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# taz.de -- Russische Medien im Exil: Meduza ist in Russland „unerwünscht“
> Das Webportal, das bereits „ausländischer Agent“ ist, wird jetzt in
> Russland komplett verboten. Nicht nur Journalist*innen drohen
> drakonische Strafen
Bild: Die Chefredakteurin von Meduza, Galina Timtschenko, spricht 2019 bei eine…
Berlin taz | Moskau setzt seinen Feldzug gegen oppositionelle russische
Medien mit unverminderter Härte fort. Am Donnerstag erfolgte der nächste
Schlag: Die russische Generalstaatsanwaltschaft erklärte das Internetmedium
Meduza zu einer „unerwünschten“ Organisation. Zur Begründung hieß es, die
Arbeit des Mediums stelle eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung und
Sicherheit der Russischen Föderation dar.
Galina Timtschenko, Chefredakteurin von Meduza, und ihr Team reagierten
nach kurzer Bedenkzeit. „Ach könnten wir doch sagen, dass das alles nicht
schrecklich und uns der neue Status egal sei – aber so verhält es sich
nicht. Wir fürchten um unsere Leser*innen. Um diejenigen, die bereits viele
Jahre mit Meduza zusammen arbeiten. Wir fürchten um unsere Nächsten und
Freund*innen“, heißt es in einer Stellungnahme der Redaktion.
Die Angst hat gute Gründe. Der Stempel „unerwünscht“ bedeutet, dass jetzt
jegliche Tätigkeit von bzw. in Zusammenhang mit Meduza in Russland verboten
ist. Bei Zuwiderhandlung drohen empfindliche Strafen. Diese betreffen nicht
nur Journalist*innen, sondern auch User*innen sowie Unterstützer*innen.
So können die führenden Köpfe von Meduza – auch die, die im Ausland tätig
sind – mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft werden. Wer
Informationsmaterial von Meduza verbreitet, riskiert im Wiederholungsfall
Geldstrafen von umgerechnet rund 4000 Euro bzw. bis zu vier Jahren
Gefängnis.
## Stachel im Fleisch
Tätigkeiten, wie Journalist*innen von Meduza Kommentare zu geben oder
Fotos zwecks Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen, sind ebenfalls
strafbewehrt. Wer dem inkriminierten Medium finanzielle Hilfe zukommen
lässt, könnte sich im schlimmsten Fall für fünf Jahre im Gefängnis wieder
finden.
Dass gerade Meduza für die russischen Behörden ein Stachel im Fleisch ist,
kommt nicht von ungefähr. Die Publikation ging 2014 in der [1][lettischen
Hauptstadt Riga] an der Start und ist seitdem dort ansässig.
Die Einschaltquote des Webportals, das sich besonders durch investigative
Recherchen und umfängliche Hintergrundberichte einen Namen gemacht hat,
kann sich sehen lassen. So weist das IT-Unternehmen SimilarWeb allein für
Dezember 2022 34,5 Millionen Zugriffe aus. Der Telegram-Kanal hat
mittlerweile mehr als 1,2 Millionen Abonnements. Damit belegt er einen
Platz unter den Top 20 russischsprachiger Nachrichtenkanäle.
Dabei sind Justizorgane im Auftrag des Kreml schon seit längerem darum
bemüht, Meduza das (Über)leben nicht nur schwer, sondern unmöglich zu
machen. Im April 2021 wurde Meduza in das Register sogenannter
„ausländischer Agenten“ aufgenommen, im vergangenen März ließ die russis…
Medienaufsichtsbehörde [2][Roskomnadzor] das Medium blockieren.
## Sozialer Hass
Kurz darauf wurde auch Ewgeni Prigoschin, Gründer und Chef der berüchtigten
Söldner-Truppe Wagner, die auch in der Ukraine ihr blutiges Unwesen treibt,
in der Kausa Meduza tätig. Er schlug dem russischen Generalstaatsanwalt
Igor Krasnow vor, Meduza zur Persona non grata zu erklären – wegen
Provokationen, die darauf abzielten, sozialen Hass zu schüren, die
Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung auszuhebeln sowie Bürger*innen
und Angehörige des Militärs zu demoralisieren. All das habe negative
Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit des Landes.
Die Positionierung von Meduza gegen den Ukraine-Krieg ist für Galina
Timtschenko auch der Hauptgrund für die jüngsten Repressionen. Sie habe
nicht vor, die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vor Gericht
anzufechten und keine Lust, ihre Lebenszeit mit diesen Idioten zu
verbringen. Sie und ihre Mannschaft hätten bis zum Schluss versucht, sich
auf legalem Terrain zu bewegen, doch jetzt sei es genug. Bis Mitte der
Woche hatte Meduza jeden Beitrag in den sozialen Netzwerken mit dem Zusatz
„ausländischer Agent“ versehen. Dieser ist seit Donnerstag verschwunden.
Für den ehemaligen Herausgeber von Meduza, Ilja Krasiltschik, steht fest,
dass demnächst weitere oppositionelle russische Medien als „unerwünscht“
eingestuft werden. „Noch sechs Monate – und es wird noch schlimmer sein.
Aber es ist bereits klar, dass sie den unabhängigen Journalismus nicht
besiegen werden, er ist stärker und überlebt in jeder Situation. Lass sie
doch schreien – sie werden nichts erreichen. Ehrlich gesagt, scheiß auf sie
mit ihren „unerwünschten Organisationen“, mit ihren „ausländischen
Agenturen“, mit all diesem Müll“, zitiert der russische Dienst der BBC
Krasiltschik.
Galina Timschuk und ihre Mitstreiter*innen wählen da eine etwas
vornehmere Ausdrucksweise. „Wir glauben daran, was wir tun. Wir glauben an
die Freiheit des Wortes und an ein demokratisches Russland“, heißt es in
der Stellungnahme weiter. „Je stärker der Druck wird, desto härter werden
wir dem widerstehen.“
28 Jan 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Barbara Oertel
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