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# taz.de -- Neubaustopp von Immobilienkonzern: Private schaffen keine neue Wohn…
> Der Immobilienriese Vonovia will nicht mehr bauen – und die SPD
> weitermachen wie bisher. Die Partei hat in der Mietenkrise keine Konzepte
> mehr.
Bild: Seit' an seit' mit der Immobilienwirtschaft: Giffey und die SPD
Berlin taz | Es war der Ansatz der Regierenden Bürgermeisterin Franziska
Giffey (SPD) zur Bewältigung des Mietenwahnsinns in Berlin: Nicht nur die
landeseigenen Wohnungsunternehmen, sondern auch die Privaten sollten
mithelfen, den Wohnungsmarkt zu entspannen.
Immer wieder stellte Giffey dem erfolgreichen Volkseintscheid zur
Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne das Credo „Bauen, bauen,
bauen“ entgegen. Ihr „Bündnis Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ war
das Gegenmodell zum konfrontativen Ansatz der Enteignung. Der erste und
wichtigste Punkt des Paktes: Der Neubau von 100.000 Wohnungen bis 2026.
Nun hat Berlins größter Immobilienkonzern, Vonovia, nicht einmal zwei
Wochen vor der Wahl Giffey eine herbe Schelle verpasst: „Wir werden in
diesem Jahr keinen Beginn von Neubauprojekten haben“, [1][sagte
Vonovia-Chef Daniel Riedl]. Allein in Berlin würde der Bau von 1.500
Wohnungen eingestellt. Man müsste wegen gestiegener Baukosten bei Neubauten
den Quadratmeter für 20 Euro kalt vermieten, damit es sich rentiere. Das
aber sei auf dem deutschen Markt „völlig unrealistisch“.
Schon zuvor hatte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen
Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, gewarnt, die Explosion der Baukosten werde
den privaten Wohnungsneubau ausbremsen.
## Private bauen keine Sozialwohnungen
Zumindest in Bezug auf Neubau darf Giffeys Bündnis damit als endgültig
gescheitert angesehen werden. Von den großen Immobilienkonzernen hatte sich
schließlich vor allem Vonovia dem Bündnis angeschlossen. Auch von der
Mieter:innenbewegung war der Pakt von Beginn an heftig kritisiert
worden. Da das Bündnis nicht auf verbindliche Beschlüsse, sondern lediglich
auf Freiwilligkeit setzte, war etwa der Berliner Mieterverein gar nicht
erst beigetreten.
Bei Letzterem zeigte man sich gegenüber der taz auch nicht überrascht von
dem Rückzug: „Vonovia hat sich ohnehin kaum am sozialen Wohnungsbau
beteiligt, deshalb ist das auch nicht wirklich schmerzhaft“, sagte
Geschäftsführerin Ulrike Hamann der taz. Tatsächlich bauten private
Konzerne im Jahr 2022 lediglich 166 Sozialwohnungen. Die kommunalen
Wohnungsbaugesellschaften dagegen errichteten im selben Zeitraum 6.500
Wohnungen – knapp die Hälfte davon Sozialwohnungen.
Der Rückzug von Vonovia bringt Giffey deshalb in die Bredouille. Am
Dienstagabend, kurz nach der Bekanntwerden der Vonovia-Pläne, kündigte
Giffey ein neues Konzept an. „Mein Vorschlag ist, die Mehrwertsteuer für
den Bau von bezahlbaren Wohnungen zu reduzieren, um ihn gezielt
anzukurbeln“, [2][schrieb sie auf Twitter.] Ziel müsse es sein, für die
Konzerne „die Attraktivität“ zu erhöhen, sozialen Wohnungsbau zu errichte…
## SPD steht nackt da
Damit setzt Giffey auch weiter auf Bauen, Bauen, Bauen. Noch mehr
Erleichterungen, also Subventionen, sollen her, um die Privaten noch
irgendwie dazu zu bewegen, ihren Beitrag zu leisten.
