# taz.de -- Lieferung von Kampfpanzern an Ukraine: Der Westen braucht einen Pla… | |
> Bald rollen deutsche Leopard-2-Panzer über die Schlachtfelder. Weil der | |
> Krieg trotzdem noch lange dauern wird, braucht der Westen eine Strategie | |
> für mögliche Verhandlungen. | |
Bild: Demnächst in der Ukraine im Einsatz: Bundeswehr Panzer von Typ Leopard e… | |
Scholz ist ein symbolischer Erfolg gelungen. Dass neben sehr vielen | |
Leopard-Panzern auch [1][ein paar US-Abrams-Panzer geliefert werden], ist | |
das Resultat einer sanften Erpressung. Die USA wollten keine eigenen Panzer | |
schicken – und tun es, weil der Kanzler sonst keine Leoparden | |
bereitgestellt hätte. Zuvor [2][hatte Warschau Berlin gedroht], auch ohne | |
deutsche Genehmigung Leoparden in die Ukraine zu befördern. | |
Das Ergebnis dieser doppelten Erpressung ist: Die Nato handelt geschlossen. | |
Ein steiniger Weg mit brauchbarem Ergebnis. Denn eine Spaltung der Nato | |
wäre ein Geschenk mit Schleife für Putin. | |
Die Abrams sind auch eine Rückversicherung für Berlin. Falls 2025 ein | |
rechter Republikaner im Weißen Haus regiert, ist es beruhigend, wenn neben | |
den deutschen Panzern auch einige US-Tanks durch die Ukraine fahren. Ob | |
Scholz' Manöver sich Gelegenheit oder Weitblick verdankt, ist eher | |
stilistisch interessant. | |
Ein Zeichen von Führungsschwäche ist es jedenfalls nicht. Es erinnert an | |
Helmut Schmidt, der 1979 die Raketenlücke entdeckte und die anfangs | |
widerwillige US-Führung zu Nachrüstung und Pershings anstiftete. Dieser | |
Vergleich ist nur auf den ersten Blick entlegen: Die Kernidee von Schmidt | |
und Scholz ist ähnlich. Nur US-Atomwaffen schützen die Bundesrepublik vor | |
Drohungen aus dem Osten. Deshalb muss das Band über den Atlantik ganz eng | |
sein. | |
## Die Grenze zwischen Unterstützung und Beteiligung verschwimmt | |
Die Nato bleibt geeint, die Ukraine bekommt Panzer. Also alles gut? Nein. | |
Laut Annalena Baerbock [3][kämpfen wir „einen Krieg gegen Russland“]. | |
Dabei lautet die Doktrin, dass die Nato kein Kriegsteilnehmer ist. | |
Vielleicht wollte die Grüne eigentlich „Konflikt“ sagen. Aber eine | |
Außenministerin, die „Krieg“ sagt, wenn sie „Konflikt“ meint, ist eher | |
beunruhigend. Vor allem aber enthält Baerbocks Satz ein Körnchen Wahrheit. | |
Formal wird der Westen nicht zur Kriegspartei, wenn er Panzer liefert. Aber | |
je mehr Waffensysteme, Nachschub und Ausbilder die Nato bereitstellt, umso | |
diffuser wird die Grenze zwischen Unterstützung und Beteiligung. Seit der | |
Leopard-Entscheidung regiert eine neue Logik. Wenn man für Gegenoffensiven | |
brauchbare Panzer liefert, warum nicht auch Drohnen, Jets, Raketen? | |
Selenski fordert schon Kampfflugzeuge und Mittelstreckenraketen, um | |
russische Stellungen zu zerstören, von denen Angriffe auf zivile Ziele | |
ausgehen. „Drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege | |
gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewissheit“, | |
schrieb Clausewitz. Bei der Grenze zwischen Verteidigungs- und | |
Angriffswaffen ist der Nebel der Ungewissheit besonders blickdicht. | |
Der Westen wird immer mehr Waffen liefern, hoffen, dass die ukrainischen | |
Offensiven erfolgreich sind und Putin seine Truppen zurückziehen muss. Das | |
wäre mehr als wünschenswert. Aber was, wenn nicht? In Kriegen ist der Weg | |
