| # taz.de -- EU besiegelt Verbrenneraus: Europas neuer Autopilot | |
| > Die EU stellt mehrere Weichen beim Straßenverkehr: Ab 2035 sind | |
| > Verbrennungsmotoren verboten. Schädliche Abgase sollen schon vorher | |
| > weniger werden. | |
| Bild: Rot wie verboten: Bald wird es keine Verbrennungsmotoren mehr geben | |
| Brüssel taz | Der „European Green Deal“, mit dem die europäische Wirtscha… | |
| bis 2050 klimaneutral werden soll, geht auf die Zielgerade. Am Dienstag hat | |
| das Europaparlament in Straßburg endgültig das Aus für Verbrennermotoren ab | |
| 2035 besiegelt. Das Verbot soll auch für Neuwagen gelten, die mit | |
| sogenannten E-Fuels oder Agrokraftstoffen betrieben werden. Ein Dämpfer kam | |
| von der EU-Kommission in Brüssel: Sie will Lastkraftwagen erst ab 2040 | |
| schadstoffarm machen. | |
| Das Ende des Verbrenners ist [1][Teil des „Fit for 55“-Pakets]. Das ist der | |
| Plan für die erste Etappe auf dem Weg zur Klimaneutralität: Um mindestens | |
| 55 Prozent sollen die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen bis 2030 | |
| sinken, im Vergleich mit dem Niveau von 1990. Der Beschluss zum | |
| Verbrennungsmotor solle die Produktion von klimafreundlichen Fahrzeugen | |
| ankurbeln, sagte der Berichterstatter Jan Hitema, ein niederländischer | |
| Liberaler. | |
| Im Grunde galt das aber schon seit dem vergangenen Jahr als beschlossene | |
| Sache, als Unterhändler von EU-Parlament und dem Ministerrat der EU-Staaten | |
| sich darauf einigten. Jetzt ist der Kompromiss aber auch formal in | |
| trockenen Tüchern. 340 Abgeordnete stimmten dafür, 279 dagegen, 21 | |
| enthielten sich. | |
| Die deutschen Grünen feierten das Votum als Erfolg. „Die | |
| Verbrennertechnologie ist passé, das gilt auch für E-Fuels“, sagte der | |
| grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Auch die Sozialdemokraten zeigten | |
| sich zufrieden. „Der Beschluss sichert den Weg zur Umstellung auf Autos | |
| ohne Verbrennungsmotor ab“, sagte SPD-Klimaexperte Tiemo Wölken. Zudem | |
| werde sichergestellt, dass Schlüsselkompetenzen wie die Fertigung von | |
| Batteriezellen in der EU verbleiben. | |
| ## CDU und FDP sorgen sich um Automobilindustrie | |
| Ganz anders klang es bei CDU und FDP. „Die europäische Ampel untergräbt den | |
| Automobilstandort Deutschland und bugsiert damit die chinesische Konkurrenz | |
| in die Pole Position“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Damit | |
| seien 1,4 Millionen Arbeitsplätze in Europa gefährdet. | |
| Die FDP wollte sich bis zuletzt eine Hintertür offenhalten. Der Text | |
| enthält denn auch die Bitte an die EU-Kommission, sich [2][noch einmal mit | |
| E-Fuels] zu befassen. Doch der Zug sei abgefahren, der Klausel komme keine | |
| praktische Bedeutung zu, heißt es in Brüssel. „Das endgültige Aus des | |
| Verbrennungsmotors ist mit der Annahme wahrscheinlich“, räumte auch der | |
| FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen ein. | |
| Umso heftiger tobt der Streit über die neue Euro-7-Abgasnorm für die immer | |
| noch marktbeherrschenden Verbrenner. Sie soll 2025 in Kraft treten. Das | |
| Europaparlament will sich damit erst nach dem Sommer befassen, aber schon | |
| jetzt läuft die Industrie Sturm. Die Hersteller warnen, dass mit Euro-7 | |
| einige Kleinwagentypen vom Markt verschwinden könnten. Mit noch höheren | |
| Auflagen lohne sich die Produktion einfach nicht mehr, heißt es vom Verband | |
| deutscher Automobilhersteller. Auch der deutsche Autokonzern Mercedes-Benz | |
| steht auf der Bremse. Der Zeitplan sei unrealistisch, sagte | |
| Betriebsratschef Ergun Lümali. | |
| Streit bahnt sich auch um Lastkraftwagen und Busse an. Die EU-Kommission | |
| schlug am Dienstag vor, dass neue Stadtbusse ab 2030 keine Abgase mehr | |
| ausstoßen sollen. Bei Lkw will Brüssel bis 2040 warten; der CO2-Ausstoß | |
| soll bis dahin um 90 Prozent reduziert werden. So könne auch die | |
| Luftqualität in den Städten verbessert werden. | |
| ## Uneinigkeit über „grünen“ Wasserstoff aus Atomkraft | |
| Die 90-Prozent-Vorgabe für Lkw bleibt allerdings hinter dem zurück, was die | |
| Benelux-Länder verlangt hatten. Andere EU-Staaten vertreten dagegen die | |
| Auffassung, das Jahr 2040 sei für Lkw-Produzenten zu früh für eine | |
| Umstellung auf alternative Antriebe. Umweltgruppen kritisieren, dass | |
| [3][mit dieser Vorgabe] auch im Jahr 2050 immer noch Diesel-Lkw unterwegs | |
| sein würden – wenn die EU ja klimaneutral sein will. | |
| Über den Vorschlag der Kommission müssen nun Parlament und Mitgliedstaaten | |
| beraten. Die Grünen winken schon ab: „Too little, too late“, sagte | |
| Klimaexperte Bloss. Demgegenüber warnt der CSU-Europaabgeordnete Markus | |
| Ferber vor kumulativen Effekten beim Klimaschutz im Verkehr: „Koppelt man | |
| das Verbrennerverbot für Pkw mit der vorgeschlagenen Euro-7-Abgasnorm und | |
| den Plänen für CO2-Flottengrenzwerte für Lkw, könnte man den Eindruck | |
| bekommen, dass Mobilität bald zum Luxusgut verkommt.“ | |
| Auf Widerstand stößt auch der Vorschlag der Kommission, den als | |
| Zukunftstreibstoff gehandelten Wasserstoff auch dann noch als „grün“ | |
| einzustufen, wenn er mit Atomstrom erzeugt wurde. Atomkraft zählt allgemein | |
| nicht als erneuerbare Energiequelle. Die Kommission sieht in ihrem | |
| Vorschlag jedoch vor, dass unter bestimmten Umständen lediglich der | |
| CO2-Ausstoß betrachtet werden kann. | |
| Nun droht neuer Streit zwischen Berlin und Paris: Atomkraft sei „keine | |
| erneuerbare Energie“, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums | |
| zu den Plänen aus Brüssel. Deutschland möchte in erster Linie „grünen | |
| Wasserstoff“ nutzen, der [4][ausschließlich mit erneuerbaren Energien] | |
| produziert wird. Demgegenüber setzt Frankreich auch beim Wasserstoff auf | |
| Atomkraft. | |
| 14 Feb 2023 | |
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| [1] /Durchbruch-beim-EU-Klimaschutz/!5903156 | |
| [2] /Ampel-Streit-um-Planungsbeschleunigung/!5905029 | |
| [3] /Vorschlag-der-EU-fuer-neue-Abgasnorm/!5889304 | |
| [4] /Wasserstoff-in-der-Industrie/!5911020 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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