# taz.de -- Petition von Wagenknecht und Schwarzer: „Atomkriege sind unumkehr… | |
> Thilo Bode unterstützt das „Manifest für Frieden“. Ein Gespräch zur | |
> Frage, wie man Russland zu Friedensverhandlungen bewegen soll. | |
Bild: Ein Leben lang Aktivist: Thilo Bode, Gründer von Foodwatch | |
wochentaz: Herr Bode, Sie gehören zu den [1][Erstunterzeichnern des | |
„Manifests für Frieden“]. Weshalb ist Ihnen diese Initiative wichtig? | |
Thilo Bode: Ich finde den Krieg natürlich furchtbar und bin der Meinung, | |
dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, zu Verhandlungen zu kommen. Und die | |
erfordern zuvor einen Waffenstillstand. Beide Seiten haben sich militärisch | |
irgendwie festgebissen. | |
Wer soll diesen Waffenstillstand bewirken, wenn nicht die Ukraine? | |
Das müssen Frankreich und Deutschland mit den Amerikanern versuchen, die | |
Russen zu einem Waffenstillstand zu bewegen, natürlich auch die Ukrainer. | |
Frieden in Kriegszeiten ist immer wünschenswert. Aber es gibt [2][keine | |
Anzeichen, dass Putins Russland] für ein solches Projekt bereit wäre. | |
Das muss man halt versuchen. Ernsthaft versuchen. Militärisch bewegt sich | |
aktuell nichts – und nach dem Eindruck wird sich auch nicht viel bewegen in | |
diesem Krieg. In den Verhandlungen wird es um die großen Fragen der | |
territorialen Ansprüche gehen, klar. Man kann jedenfalls nicht einfach | |
sagen, die wollen doch nicht. | |
Die Ukraine besteht auf ihren Grenzen mindestens von vor dem 24. Februar | |
2022. | |
Auf die muss man halt bestehen in den Verhandlungen. | |
Nur mal theoretisch: Um den Krieg zu beenden, müsste Putin etwas geboten | |
werden, nicht wahr? | |
Das ist die entscheidende Frage. Jetzt geht es um einen Waffenstillstand | |
als erste Stufe, und danach muss über die territorialen Fragen gesprochen | |
werden. Und da könnte man sich ja auch an das, was schon mal im letzten | |
März, der Kriegsbeginn war noch nah, diskutiert wurde. Dass es darum ging, | |
die Frage von Donezk und Luhansk, also dem Donbass, extra zu regeln. | |
Jedenfalls sollte mit mehr Erfolg als beim Minsk-II-Abkommen verhandelt | |
werden. Bei solchen Verhandlungen müssen beide Seiten ihre Kriegsziele | |
definieren. | |
Minsk II war ein für die Ukraine extrem nachteiliges, von Kanzlerin Angela | |
Merkel mitbewirktes Abkommen. | |
Von der Krim, über die ebenso extra gesprochen muss, abgesehen, müssten der | |
Ukraine Sicherheitsgarantien gegeben werden – deren Einhaltung durch | |
einflussreiche Garantiemächte überwacht werden. | |
Die USA, die EU … | |
Die Bestimmung der Garantiemächte ist Verhandlungssache. Das Wichtigste: | |
Der Frieden muss wieder her und bleiben. Man muss es versuchen. | |
Während wir sprechen, bombardiert Russland die Ukraine. Das muss | |
bedingungslos sofort aufhören, oder? | |
Genau. Und deswegen ist der Waffenstillstand ganz entscheidend. | |
Haben Sie zumindest eine Idee, welches politische Druckmittel Russland | |
gegenüber aufgewendet werden muss, um dessen Zerstörungswerk zu beenden? | |
Ich würde es darauf ankommen lassen, wie die Russen in Verhandlungen | |
reagieren. Bei einem Waffenstillstand ist es möglich, über | |
Sicherheitsgarantien für Russland zu sprechen. Einer der wesentlichen | |
Streitpunkte war doch, dass Russland die Ukraine nicht in der Nato wünscht. | |
Aber wenn die Ukraine das schon aus Gründen der eigenen Sicherheit möchte? | |
Unser gemeinsames Ziel ist, dass das Sterben aufhört. General Milley, | |
US-Generalstabschef, sagt, dass aktuell nichts gewonnen wird. Es wird | |
einfach nur gestorben. Das muss aufhören. | |
Die Ukraine möchte – anders, als es ihre Invasoren wollen – ein autonomes | |
Land sein. | |
Das muss aus meiner Sicht genau das natürliche Ziel sein, das des Westens | |
und der Ukraine sowieso. Einen Waffenstillstand braucht es hierfür aber. | |
Danach geht es um die Zukunft der Ukraine. | |
