einziehen würde, ließ Giffey am Abend im ZDF offen. Für die Regierende
heißt es nun, sich den Debatten in den Gremien zu stellen. Platz drei
hinter den Grünen, hatten manche Sozialdemokraten schon vor der Wahl
gesagt, könnte auch ihr politisches Aus bedeuten. Ob die SPD dann bei der
CDU oder den Grünen unterschlüpft, hätte Giffey womöglich gar nicht mehr
selbst zu entscheiden, hieß es.
Aber auch für den Fall, dass Rot-Grün-Rot der CDU am Ende die lange Nase
zeigt und weitermachen kann, wird Giffey aufpassen müssen, die eigene
Partei nicht noch mehr als bisher gegen sich aufzubringen.
Einen ersten Warnschuss hatte es bereits im Juni vergangenen Jahres
gegeben. Mit nur 59 Prozent war Giffey als Co-Landesvorsitzende
wiedergewählt worden.
## Anti-Giffey-Mehrheit in der SPD
Gleichzeitig hatten die Delegierten einen Weiterbau der Stadtautobahn A100
abgelehnt und sich für ein Gesetz zur Enteignung großer Wohnungskonzerne
ausgesprochen. Giffey lehnt das kategorisch ab, spricht selbst davon, dass
sie die in einem erfolgreichen Volksentscheid auf die Agenda gesetzte
Vergesellschaftung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könne.
Es gibt also eine Anti-Giffey-Mehrheit an der Basis, und die könnte am Ende
dafür sorgen, dass es bei dem blauen Auge, mit dem Giffey davonzukommen
hofft, nicht bleibt.
12 Feb 2023
## LINKS
[1] /Wahlwiederholung-in-Berlin/!5915014
## AUTOREN
Uwe Rada
Anna Lehmann
## TAGS
Berlin
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