Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jugendliche und Erinnerungskultur: Großes Interesse und Wissenslü…
> Das Interesse junger Menschen am Nationalsozialismus ist groß, so eine
> Studie der Stiftung EVZ. Gleichzeitig fehlt es an grundlegenden
> Faktenwissen.
Bild: Ein Nazi-Bunker in Nordfrankreich: Historische Orte sind wichtig für die…
Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland finden es wichtig, sich mit
der Vergangenheit und speziell dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Sie zeigen dabei sogar mehr Interesse als die Allgemeinbevölkerung. Das
geht aus der aktuellen Memo-Jugendstudie der Stiftung Erinnerung,
Verantwortung, Zukunft (EVZ) [1][hervor], die am Dienstag in Berlin
vorgestellt wurde. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Trotz dieses großen
Interesses gibt es deutliche Lücken beim Wissensstand junger Leute.
Seit 2017 wird für die repräsentativen Memo-Studien regelmäßig der Zustand
der Erinnerungskultur in Deutschland untersucht. Die aktuelle Ausgabe nimmt
dabei erstmals gezielt junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren in den
Blick.
Die Studie wolle Jugendliche und junge Erwachsene als „zukünftige
Trägerinnen und Träger von Erinnerungskultur in Deutschland in den Blick
nehmen“, sagte Studienmitautor Jonas Rees von der Uni Bielefeld bei der
Präsentation der Ergebnisse. Es würde zwar oft über diese Gruppe, aber
selten mit ihr gesprochen. Die Studie zeichne das Bild einer
„interessierten, engagierten und sensibilisierten Jugend in Deutschland“,
so Rees.
Fast 85 Prozent empfinden es als „eher wichtig“ oder „sehr wichtig“, da…
„wir als Gesellschaft uns mit unserer eigenen Vergangenheit“
auseinandersetzen. Fast 63 Prozent gaben an, sich „eher“ oder „sehr
intensiv“ mit dem Thema Nationalsozialismus befasst zu haben – in der
Allgemeinbevölkerung sind es laut Vorgängerstudie von 2021 nur knapp 53
Prozent.
## Kein Schlussstrich
Anders als oft behauptet deute die Studie keineswegs auf ein schwindendes
Interesse junger Menschen an der deutschen Geschichte hin, betonte Rees.
Ganz im Gegenteil, bekräftigte auch Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der
Stiftung EVZ: „Es gibt keinen ‚Schlussstrich‘ in der Wahrnehmung, in der
Überzeugung der jungen Menschen.“ 76 Prozent widersprächen der Aussage, man
brauche sich mit der Geschichte nicht mehr auseinandersetzen. In der
Allgemeinbevölkerung seien das nur 57 Prozent.
Immer wieder würde die Frage an sie herangetragen, wie es dabei um junge
Menschen mit Migrationshintergrund stehe, erklärte der Wissenschaftler. Die
Studie zeigt nun: Viel stärker als eigene Migrationsbiografien wirken sich
der eigene und der Bildungsabschluss der Eltern darauf aus, wie intensiv
Befragte sich mit der NS-Geschichte befasst haben.
Gleichzeitig schwinde sowohl das Faktenwissen als auch das
Familiengedächtnis, so Despot. Obwohl eine Mehrheit angibt, den
Geschichtsunterricht gemocht zu haben, scheint der Unterricht oftmals
relevantes Wissen nicht nachhaltig vermittelt zu haben.
Nur knapp die Hälfte kann laut Studie den Zeitraum der NS-Herrschaft
korrekt benennen, jede*r Fünfte kennt nur eine oder gar keine Opfergruppe.
[2][Viele Opfergruppen abseits von Jüd*innen seien weniger bekannt].
Weniger als ein Drittel [3][nannte etwa Sinti*zze und Rom*nja]. Viele
junge Menschen können auch die Frage, ob ihre Vorfahren Täter*innen, Opfer
oder Helfer*innen im NS waren, nicht beantworten.
## Bezüge zur Gegenwart
Mit Blick auf die eigene Familiengeschichte könne man von einer „Generation
‚Weiß nicht‘ sprechen“, konstatierte Rees. Das liege auch daran, dass es
vielfach niemanden mehr gebe, den die jungen Menschen befragen könnten,
[4][da immer mehr Zeitzeug*innen sterben].
Entsprechend wünschen sich viele junge Menschen, in Bezug auf den
Nationalsozialismus Fakten und historische Orte vermittelt zu bekommen.
Große Relevanz spielen auch Verbindungen zur Gegenwart. Das sei wichtig für
die Bildungsarbeit, so Despot: „Die jungen Menschen wollen andocken an ihre
Lebensrealität.“
Besonderes Interesse zeigen viele Befragte an der Frage, „wie eine
Gesellschaft Entwicklungen und Verbrechen“ wie im Nationalsozialismus
ermöglichen und zulassen könne. Passend dazu gaben viele junge Menschen an,
durch ihre Auseinandersetzung mit der Geschichte auch für Diskriminierung
und Ausgrenzung in der heutigen Zeit sensibilisiert worden zu sein.
22 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.stiftung-evz.de/was-wir-foerdern/handlungsfelder-cluster/bilden…
[2] /Bundestag-gedenkt-Shoah-Toten/!5911708
[3] /Zilli-Schmidt-ist-tot/!5889910
[4] /Holocaust-Ueberlebende-Tova-Friedmann/!5907393
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Bildungssystem
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Bildung
Historie
Erinnerungskultur
Podcast-Guide
Schwer mehrfach normal
Kino
Documenta
Bildungssystem
Schulbau
## ARTIKEL ZUM THEMA
Studie zu deutscher Erinnerungskultur: 38 Prozent wollen „Schlussstrich“ un…
Wissenslücken, verzerrte Erinnerung, veränderte Haltung zur
NS-Vergangenheit. Die Memo-Studie offenbart eine besorgniserregende
Entwicklung.
Neuer Podcast „Opa lass reden“: Eine Frage der Erinnerung
Marco und Jo begeben sich auf eine Spurensuche in die Vergangenheit. Es
geht um Verantwortung und um die Sorge vor dem Verlust der Demokratie.
Auseinandersetzung mit der Nazizeit: Erinnern um zu verhindern
Als Kind habe ich im Fernsehen Bilder vom Holocaust gesehen, die sich in
mein Gehirn gebrannt haben. Wie erfährt meine Tochter von der Nazizeit?
Historisches Bremen im Farbfilm: Bunt trieben es die alten Bremer
Mit Farbaufnahmen von 1930 bis 1959 korrigiert der Film „Bremen wird bunt“
die Vorstellung der Vergangenheit. Das Gesehene wirkt unmittelbar.
Symposium zur documenta15: Notwendiger Nachklapp zur documenta
Die Kontroverse um die documenta15 stand im Fokus eines Symposiums in
Hamburg. Ob die BDS-Bewegung als antisemitisch gilt, wurde ebenfalls
diskutiert.
Lehrkräftemangel in Sachsen-Anhalt: Darf’s ein Stündchen mehr sein?
Weil in Sachsen-Anhalt so viel Unterricht ausfällt, müssen Lehrer:innen
dort künftig länger unterrichten. Dagegen regt sich Widerstand.
Bilanz von Bildungssenatorin Busse (SPD): „Die Schulen jammern nicht“
90 Prozent der Lehramts-Absolventen bleiben, weil Berlin wieder verbeamtet,
glaubt Astrid-Sabine Busse (SPD). Sie lobt die Solidarität Ukraine-Krise.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.