Russland wird darauf bestehen, dass es keine Nato-Mitgliedschaft geben | |
wird, auch keinen Schutz durch Mächte wie die USA oder die EU. | |
Das würde alles bei Verhandlungen erörtert werden – aber, ich wiederhole | |
mich, Verhandlungen muss es erst mal geben. | |
Gehört es nicht in gewisser Weise zu einer deutschen Überlieferung zu | |
sagen, Kriege seien sinnlos? In Ländern, die von Deutschland überfallen | |
wurden, sieht man die Lehre des Krieges anders: Man hatte sich zu | |
verteidigen. Wie jetzt die Ukraine. | |
Ich selbst finde Waffengewalt schrecklich, aber nicht aus der Perspektive | |
des angegriffenen Landes. Als ich bei Greenpeace war, gab es dort einen | |
stark pazifistischen Flügel. Als es damals um den Irakkrieg ging, waren die | |
Briten für den Krieg, die Italiener dagegen – und ich als Deutscher | |
dazwischen. Ich wurde als Nachfolger der Nazis gesehen. Ich sagte aber | |
immer, ohne Krieg und ohne Gewalt wären wir nicht befreit worden von | |
Hitler. Ich lehne also Waffengewalt nicht prinzipiell ab. | |
Was soll bei den [3][Verhandlungen] herauskommen? | |
Die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien, Russland aber auch. | |
Warum Sicherheitsgarantien für Russland? Russland war ja hochbeliebt im | |
westlichen Kontext, auch wegen seiner Rohstoffvorkommen. | |
Aber wenn Russland sagt, sie wollen die Nato nicht so nah in der | |
Nachbarschaft, dann muss dies berücksichtigt werden. Solche russischen | |
Wünsche muss man erst mal ernst nehmen. | |
Müsste Russland nicht bis zur buchstäblich letzten Kopeke für die | |
berechtigten [4][Reparationsforderungen der Ukraine] aufkommen? | |
Dazu kann ich nichts sagen, mir fehlt der Einblick in diesen Teil des | |
internationalen Rechts. | |
Fürchten Sie tatsächlich, wie im „Manifest“ behauptet, den Einsatz atomar… | |
Waffen? | |
Ich habe schon Angst, muss ich sagen. Dass das außer Kontrolle gerät. | |
Atomkriege sind unumkehrbar, sie riskieren das Leben von Abermillionen. | |
Aber es geht in dieser Frage auch um geostrategische Interessen – auch die | |
Russlands. | |
Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und Erich Vad, Brigadegeneral a. D., | |
rufen für den 25. Februar zur Kundgebung am Brandenburger Tor auf. Werden | |
Sie dabei sein? | |
Ich würde natürlich dort hingehen, aber ich bin aus privaten Gründen an | |
jenem Tag in Bayern. | |
Auch viele aus dem [5][Umfeld der AfD] wollen teilnehmen. | |
Ich habe Ähnliches erlebt bei den Demonstrationen gegen das | |
Freihandelsabkommen TTIP vor einigen Jahren. Ich wurde damals kritisiert, | |
weil diese Demo von ultrarechten Menschen missbraucht werden könnte. Wir | |
haben zu unserer Aktion gesagt, wir sind gegen TTIP, wer da mitmacht, teilt | |
dieses Ziel. | |
Und jetzt beim „Manifest“? | |
Es geht um unsere Forderungen nach Waffenstillstand, nach dem Ende des | |
Sterbens in der Ukraine. Damals, bei TTIP, haben wir uns nicht abhalten | |
lassen von ein paar rechten Fahnen, ich bereue das nicht. Jetzt können auch | |
Leute mitgehen, die andere politische Meinungen haben als ich. Die AfD | |
besteht ja nicht nur aus Nazis. | |
Die fühlen sich glatt eingeladen, oder? | |
Sie würden nicht unbedingt mit warmem Herzen empfangen. Diese Demonstration | |
muss stattfinden, denn wenn ich meine Auffassungen von Menschen, die der | |
AfD zuneigen, abhängig machen würde, dann würde ich mich meines Rechts auf | |
öffentliche Meinungsäußerungen berauben. | |
Eine gefährliche politische Mischung, die sich da braut … | |
… bei TTIP damals habe ich das überlegt. Leute sagten mir, Trump ist auch | |
gegen TTIP, also sind Sie für Trump. Das ist natürlich Unfug. In unserem | |
Manifest geht es um Frieden – und am Brandenburger Tor darum, dies | |
öffentlich zu zeigen. | |
17 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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