in die Hölle oft mit Hoffnungen gepflastert. Es wäre nicht schlecht, wenn | |
sich manche Junggrüne mit Realpolitik befassen würden, anstatt [4][in | |
niedlichem Kinderzimmersound „Free the Leopards“ zu twittern]. | |
US-Generalstabschef Mark Milley hält einen langen Stellungskrieg jedenfalls | |
für wahrscheinlicher als einen Sieg der Ukraine. | |
## Diplomatie ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln | |
Klüger, als nur mehr Waffen zu fordern und von einem „regime change“ in | |
Moskau zu träumen, ist es, einen Plan B für einen langen Krieg zu | |
entwickeln. Der heißt Diplomatie. Wer da an gemütliche Gespräche oder einen | |
Friedensvertrag denkt, liegt falsch. Diplomatie ist die Fortsetzung des | |
Krieges mit anderen Mitteln. | |
Die von Scholz unterstützte Botschaft Xis an Putin, bloß keine Atomwaffen | |
einzusetzen, hat Moskaus nukleare Drohung Glaubwürdigkeit und damit Macht | |
gekostet. Das ist vielleicht mehr wert als eine gewonnene Schlacht. Dass | |
Waffen und Diplomatie ein Widerspruch sind, ist ein Kurzschluss deutscher | |
Debatten, in denen Moral oft realpolitischen Verstand ersetzt. | |
Der Plan B wäre das offensive Angebot der Nato, zu verhandeln. Das könnte | |
Putin unter Druck setzen und der russischen Elite irgendwann als Notausgang | |
erscheinen. Es wäre einen Versuch wert. | |
Das Szenario für einen kalten Frieden lautet Land gegen Sicherheit. Die | |
Krim und der Donbass bleiben russisch besetzt. Die Nato wird dafür Kyjiw | |
verlässliche Sicherheitsgarantien geben müssen, die de facto einer | |
Nato-Mitgliedschaft gleichkommen. Das wäre kein Friede, nur ein | |
Waffenstillstand, den beide Seiten für Aufrüstung nutzen. Ein eingefrorener | |
Krieg, so wie in Abchasien, Transnistrien und Südossetien. | |
## Ohne US-Waffen ist die Ukraine verloren | |
All das das hat nichts Bonbonfarbenes. Wenn die Nato Russland Verhandlungen | |
anbietet, wird das ein kurviger, riskanter Weg. Vor allem aus zwei Gründen. | |
Bis jetzt gilt der von Scholz, Macron und Biden mantrahaft wiederholte | |
Satz, dass die Ukraine die alleinige Hoheit über mögliche Kompromisse mit | |
Moskau hat. | |
Aber so ist es nicht. Kiew mag von der Maximalforderung – Rückeroberung von | |
Donbass und Krim – schwerlich abrücken können. Aber faktisch werden die USA | |
mitentscheiden, welcher Kompromiss akzeptabel ist. Denn ohne US-Waffen ist | |
die Ukraine verloren. Ein Verhandlungsangebot der Nato wird diesen Spalt | |
offensichtlich machen. | |
Der zweite Einwand gegen den Deal „Land gegen Sicherheit“ lautet, dass | |
damit Putins aggressiver Raubzug auch noch belohnt wird. Dieses Argument | |
hat Gewicht. Aber es wird immer leichter werden je mehr Unschuldige sterben | |
und je länger der Sieg auf sich warten lässt. | |
Die Debatte um Verhandlungen und einen Plan B wird früher oder später | |
ohnehin kommen. Wenn man an die Opfer denkt, die dieser eskalierende Krieg | |
in den nächsten Monaten und Jahren kosten wird, wäre früher besser. | |
28 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /USA-liefern-Kampfpanzer-in-die-Ukraine/!5907909 | |
[2] /Leopard-2-Lieferungen/!5911304 | |
[3] /Annalena-Baerbock-und-der-Ukraine-Krieg/!5911609 | |
[4] https://twitter.com/SaraNanni/status/1617920764912730113 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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