Etwas anderes bleibt der Regierenden und der SPD so kurz vor der Wahl wohl
auch nicht übrig. Denn die SPD steht schlicht nackt da: Sie hat außer dem
„Modell der ausgestreckten Hand“ keine Ansätze zur Hand, dem Mietenwahnsinn
etwas entgegenzusetzen. Da aber auf profitorientierte Wohnungskonzerne in
der Mietenkrise nicht zu zählen ist, implodiert nicht nur Giffeys Bündnis,
sondern auch die Wohnungspolitik des Senats, die sie zur Chefsache erklärt
hatte.
Selbst Rainer Braun vom wirtschaftsnahen Empirica-Institut kann der SPD
scheinbar nichts mehr abgewinnen. „It's over now“, schrieb er auf Twitter.
„Wer jetzt keine Strukturreformen angeht, sondern die ganze Misere mit
neuen und noch höheren Subventionen wieder nur zuzukleistern versucht, hat
von vornherein verloren“. Für diese Strukturreform aber, für diesen
grundsätzlichen Wandel in der Stadtentwicklungspolitik, hat die SPD keine
Angebote in Petto.
## Alternative Konzepte liegen vor
Anders sieht es da etwa bei den Linken aus. Deren Spitzenkandidat Klaus
Lederer hatte erst vor zwei Wochen vor einem „kompletten Stillstand“ beim
Neubau gewarnt. Die Linke sieht das Problem im bestehenden System des
sozialen Wohnungsbaus, in dem Wohnungen nur temporär gefördert werden und
nach spätestens 30 Jahren aus der Preisbindung herausfallen. „Wir setzen
uns deshalb für eine Direktfinanzierung der landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften ein“, so deren mietenpolitischer Sprecher, Niklas
Schenker, zur taz.
Jährlich sollten die Landeseigenen eine Milliarde Euro – etwa 260 Millionen
Euro mehr als bisher – für sozialen Neubau erhalten. Dabei solle eine
dauerhafte Preisbindung vertraglich festgehalten werden. Entstehen könnten
so laut der Linken 7.500 preisgebundene Wohnungen mit Mieten von
durchschnittlich 7,50 Euro. Zudem will die Partei mehr gemeinsame Planung
der Landeseigenen und eine kommunale „Bauhütte“, um ohne Profitdruck bauen
zu können.
Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen, wies darauf
hin, dass Giffeys Vorschlag der Mehrwertsteuersenkung Bundessache sei.
Grundsätzlich brauche es eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Der Bund solle
zunächst einmal die von der Ampel versprochenen
Mieter:innenschutzmaßnahmen umsetzen. Auch könne der Bund etwas
gegen die gravierenden Bodenpreise in der Stadt tun. „Der Bundeskanzler
hatte ja kürzlich so viel Kraft, sich für Enteignungen einzusetzen, da wäre
es doch schön, wenn mal was Substanzielles kommt“, so Schmidberger zur taz.
Weitgehend infrage gestellt wird der Neubau inzwischen von einem Bündnis
von stadtpolitischen Initiativen und Architektinnen und Architekten. Statt
auf Neubau setzt dieses [3][Bündnis Klimastadt Berlin 2030] auf den Umbau
bestehender Gebäude. Mit bei diesem Bündnis ist auch Elisabeth Broermann
von Architects for Future. Zuvor hatte sie schon [4][in einem Interview]
gesagt: „Deutschland ist fertig gebaut“.
1 Feb 2023
## LINKS
[1] /Wohnungsmangel-in-Deutschland/!5913003
[2] https://twitter.com/FranziskaGiffey/status/1620492902442090497
[3] /Statt-Neubau-nun-Umbau-in-Berlin/!5912047
[4] https://www.zeit.de/green/2022-12/wohnungbauziel-bundesregierung-genehmigun…
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
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bauen.
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